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Ordnung des kirchlichen Lebens
Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union (Entwurf 1997)
Einführung
1. Gottesdienst und Abendmahl
2. Kirchenmitgliedschaft und
Beteiligung am Gemeindeleben
3. Taufe und Konfirmation
4. Lebensgemeinschaft, Ehe und
kirchliche Trauung
5. Seelsorge, Beratung und Beichte
6. Bestattung, Sterbe- und Trauerbegleitung
7. Dienst, Mitarbeit und Leitung
8. Geld und Besitz
9. Verantwortung in Öffentlichkeit,
Gesellschaft und Politik
Eine neue Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union liegt vor.
Aus vielen Anlässen kommen Menschen mit dem kirchlichen Leben in Berührung. Sie bringen ihre persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen mit. Sie hoffen auf Orientierung und Hilfe. Dabei treffen sie auf Formen, Riten und Inhalte, die ihnen oft nicht mehr selbstverständlich sind. Sie fragen zum Beispiel, ob der Vater, der aus der Kirche ausgetreten war, kirchlich bestattet werden kann. Sie wollen wissen, ob eine kirchliche Trauung zwischen einer Muslimin und einem Christen möglich ist. Sie sind verwundert oder verärgert darüber, daß der vorgesehene Pate nicht zum Patenamt zugelassen werden kann.
In einer Zeit, in der sich der früher selbstverständliche Zusammenhang zwischen Kirche und Gesellschaft gelockert oder aufgelöst hat, wird das Angebot biblischer Orientierung und einer überzeugenden, verständlichen und einladenden Ordnung kirchlichen Lebens um so wichtiger. Die Kirche hat von Jesus Christus her die Aufgabe, »die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk« (Barmer Theologische Erklärung, 6. These). Es ist deshalb der Auftrag der Kirche, den Menschen, die nach religiöser Sinndeutung in der Vielfalt gesellschaftlicher und persönlicher Situationen suchen, das Evangelium nahezubringen und sie zum Leben in der Gemeinde einzuladen. Dazu bietet die neue Lebensordnung eine Grundlage.
Die neue Lebensordnung ist vor allem für
diejenigen bestimmt, die in Gemeinden und anderen kirchlichen Körperschaften
und Einrichtungen Verantwortung tragen. Sie soll aber auch Leitlinie für
alle sein, die nach Zeugnis, Gemeinschaft und Dienst der Kirche fragen.
Präambel: Die christliche Gemeinde versammelt sich im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zum Gottesdienst und lädt dazu ein. Sie hört auf Gottes Wort, feiert die Sakramente und antwortet mit Gebet, Lobgesang und Dankopfer. Sie empfängt Gottes Segen und läßt sich in die Welt senden. Durch die Versammlung unter Gottes Wort soll das ganze Leben der Christen zum Gottesdienst werden.
Artikel 1 Zeit des Gottesdienstes
(1) Die Gemeinde feiert am Sonntag Gottesdienst,
weil der Sonntag der Tag der Auferstehung Jesu Christi ist. Gottesdienste
finden auch an kirchlichen Feiertagen statt. Sie können darüber
hinaus an anderen Wochentagen gefeiert werden.
(2) Orte und Zeiten der Gottesdienste bestimmt
der Gemeindekirchenrat (Presbyterium). Soll in einer Gemeinde der Gottesdienst
statt am Sonntag regelmäßig am Vorabend oder an einem anderen
Wochentag stattfinden, bedarf es der vorherigen Zustimmung des Kreiskirchenrates
(Kreissynodalvorstandes).
Artikel 2 Familiengottesdienst, Kindergottesdienst
und Gottesdienste aus besonderen Anlässen
(1) Gemeinsame Gottesdienste für Erwachsene
und Kinder (Familiengottesdienste) sollen regelmäßig gefeiert
werden.
(2) Die Kinder der Gemeinde sollen zum Kindergottesdienst
eingeladen werden.
(3) Aus besonderen Anlässen können
zusätzliche Gottesdienste wie Gebetsgottesdienste, Ökumenische
Gottesdienste, Fürbittgottesdienste bei Friedensgefährdung oder
sozialen Spannungen gefeiert werden.
Artikel 3 Verkündigung und Predigt
Die Verkündigung im Gottesdienst ist an
die Heilige Schrift gebunden. In der Predigt wird in der Regel ein Abschnitt
aus der Heiligen Schrift ausgelegt. Die biblischen Lesungen sollen in der
eingeführten Bibelübersetzung vorgetragen werden.
Artikel 4 Ordnung des Gottesdienstes und der
Abendmahlsfeier
Die Gestaltung des Gottesdienstes und der Abendmahlsfeier
geschehen im Rahmen der von der Synode eingeführten Agende und des
eingeführten Gesangbuchs. Für den Wortlaut der Einsetzungsworte
ist die agendarische Form verpflichtend. Die Gestaltung des Gottesdienstes
nach der Agende entbindet nicht von der Aufgabe, jeden Gottesdienst dem
Anlaß und dem Kreis der Teilnehmenden entsprechend zu gestalten.
Neben der Beachtung fester Strukturen und der Wiederholung bekannter Formen
sollen Wege beschritten werden, die biblische Botschaft in anderer Weise
zur Sprache zu bringen. Predigt- und Gottesdienstvorbereitungskreise sind
Ausdruck dafür, daß der Gottesdienst Sache der ganzen Gemeinde
ist.
Artikel 5 Leitung und Mitwirkung
Der Gottesdienst und die Feier des heiligen Abendmahls
werden von der Pfarrerin oder dem Pfarrer geleitet. Bei der Austeilung
des Abendmahls können Älteste und andere Gemeindemitglieder mitwirken.
Bei Vorbereitung und Gestaltung des Gottesdienstes sollen Gemeindeglieder
aktiv beteiligt werden. Kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie
geeignete Gemeindeglieder können nach einer entsprechenden Beauftragung
auch die Leitung des Gottesdienstes wahrnehmen.
Artikel 6 Teilnahme am Abendmahl
(1) Grundlegende Voraussetzung für die Teilnahme
am Abendmahl ist die Taufe. Eingeladen sind alle getauften Glieder der
evangelischen Kirche und anderer Kirchen, mit denen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft
besteht. Im Rahmen »eucharistischer Gastbereitschaft« sind
auch Glieder solcher christlicher Kirchen eingeladen, mit denen noch keine
Kirchengemeinschaft besteht.
(2) Die Teilnahme am Abendmahl in selbständiger
Verantwortung beginnt mit der Konfirmation oder einer Erwachsenentaufe.
(3) Gemeindeglieder, die nicht konfirmiert sind,
können nach genügender Unterweisung und Vorbereitung zum Abendmahl
zugelassen werden.
(4) Während der Konfirmandenunterweisung
kann das Abendmahl auch schon vor der Konfirmation gefeiert werden.
(5) Getaufte Kinder können nach gliedkirchlichem
Recht in Begleitung ihrer Eltern oder anderer christlicher Bezugspersonen
am Abendmahl teilnehmen, wenn sie imstande sind, in der ihnen gemäßen
Weise die Gabe des Abendmahls zu erfassen, und entsprechend darauf vorbereitet
werden. Kinder und Ungetaufte können durch Handauflegung mit einem
Segenswort in die Gemeinschaft einbezogen werden.
Artikel 7 Besondere Formen der Austeilung
(1) Zur Austeilung können in Ausnahmefällen
auch Einzelkelche benutzt werden; der Gemeinschaftscharakter des Abendmahls
ist dabei zu wahren. Es kann auch das Eintauchen des Brotes (intinctio)
in Betracht kommen.
(2) Statt Wein kann aus seelsorglicher Verantwortung
heraus auch Traubensaft gereicht werden. Andere Möglichkeiten wie
gelegentliche alkoholfreie Abendmahlsfeiern, Austeilen von Wein und Traubensaft
in verschiedenen Gruppen oder der Empfang in einer Gestalt können
eröffnet werden.
Artikel 8 Krankenabendmahl
Kranken und Sterbenden soll auf Wunsch das Abendmahl
zu Hause oder im Krankenhaus gereicht werden. Die Angehörigen und
andere Gemeindeglieder werden zur Teilnahme eingeladen.
Artikel 9 Abendmahl und Agape
Wird das Abendmahl im Zusammenhang einer Agape
(Gemeinschaftsmahl) gefeiert, so ist es von dem Sättigungsmahl deutlich
zu unterscheiden.
Artikel 10 Kollekten
(1) In den Gottesdiensten werden Kollekten gesammelt.
(2) Über die Kollekten, deren Zweckbestimmung
der Gemeinde freigestellt ist, entscheidet zuvor der Gemeindekirchenrat
(Presbyterium).
Artikel 11 Abkündigungen, Bekanntmachungen,
Informationen
In den Abkündigungen werden kirchliche Amtshandlungen
bekanntgegeben und Gemeindeglieder der Fürbitte der Gemeinde empfohlen.
Ferner werden Bestimmungen und Ergebnisse der Kollekten genannt und kirchenamtliche
Bekanntmachungen verlesen. Zudem wird zu kirchlichen Veranstaltungen eingeladen
und über Ereignisse der Gemeinde berichtet.
Artikel 12 Glockengeläut
Die Glocken rufen die Gemeinde zum Gottesdienst
und laden zum Gebet ein. Das Glockengeläut wird durch eine Läuteordnung
geregelt.
Artikel 13 Kirchengebäude
Zur geistlichen Verantwortung für den Gottesdienst
gehört der Umgang mit dem gottesdienstlichen Raum. Deshalb ist
die Ausstattung des Raumes in ihrer geistlichen Aussagekraft zu beachten
und zu pflegen.
Artikel 14 Photographische und filmische Aufnahmen
(1) Der christliche Gottesdienst ist eine öffentliche
Veranstaltung. Die Kirche hat ein Interesse daran, daß ihr gottesdienstliches
Leben in der Öffentlichkeit wirksam dargestellt und aus der privaten
Erinnerung nicht verdrängt wird.
(2) Gleichwohl sind bestimmte Regeln einzuhalten,
um die Würde des Gottesdienstes und der Amtshandlungen sowie die Privatsphäre
der Menschen zu achten.
(3) Zurückhaltung ist beim Filmen und Photographieren
geboten, vor allem während der Feier des Abendmahls, der Taufhandlung,
bei der Einsegnung der Konfirmandinnen und Konfirmanden, bei der Segnung
von Brautpaaren und bei Ordinationen und Amtseinführungen.
(4) Für Funk- und Fernsehübertragungen
gelten eigene Regeln. Diese sind bei der Vorbereitung genau abzusprechen.
Der Gemeindekirchenrat (Presbyterium) hat im Blick auf die örtlichen
Verhältnisse die allgemeinen Bedingungen festzulegen, die beim Photographieren
und Filmen während des Gottesdienstes und bei Amtshandlungen einzuhalten
sind.
2. Kirchenmitgliedschaft und
Beteiligung am Gemeindeleben
Präambel: Wer durch die Taufe zum Glied am Leibe Christi geworden ist, ist damit zugleich Kirchenmitglied. Evangelische Christen gehören zu einer bestimmten Kirchengemeinde. In der Teilhabe am Leben der Gemeinde haben sie Rechte und Pflichten. Für die Veränderungen in der Form der Mitgliedschaft gelten besondere Bestimmungen des gliedkirchlichen Rechts.
Artikel 1 Begründung der Kirchenmitgliedschaft
Die Gliedschaft am Leibe Christi wird durch die
Taufe begründet. Die Kirchenmitgliedschaft zu einer bestimmten Gemeinde
und Landeskirche richtet sich zusätzlich nach der Bekenntniszugehörigkeit
und dem Wohnsitz.
Artikel 2 Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde
Getaufte evangelische Christen, die nicht Mitglied
einer anderen evangelischen Kirche oder Gemeinschaft sind, gehören
in der Regel der Kirchengemeinde ihres Wohnsitzes an; unter besonderen
Voraussetzungen kann die Mitgliedschaft aber auch zu einer anderen Kirchengemeinde
bestehen. Mitglieder einer Kirchengemeinde gehören zugleich zu einer
Landeskirche und damit auch zur Evangelischen Kirche in Deutschland.
Artikel 3 Umzug und Meldepflichten
(1) Die Kirchenmitglieder sind verpflichtet,
die Angaben zu machen, die für die Wahrnehmung des Auftrages der Kirche
in Verkündigung, Seelsorge und Diakonie erforderlich sind. Sie sind
verpflichtet, auch bei den staatlichen oder kommunalen Meldebehörden
ihre Bekenntniszugehörigkeit anzugeben.
(2) Beim Umzug in einen anderen Ort oder in eine
andere Landeskirche setzt sich die Mitgliedschaft in der entsprechenden
neuen Kirchengemeinde fort. Die Kirchenmitglieder sollen zu der neuen Kirchengemeinde
persönlichen Kontakt aufnehmen.
Artikel 4 Rechte der Kirchenmitglieder
Alle Kirchenmitglieder haben teil am Auftrag
ihres Herrn, das Evangelium allen Menschen zu bezeugen. Sie sind berufen,
am kirchlichen Leben teilzunehmen, den Dienst der Kirche in Verkündigung,
Seelsorge und Diakonie in Anspruch zu nehmen, an der Urteilsbildung über
die rechte Lehre Anteil zu nehmen, geordnete Dienste in der Gemeinde nach
entsprechender Zurüstung wahrzunehmen, an der Leitung der Gemeinde
nach Maßgabe kirchlichen Rechts auch durch die Ausübung des
aktiven und passiven Wahlrechts teilzunehmen.
Artikel 5 Pflichten der Kirchenmitglieder
Kirchenmitglieder sind verpflichtet, zu den finanziellen
Lasten ihrer Kirche beizutragen. Dies geschieht durch Kirchensteuern, Gemeindebeiträge
(Kirchgeld), Opfer und Spenden.
Artikel 6 Verlust der kirchlichen Rechte
(1) Wer durch Wort oder Tat, trotz wiederholter
Ermahnung, die Wahrheit des Evangeliums leugnet, die Kirche unglaubwürdig
macht oder die kirchliche Gemeinschaft zerstört, kann die kirchlichen
Rechte (zum Beispiel das Recht auf Teilnahme am Abendmahl) verlieren. Hierüber
befindet der Gemeindekirchenrat (Presbyterium). Gegen dessen Entscheidung
kann Beschwerde beim Kreiskirchenrat (Kreissynodalvorstand) eingelegt werden.
Diese Entscheidung ist endgültig.
(2) Besteht der Grund für den Rechtsverlust
nicht mehr, entscheidet der Gemeindekirchenrat (Presbyterium) über
die Aufhebung der Maßnahme.
(3) Das gliedkirchliche Recht kann Weiteres regeln.
Artikel 7 Übertritt
Der Übertritt aus einer anderen Kirche zur
evangelischen Kirche kann durch eine Vereinbarung zwischen den beteiligten
Kirchen geregelt werden. Gleiches gilt für das Ausscheiden aus der
evangelischen zum Übertritt zu einer anderen Kirche.
Artikel 8 Beendigung der Kirchenmitgliedschaft
(1) Die Kirchenmitgliedschaft endet mit Fortzug
aus dem Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland, durch Übertritt
zu einer anderen Kirche oder durch Kirchenaustritt.
(2) Die Kirchenmitgliedschaft bei vorübergehendem
Auslandsaufenthalt bestimmt sich nach $ 11 des Kirchengesetzes der Evangelischen
Kirche in Deutschland über die Kirchenmitgliedschaft, das kirchliche
Meldewesen und den Schutz der Daten der Kirchenmitglieder vom 10. November
1976.
Artikel 9 Wiederaufnahme in die Kirche
Die Wiederaufnahme Ausgetretener soll so gestaltet
werden, daß sie den Auftrag der Kirche erkennen läßt,
Menschen in die Gemeinde einzuladen. Sie geschieht auf Grund eines persönlichen
Antrags. Dieser kann von den zuständigen Kirchengemeinden oder von
besonderen, durch die Landeskirchen eingerichteten Wiederaufnahmestellen
angenommen und entschieden werden. In welcher Form mit Menschen, die die
Wiederaufnahme beantragen, Gespräche geführt, wie die Wiederaufnahme
beurkundet und die Wiederaufgenommenen in die Gemeinde eingeführt
werden, regelt das gliedkirchliche Recht.
Artikel 10 Dienst an Ausgetretenen
Weil der Kirchenaustritt die Verheißung
des Evangeliums nicht aufheben kann, die in der Taufe sichtbaren Ausdruck
gefunden hat, besteht für die Gemeinde die Pflicht, Ausgetretenen
nachzugehen, sie zu informieren, für sie zu beten und sie immer wieder
auch zur Rückkehr in die Kirche einzuladen.
Artikel 11 Gastweise Mitarbeit
(1) Wer noch nicht getauft ist oder die Kirchenmitgliedschaft
aus anderen Gründen noch nicht erwerben will, kann auf Wunsch als
mitarbeitender Gast in ein Register der Kirchengemeinde, des Kirchenkreises
oder einer kirchlichen Einrichtung eingetragen werden.
(2) Kirchliche Einrichtungen und Kirchengemeinden
können – im Rahmen der kirchlichen Ordnung – mitarbeitenden Gästen
bestimmte Rechte der Beratung und Mitwirkung einräumen.
1. Taufe
Präambel: Das Sakrament der Taufe
ist die grundlegende kirchliche Handlung, durch die die Getauften zum Glied
am Leibe Christi berufen werden und ihre Mitgliedschaft in der Kirche begründet
wird. Die Taufe ist zugleich Gottes Gabe und unsere menschliche Antwort
auf diese Gabe. Die Gemeinde läßt sich im Gottesdienst an die
Gabe und Verpflichtung der Taufe erinnern und freut sich der Freundlichkeit
Gottes, die jeder menschlichen Antwort vorausgeht.
Artikel 1 Taufvorbereitung
Zu einer in Verantwortung wahrgenommenen Taufe
gehört die Taufvorbereitung. Sie richtet sich nach dem Lebensalter
des Täuflings:
a) Wird für Kleinkinder die Taufe begehrt,
führt die Pfarrerin oder der Pfarrer mit den Eltern – wo möglich
auch mit den Patinnen und Paten – ein Gespräch über Verheißung
und Verpflichtung der Taufe.
b) Wird für heranwachsende Kinder die Taufe
begehrt, sind sie ihrem Lebensalter entsprechend darauf vorzubereiten.
c) Für ungetaufte Kinder im Konfirmandenalter
ist der Konfirmandenunterricht die zur Taufe hinführende Taufunterweisung.
Ihre Taufe kann während der Unterrichtszeit oder im Konfirmationsgottesdienst
erfolgen.
d) Der Taufe Erwachsener geht eine Taufunterweisung
voraus, wobei auch die persönlichen Beweggründe des Taufwunsches
zur Sprache kommen. Die kirchliche Seelsorge darf nicht durch überfordernde
Ansprüche davon abschrecken, Gottes Zusage für sich in Anspruch
zu nehmen.
Artikel 2 Tauffeier
(1) Die Taufe wird im Gottesdienst nach der in
der Gemeinde geltenden Agende gehalten.
(2) Taufen außerhalb des Gemeindegottesdienstes,
Haustaufen oder Taufen in Krankenhäusern finden nur in begründeten
Ausnahmefällen statt.
(3) Taufen in Notfällen können alle
Getauften vollziehen. Sie sind unverzüglich der zuständigen Kirchengemeinde
zur Bestätigung mitzuteilen.
Artikel 3 Anerkennung der Taufe
Weil die Taufe Gottes Werk ist, erkennt die evangelische
Kirche alle Taufen an, die nach dem Auftrag Jesu Christi mit Wasser im
Namen des dreieinigen Gottes vollzogen werden.
Artikel 4 Patenamt
Für die Taufe eines Kindes werden in der
Regel Patinnen und Paten bestellt. Patin oder Pate kann sein, wer der evangelischen
Kirche angehört und zum heiligen Abendmahl zugelassen ist. Auch Mitglieder
einer der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehörenden Kirche
können zum Patenamt zugelassen werden. In diesem Fall soll eine Patin
oder ein Pate der evangelischen Kirche angehören.
Artikel 5 Zurückstellung von der Taufe
(1) Die Taufe ist zurückzustellen, wenn
die Eltern die Taufvorbereitung (Taufgespräch) verweigern oder wenn
ein Sorgeberechtigter der Taufe widerspricht oder wenn die evangelische
Erziehung des Kindes abgelehnt wird.
(2) Die Taufe eines Kindes, dessen Eltern nicht
der evangelischen Kirche angehören, darf nur vollzogen werden, wenn
die Eltern damit einverstanden sind und Patinnen, Paten oder andere Gemeindeglieder
bereit und in der Lage sind, die Verantwortung für die evangelische
Erziehung des Kindes zu übernehmen. Andernfalls muß die Taufe
zurückgestellt werden.
(3) Die Taufe eines Erwachsenen ist zurückzustellen,
wenn er an einer Taufunterweisung nicht teilgenommen hat oder wenn das
Taufgespräch ergibt, daß das Begehren nicht ernsthaft ist.
Artikel 6 Beschwerde
(1) Hat die Pfarrerin oder der Pfarrer Bedenken,
die Taufe zu vollziehen, ist eine Entscheidung des Gemeindekirchenrates
(Presbyteriums) herbeizuführen. Lehnt dieser die Taufe ab, können
die Eltern oder der religionsmündige Täufling Beschwerde bei
der Superintendentin (Kreisoberpfarrerin) oder beim Superintendenten (Kreisoberpfarrer)
einlegen; diese Entscheidung ist endgültig.
(2) Ist die Pfarrerin oder der Pfarrer entgegen
der Entscheidung der Superintendentin (Kreisoberpfarrerin) oder des Superintendenten
(Kreisoberpfarrer) überzeugt, die Taufe nicht verantworten zu können,
ist sie einer anderen Pfarrerin oder einem anderen Pfarrer zu übertragen.
Artikel 7 Zuständigkeit
(1) Zuständig für die Taufe ist die
Pfarrerin oder der Pfarrer, in deren Bezirk der Täufling wohnt.
(2) Wenn die Taufeltern oder der Täufling
eine andere Pfarrerin oder einen anderen Pfarrer wählen, ist ein Abmeldeschein
(Dimissoriale) des zuständigen Pfarramts erforderlich. Dessen Erteilung
darf nur aus Gründen abgelehnt werden, aus denen eine Taufe abgelehnt
werden kann.
Artikel 8 Beurkundung und Bescheinigung
(1) Die Taufe wird nach der Kirchenbuchordnung
beurkundet.
(2) Über die Taufe wird ein Taufschein ausgestellt.
2. Unterweisung und Konfirmation
Präambel: Konfirmandenunterricht
und Konfirmationsgottesdienst sind kirchliche Handlungen, durch die im
Kindes- oder Jugendalter getaufte Jugendliche mit dem Ziel in Lehre und
Leben der Gemeinde eingeführt werden, in eigener Verantwortung als
Christen zu leben.
Artikel 1 Einladung
Die Einladung, am Konfirmandenunterricht teilzunehmen
und sich konfirmieren zu lassen, richtet sich an alle getauften und ungetauften
Jugendlichen in der Regel zwischen zwölf und fünfzehn Jahren.
Artikel 2 Anmeldung
(1) Die Jugendlichen sind durch ihre Eltern oder
Erziehungsberechtigten beim zuständigen Pfarramt anzumelden. Dabei
wird gegebenenfalls der Taufschein vorgelegt. Religionsmündige können
sich auch selbst anmelden.
(2) Soll der Konfirmandenunterricht bei einer
anderen Pfarrerin oder einem anderen Pfarrer erfolgen, ist ein Abmeldeschein
(Dimissoriale) des zuständigen Pfarramts erforderlich.
Artikel 3 Konfirmandenunterricht
(1) Der Konfirmandenunterricht hat das Ziel,
die Konfirmandinnen und Konfirmanden in einer ihnen gemäßen
Art mit den zentralen Aussagen des christlichen Glaubens und dem Leben
der Gemeinde vertraut zu machen.
(2) Die inhaltliche und zeitliche Gestaltung
des Konfirmandenunterrichts erfolgt unter der Verantwortung des Gemeindekirchenrates
(Presbyteriums) auf der Grundlage der kirchengesetzlichen Bestimmungen
und der Rahmenpläne. Zu den Inhalten des Konfirmandenunterrichts gehören
die Hauptstücke der reformatorischen Katechismen.
Artikel 4 Teilnahme am Gottesdienst
Die Konfirmandinnen und Konfirmanden sollen am
sonntäglichen Gottesdienst teilnehmen. Auch ihre Eltern werden dazu
eingeladen. Es ist dafür zu sorgen, daß die Konfirmandinnen
und Konfirmanden an der Gestaltung von Gottesdiensten beteiligt werden.
Artikel 5 Vorstellung der Konfirmandinnen und
Konfirmanden
Die Konfirmandinnen und Konfirmanden werden der
Gemeinde während der Unterrichtszeit im Gottesdienst vorgestellt.
Die Gemeinde soll schon während der Unterrichtszeit erfahren, was
die Konfirmandinnen und Konfirmanden gelernt haben, und dabei selbst an
die Hauptaussagen des christlichen Glaubens erinnert werden.
Artikel 6 Konfirmationsgottesdienst
(1) Der Konfirmationsgottesdienst ist ein öffentlicher
Gottesdienst der Gemeinde. Er richtet sich nach der geltenden Agende und
wird unter Beteiligung der Konfirmandinnen und Konfirmanden, ihrer Eltern
und anderer Gemeindeglieder vorbereitet.
(2) Zur Konfirmation gehört die Feier des
Abendmahls im Konfirmationsgottesdienst selbst oder in unmittelbarer zeitlicher
Nähe.
Artikel 7 Wirkungen
Die Konfirmation berechtigt zur selbständigen
Teilnahme am heiligen Abendmahl und zur Übernahme des Patenamtes.
Artikel 8 Zurückstellung von der Konfirmation
(1) Die Konfirmation setzt voraus, daß
die Konfirmandinnen und Konfirmanden durch Teilnahme am vorangegangenen
Unterricht und am gemeindlichen Leben, insbesondere am Gottesdienst, mit
den Grundlagen und Lebensvollzügen des christlichen Glaubens vertraut
gemacht worden sind.
(2) Hat die Pfarrerin oder der Pfarrer Bedenken,
die Konfirmation zu vollziehen, ist eine Entscheidung des Gemeindekirchenrates
(Presbyteriums) herbeizuführen. Lehnt dieser die Konfirmation ab,
können die Erziehungsberechtigten oder die religionsmündige Konfirmandin
beziehungsweise der religionsmündige Konfirmand Beschwerde bei der
Superintendentin (Kreisoberpfarrerin) oder beim Superintendenten (Kreisoberpfarrer)
einlegen; diese Entscheidung ist endgültig.
(3) Ist die Pfarrerin oder der Pfarrer entgegen
der Entscheidung der Superintendentin (Kreisoberpfarrerin) oder des Superintendenten
(Kreisoberpfarrer) überzeugt, die Konfirmation nicht verantworten
zu können, ist sie einer anderen Pfarrerin oder einem anderen Pfarrer
zu übertragen.
Artikel 9 Beurkundung und Bescheinigung
Die Konfirmation wird nach der Kirchenbuchordnung
beurkundet. Über die Konfirmation wird ein Konfirmationsschein ausgestellt.
4. Lebensgemeinschaft, Ehe und
kirchliche Trauung
Präambel: Die Trauung ist eine gottesdienstliche Handlung, in der die eheliche Gemeinschaft unter Gottes Wort und Segen gestellt wird. Dabei bringen die Eheleute zum Ausdruck, daß sie einander aus der Hand Gottes annehmen und ihr Leben lang beieinander bleiben wollen. Die Gemeinde erbittet für die Eheleute, daß sie sich gegenseitig verstehen und vertrauen in guten wie in schlechten Tagen.
Artikel 1 Traugespräch
Vor der Trauung führt die Pfarrerin oder
der Pfarrer mit den Eheleuten ein Traugespräch, dessen wesentlicher
Inhalt die Aussagen des christlichen Glaubens zur Ehe sind. Auch Inhalt
und Ablauf der Trauung kommen dabei zur Sprache.
Artikel 2 Abkündigung und Fürbitte
Die Trauung wird in einem Gottesdienst bekanntgegeben.
Die Gemeinde hält für die Eheleute Fürbitte.
Artikel 3 Eheschließung
(1) Auf die Eheschließung soll die kirchliche
Trauung folgen.
(2) Eine Trauung wird nur gehalten, nachdem die
Eheschließung nachgewiesen worden ist.
Artikel 4 Traugottesdienst
Die Trauung wird nach der Ordnung der Agende
gehalten.
Artikel 5 Bedeutung der Kirchenmitgliedschaft
(1) Voraussetzung der Trauung ist, daß
die Eheleute einer christlichen Kirche angehören und entweder die
Ehefrau oder der Ehemann Mitglied der evangelischen Kirche und zum Abendmahl
zugelassen ist.
(2) Gehört die Ehefrau oder der Ehemann
keiner christlichen Kirche an, kann nach einer eigenen liturgischen Ordnung
ein Gottesdienst zur Eheschließung gefeiert werden, wenn dies dem
ausdrücklichen Wunsch des evangelischen Ehepartners entspricht, der
andere Ehepartner zustimmt und sich bereit erklärt, das christliche
Verständnis der Ehe zu achten. Sofern es das gliedkirchliche Recht
zuläßt, kann auch ein Traugottesdienst gefeiert werden.
Artikel 6 Versagungsgründe
(1) Die Trauung kann versagt werden, wenn die
Ehefrau oder der Ehemann den christlichen Glauben offenkundig leugnet oder
verächtlich macht oder wenn klare Anzeichen dafür vorhanden sind,
daß das Traugelöbnis kein ernstes Anliegen vor Gott ist.
(2) Die Trauung Geschiedener kann versagt werden,
wenn sie aus seelsorglichen Gründen oder vor der Gemeinde nicht verantwortet
werden kann.
Artikel 7 Beschwerden
(1) Hat die Pfarrerin oder der Pfarrer Bedenken
gegen die Trauung oder gegen einen Gottesdienst zur Eheschließung,
ist eine Entscheidung des Gemeindekirchenrates (Presbyteriums) herbeizuführen.
Lehnt dieser die Trauung ab, können die Betroffenen Beschwerde bei
der Superintendentin (Kreisoberpfarrerin) oder beim Superintendenten (Kreisoberpfarrer)
einlegen. Diese Entscheidung ist endgültig.
(2) Ist die Pfarrerin oder der Pfarrer entgegen
der Entscheidung der Superintendentin (Kreisoberpfarrerin) oder des Superintendenten
(Kreisoberpfarrers) überzeugt, die Trauung oder einen Gottesdienst
zur Eheschließung nicht verantworten zu können, ist die Feier
einer anderen Pfarrerin oder einem anderen Pfarrer zu übertragen.
Artikel 8 Zuständigkeit
(1) Die Trauung hält die Pfarrerin oder
der Pfarrer der Kirchengemeinde, zu der die Ehefrau oder der Ehemann gehört
oder der sie nach der Eheschließung angehören werden.
(2) Hält nicht die zuständige Pfarrerin
oder der zuständige Pfarrer die Trauung, ist ein Abmeldeschein (Dimissoriale)
erforderlich. Dessen Erteilung darf nur aus Gründen abgelehnt werden,
aus denen eine Trauung oder ein Gottesdienst zur Eheschließung abgelehnt
werden kann.
Artikel 9 Beurkundung und Bescheinigung
(1) Die Trauung muß in das Register der
Kirchengemeinde eingetragen werden, in der sie stattgefunden hat. Die Kirchengemeinden,
aus denen die Eheleute kommen, und die Gemeinde, in die sie ziehen, sind
zu benachrichtigen.
(2) Über die Trauung wird den Eheleuten
eine Bescheinigung ausgestellt.
5. Seelsorge, Beratung und Beichte
Präambel: Die christliche Gemeinde übt Seelsorge, weil Jesus Christus seine Gemeinde beauftragt hat, wie er selbst den Menschen nahe zu sein, sie zu besuchen, ihnen zuzuhören und sie zu trösten, zu beraten und zu mahnen, Sünde beim Namen zu nennen und zu vergeben. Menschen bedürfen des Zuhörens und des Zuspruchs als einzelne und in der Gemeinschaft (spezielle und allgemeine Seelsorge). Seelsorge bezieht sich auf das Leben in allen seinen Bezügen. Der seelsorgliche Dienst beruht wie alles Reden und Tun im Namen Jesu Christi auf der Verheißung seiner Gegenwart.
Artikel 1 Auftrag zur Seelsorge
In der Seelsorge nimmt die Kirche ihren Dienst
am Wort durch Zuhören und Zuspruch, Tröstung und Ermahnung wahr.
Ein Grundzug evangelischer Seelsorge ist Begleitung und persönliche
Nähe. Ziel der Seelsorge ist es, Menschen wirksam Lebenshilfe zu geben,
indem sie erfahren, daß Christus sie annimmt und sie so sich selbst
und einander annehmen können.
Artikel 2 Ausübung der Seelsorge
(1) Seelsorge ist allen zuzuwenden, die sie begehren,
Christen und Nichtchristen.
(2) Jeder Christ kann zur Seelsorgerin oder zum
Seelsorger von anderen werden.
(3) Zur Seelsorge sind insbesondere die Pfarrerinnen
und Pfarrer berufen. Die Kirche muß dafür Sorge tragen, daß
der Dienst der Seelsorge für alle erreichbar ist. Dabei kommt dem
Gemeindepfarramt eine besondere Verantwortung und der Ortsgemeinde eine
besondere Aufgabe zu.
(4) Landeskirchen und Gemeinden sorgen dafür,
daß theologisch und für den Umgang mit Menschen besonders vorgebildete
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Beraterinnen und Berater) für die
Seelsorge zur Verfügung stehen. Eine therapeutische Ausbildung kann
der Seelsorge unterstützende Methoden zur Verfügung stellen.
Artikel 3 Inhalt der Seelsorge
Gegenstände des seelsorglichen Gesprächs
können alle Fragen des Lebens werden. Dazu gehören insbesondere
persönliche Schuld, Konflikte und Probleme des Glaubens, Zweifel und
Anfechtungen. Je nach dem Inhalt wird das Gespräch mehr Informations-,
Beratungs- oder Zeugnischarakter annehmen. Das Verständnis für
die aktuellen Lebenssituationen und die Sinnsuche von Menschen muß
sich verbinden mit Kenntnissen innerpsychischer Vorgänge sowie Methoden
der Gesprächsführung. Die Geschichten und Gebete der Bibel sind
die elementare Ausdrucksform der Bibel Sie sprechen Vergebung und Verheißung
zu und deuten Leben.
Artikel 4 Seelsorgliche Spezialdienste
Die Kirche nimmt ihren Auftrag zur Seelsorge
auf unterschiedlichen Arbeitsfeldern wahr. Dazu gehören insbesondere
Seelsorge in Krankenhäusern und Justizvollzugsanstalten, in der Bundeswehr,
in Grenzschutz und Polizei, Seelsorge in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung,
Seelsorge in der Suchtberatung, an Behinderten, Telefonseelsorge, Notfallseelsorge,
Seelsorge an mobilen Berufsgruppen, Urlaubs- und Kurseelsorge. Die Ausübung
der Anstaltsseelsorge ist verfassungsrechtlich geschützt.
Artikel 5 Weitere Formen der Seelsorge
Aus den Kommunikationsangeboten der Medien ergeben
sich neue Möglichkeiten der Seelsorge. Die Kirche muß diese
Möglichkeiten wahrnehmen, die Zugänge nutzen und zugleich die
Grenzen im Auge haben, wo es um persönliche Begegnung, Kontinuität
und Verantwortung geht.
Artikel 6 Allgemeine und Einzelbeichte
Die evangelische Beichte besteht aus Sündenbekenntnis
und Zuspruch der Vergebung. Zum Gottesdienst gehören Bekenntnis der
Schuld und Verkündigung der Vergebung. Die Allgemeine Beichte findet
innerhalb eines Gottesdienstes statt. Die Einzelbeichte wird gehalten,
wenn sie begehrt wird oder sich aus einem seelsorglichen Gespräch
ergibt. Es ist Pflicht der Ordinierten, die Einzelbeichte zu halten, wenn
sie begehrt wird. Auch jeder andere Christ kann diesen Dienst übernehmen.
Artikel 7 Seelsorgliche Schweigepflicht und
Beichtgeheimnis
(1) Ordinierte haben über alles, was ihnen
in ihrer Eigenschaft als Seelsorgerin und Seelsorger anvertraut worden
oder bekannt geworden ist, zu schweigen. Werden sie von denjenigen, die
sich ihnen anvertraut haben, von der Schweigepflicht entbunden, so haben
sie dennoch sorgfältig zu prüfen, ob und inwieweit sie Aussagen
oder Mitteilungen verantworten können.
(2) Das Beichtgeheimnis ist gegenüber jedermann
unverbrüchlich zu wahren.
(3) Beichtgeheimnis und seelsorgliche Schweigepflicht
stehen unter dem Schutz der Kirche. Ordinierten wird vor Gericht das Aussageverweigerungsrecht
gewährt.
(4) Nichtordinierte Christen haben ebenfalls
die Verpflichtung, über das zu schweigen, was ihnen in der Beichte
anvertraut wird.
(5) Zur Vertraulichkeit in Seelsorge und Beichte
gehört, daß auch Seelsorge und Beichte Suchende über Verlauf
und Inhalt des Gesprächs Stillschweigen bewahren und das Vertrauen
der Seelsorgerinnen und Seelsorger erwidern.
6. Bestattung, Sterbe- und Trauerbegleitung
Präambel: Die kirchliche Bestattung ist eine gottesdienstliche Handlung, bei der die Gemeinde ihre verstorbenen Glieder zur letzten Ruhe geleitet, sie der Gnade Gottes befiehlt und bezeugt, daß Gottes Macht größer ist als der Tod. In der Auseinandersetzung mit Tod und Trauer bedenkt die Gemeinde Leben und Sterben im Lichte des Evangeliums und bezeugt die Auferstehung der Toten. Die Gemeinde begleitet die Sterbenden und trauert mit den Hinterbliebenen. Sie tröstet sie mit Gottes Wort und begleitet sie mit Seelsorge und Fürbitte.
Artikel 1 Gespräch mit den Angehörigen
Vor der Bestattung führt die Pfarrerin oder
der Pfarrer mit den Hinterbliebenen ein seelsorgliches Gespräch, bei
dem auch Inhalt und Ablauf des Gottesdienstes zur Sprache kommen.
Artikel 2 Bestattungsgottesdienst
Der Bestattungsgottesdienst wird nach der in
der Gemeinde geltenden Agende gehalten.
Artikel 3 Abkündigung, Fürbitte,
Erinnerung
Im Sonntagsgottesdienst werden die Verstorbenen
namentlich genannt. Die Gemeinde befiehlt sie in Gottes Hand und hält
Fürbitte für die Trauernden. Es ist eine gute Sitte, sich am
letzten Sonntag des Kirchenjahres noch einmal besonders der im vergangenen
Jahr Verstorbenen zu erinnern und sich all denen zuzuwenden, die um sie
trauern.
Artikel 4 Bedeutung der Kirchenmitgliedschaft
(1) Die kirchliche Bestattung setzt grundsätzlich
voraus, daß die Verstorbenen der evangelischen Kirche angehörten.
(2) Die kirchliche Bestattung von Verstorbenen,
die nicht der evangelischen Kirche angehörten, kann in Ausnahmefällen
unter Beachtung folgender Kriterien geschehen:
a) wenn die evangelischen Angehörigen den
Wunsch nach einer kirchlichen Bestattung geäußert haben und
andere Formen des Gedenkens und der kirchlichen Begleitung aus seelsorglichen
Gründen nicht angemessen sind;
b) wenn das Verhältnis der Verstorbenen
zur Kirche und der Gemeinde so war, daß eine kirchliche Bestattung
zu verantworten ist;
c) wenn möglich ist, während der Trauerfeier
aufrichtig gegenüber den Verstorbenen und ihrem Verhältnis zur
Kirche zu sein;
d) wenn die seelsorgliche Entscheidung vor der
Gemeinde verantwortet werden kann.
(3) Bei der Entscheidungsfindung berät sich
die Pfarrerin oder der Pfarrer mit dem Gemeindekirchenrat (Presbyterium)
und berücksichtigt die Praxis im Kirchenkreis.
(4) Ungetaufte und totgeborene Kinder sollen
auf Bitte der Eltern kirchlich bestattet werden.
(5) Gehörten die Verstorbenen einer anderen
Kirche an, so kann die Bestattung nur im Ausnahmefall erfolgen. Zuvor soll
jedoch versucht werden, mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer der anderen
Kirche Kontakt aufzunehmen.
(6) Die Entscheidung für eine kirchliche
Bestattung von Verstorbenen, die nicht der evangelischen Kirche angehörten,
soll eine Form der Bestattung nach sich ziehen, die der Agende folgt. Einschränkungen
in der Form wie der Verzicht auf das Glockengeläut oder das Tragen
des Talars verkürzen den Verkündigungsauftrag der Kirche.
Artikel 5 Versagung der Bestattung und Beschwerde
(1) Hat die Pfarrerin oder der Pfarrer Bedenken
gegen eine kirchliche Bestattung, soll das Gespräch mit Mitgliedern
des Gemeindekirchenrates (Presbyteriums) gesucht werden. Gegen die Ablehnung
der kirchlichen Bestattung können die Betroffenen bei der Superintendentin
(Kreisoberpfarrerin) oder dem Superintendenten (Kreisoberpfarrer) Beschwerde
einlegen. Diese Entscheidung ist endgültig.
(2) Ist die Pfarrerin oder der Pfarrer entgegen
der Entscheidung der Superintendentin (Kreisoberpfarrerin) oder des Superintendenten
(Kreisoberpfarrers) überzeugt, die kirchliche Bestattung nicht verantworten
zu können, ist sie einer anderen Pfarrerin oder einem anderen Pfarrer
zu übertragen.
(3) Wird eine kirchliche Bestattung abgelehnt,
nimmt sich die Pfarrerin oder der Pfarrer gleichwohl der Angehörigen
seelsorglich an.
Artikel 6 Zuständigkeit
(1) Zuständig für die kirchliche Bestattung
ist die Pfarrerin oder der Pfarrer der Kirchengemeinde, der die Verstorbenen
angehört haben.
(2) Soll die kirchliche Bestattung von einer
anderen Pfarrerin oder einem anderen Pfarrer gehalten werden, ist ein Abmeldeschein
(Dimissoriale) des zuständigen Pfarramts erforderlich. Dessen Erteilung
darf nur aus Gründen abgelehnt werden, aus denen eine kirchliche Bestattung
abgelehnt werden kann.
Artikel 7 Beurkundung und Bescheinigung
(1) Die kirchliche Bestattung wird in das Register
der Kirchengemeinde eingetragen, in der sie stattgefunden hat. Die Kirchengemeinde,
der die Verstorbenen angehört haben, ist zu benachrichtigen.
(2) Über die Bestattung kann den Angehörigen
eine Bescheinigung ausgestellt werden.
Artikel 8 Begleitung der Sterbenden und Trauernden
(1) Zum kirchlichen Handeln im Zusammenhang mit
dem Sterben eines Gemeindeglieds gehören die Sterbe- und Trauerbegleitung.
Mit diesem Dienst durchbricht die Gemeinde die Verdrängung des Todes.
(2) Die Gemeinde begleitet die Angehörigen.
Sie hilft mit Zuspruch und befähigt zur Begleitung von Sterbenden.
Dabei unterstützt sie alles, was ein würdevolles Sterben ermöglicht.
(3) Zur nachgehenden Seelsorge an den Hinterbliebenen
können insbesondere Besuchsdienste, Trauergruppen, Einladungen zu
besonderen Gottesdiensten sowie anderen Gemeindeveranstaltungen gehören.
7. Dienst, Mitarbeit und Leitung
Präambel: Die christliche Gemeinde hat den Auftrag, »die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk« (Barmer Theologische Erklärung, 6. These). Dieser Sendungsauftrag gilt der ganzen Gemeinde. Er wird durch verschiedene Dienste und Ämter wahrgenommen. Die in der Gemeinde Mitarbeitenden bilden deshalb eine Zeugnis- und Dienstgemeinschaft. Die verschiedenen Ämter »begründen keine Herrschaft der einen über die anderen« (Barmer Theologische Erklärung, 4. These). Die in solcher Gemeinschaft vorhandenen verschiedenen Gaben sollen helfen, den einen Auftrag in vielfältiger Weise und in unterschiedlichen Situationen auszurichten. Daß dies wirklich dem Auftrag gemäß geschieht, ist der Sinn aller Leitung in der Kirche. Ämter und Dienste in der Gemeinde können ehrenamtlich, nebenamtlich oder hauptamtlich ausgeübt werden.
Artikel 1 Dienstgemeinschaft
(1) Der gemeinsame Auftrag verbindet die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter zu vertrauensvoller Zusammenarbeit. Sie nehmen den Auftrag
in einer gegliederten Verantwortung wahr.
(2) Durch ihre öffentliche Vorstellung und
gegebenenfalls Einführung in einem Gottesdienst bekräftigt die
Gemeinde die Dienstgemeinschaft aller.
(3) Die Beschäftigung im kirchlichen Dienst
setzt die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche voraus. Über
Ausnahmen entscheidet das gliedkirchliche Recht.
Artikel 2 Dienst der Verkündigung
(1) Zum Dienst der Verkündigung gehört
eine Vielzahl von Aufgaben in Gottesdienst, Seelsorge und Unterweisung.
Diese können auf Dauer oder auf Zeit übertragen und hauptberuflich,
nebenberuflich oder ehrenamtlich wahrgenommen werden.
(2) Der Dienst der öffentlichen Wortverkündigung
und Sakramentsverwaltung wird in der Regel von dazu besonders ausgebildeten
und öffentlich berufenen (ordinierten) Gemeindegliedern wahrgenommen.
(3) Mit diesem Dienst können auch andere
hierfür zugerüstete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeitweise
und arbeitsfeldbezogen beauftragt werden.
Artikel 3 Weitere Dienste
Zu den Aufgaben der Gemeinde gehören neben
dem Dienst der Verkündigung weitere Dienste am Nächsten und an
der Gesellschaft, vor allem im Bereich der Diakonie, sowie die Verwaltung.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versehen ihren Dienst im Rahmen der
geltenden Ordnung in eigener Verantwortung, jedoch in Zuordnung zu den
anderen Diensten und in Ausrichtung auf den Gesamtauftrag der Gemeinde.
Artikel 4 Zusammenarbeit
(1) Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist eine klare Bestimmung und Abgrenzung
der Aufgaben unerläßlich.
(2) Alle haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter treffen sich regelmäßig zu Dienstbesprechungen.
Die Termine dafür sollen so eingerichtet werden, daß auch ehrenamtlich
mitarbeitende Personen daran teilnehmen können.
Artikel 5 Gemeindeleitung
(1) Die Leitung der Gemeinde obliegt dem Gemeindekirchenrat
(Presbyterium). In der Regel setzt er sich in der Mehrzahl aus gewählten
Gemeindegliedern und aus Pfarrerinnen oder Pfarrern zusammen. Einzelheiten,
z. B. über die Wählbarkeit haupt- oder nebenamtlicher Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, bestimmt das gliedkirchliche Recht.
(2) Der Gemeindekirchenrat (Presbyterium) trägt
die Verantwortung für die schriftgemäße Ausübung des
Dienstes der Verkündigung und sorgt dafür, daß die verschiedenen
Ämter und Dienste der ganzen Gemeinde dienen.
(3) Der Gemeindekirchenrat (Presbyterium) fördert
die missionarische Ausrichtung aller Dienste der Gemeinde, sorgt für
weitere Dienste am Nächsten (Diakonie), ermöglicht eine lebendige
Jugendarbeit und achtet darauf, regelmäßig mit den in der Gemeinde
tätigen Gruppen über ihre Ziele und ihre Arbeit zu sprechen.
(4) Der Gemeindekirchenrat (Presbyterium) achtet
darauf, daß an der Gestaltung der Gottesdienste neben der Pfarrerin
oder dem Pfarrer andere haupt-, neben- oder ehrenamtliche Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter mitwirken.
(5) Der Gemeindekirchenrat (Presbyterium) kann
Ausschüsse bilden. Er beteiligt auch den Gemeindebeirat an der Leitungsaufgabe.
Präambel: Geld und Besitz der Kirche dürfen nur solchen Zwecken dienen, die vor Jesus Christus zu billigen sind und dem Auftrag der Kirche entsprechen. Die Geld und Besitz verwaltenden Personen müssen hierüber in jedem einzelnen Fall – und sei er noch so unscheinbar – Rechenschaft ablegen können. Geld und Besitz der Kirche müssen so eingesetzt werden, daß dabei der wahre Geber, Jesus Christus, erkennbar ist bzw. erkennbar bleibt. Die Geld und Besitz verwaltenden Personen dürfen nicht in die Rolle von selbst Gebenden geraten, noch sich in eine solche Rolle drängen lassen.
Artikel 1 Treue und Glaubwürdigkeit
(1) Im Umgang mit Geld und Besitz muß jede
christliche Gemeinde um höchste Glaubwürdigkeit und Treue bemüht
sein. Vom Einsammeln der sonntäglichen Kollekte bis hin zur Verwaltung
des Grundbesitzes und großer Pensionskassen muß dafür
gesorgt werden, daß jede Einzelheit diesem Grundsatz entspricht.
(2) Alles, was der Gemeinde anvertraut ist, hat
dem Auftrag des Herrn der Kirche zu dienen: der Erbauung der Gemeinde als
des Leibes Christi und der Versorgung jener Glieder, die Not leiden.
Artikel 2 Überprüfbarkeit der Verwaltung
Die Kirche hat alle Einnahmen wie Kollekten,
Spenden, Kirchgeld und Kirchensteuern und ihren Besitz so zu verwalten,
daß Verwendung oder Nutzung stets überprüft werden können.
Artikel 3 Auftragsbindung der Verwaltung
(1) Verfolgen Zuwendungen Zwecke, die mit dem
Auftrag der Kirche, das Evangelium zu bezeugen, nicht zu vereinbaren sind,
so sind sie zurückzuweisen.
(2) Werden Zuwendungen an Bedingungen oder Auflagen
geknüpft, ist zu prüfen, ob sie dem Auftrag der Kirche entsprechen.
(3) Nutzung des Besitzes und Ausgaben, die dem Auftrag der Kirche widersprechen,
dürfen nicht vorgenommen werden.
Artikel 4 Informationsrecht der Gemeinde und
Öffentlichkeit
Haushaltspläne, Jahresrechnungen und andere
haushaltsrechtliche Vorgänge sind der Gemeinde und der interessierten
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Artikel 5 Rechenschaftspflicht
Über die Verwendung von Geld und Vermögen
sowie über Erwerb und Veräußerung von Besitz ist soweit
wie möglich öffentlich Rechenschaft abzulegen.
Artikel 6 Berichtspflicht der Gemeinde
Die Gemeinden haben in Gemeindeversammlungen
einmal jährlich über die Verwendung und Verwaltung von Geld und
Vermögen zu berichten.
Artikel 7 Vorbildlichkeit
Durch ihren Umgang mit Geld und Besitz muß
die Gemeinde zum Vorbild und zur Hilfe dafür werden, wie Christen
mit eigenem Geld und Besitz umgehen können.
9. Verantwortung in Öffentlichkeit,
Gesellschaft und Politik
Präambel: Öffentlichkeitsarbeit und evangelische Publizistik sind Funktionen der Kirche. Sie nehmen in allen Arbeitszweigen an der Erfüllung des Auftrages teil, dem die Kirche verpflichtet ist. Sie verhelfen den Gliedern der Kirche zum Verständnis wichtiger Vorgänge in der Christenheit und machen das Zeugnis und den Dienst der Kirche in der Öffentlichkeit geltend. Sie umfassen in der Bindung an das Evangelium eigenständige Entscheidungsfreiheit und kirchliche Verpflichtung in gleicher Weise. Mit der Botschaft von der freien Gnade Gottes nimmt die christliche Gemeinde auch öffentliche Verantwortung in Gesellschaft und Politik wahr. Sie setzt sich für Gerechtigkeit und Freiheit, für Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der noch nicht erlösten Welt ein. In ökumenischer Offenheit sucht sie den Dialog mit Menschen und Institutionen, die anders glauben und denken.
Artikel 1 Kirche und Öffentlichkeit
Die Kirche tritt mit ihrem Verkündigungsauftrag
der Öffentlichkeit gegenüber. Sie bringt damit Gottes Zuspruch
und Anspruch zur Geltung. Zugleich nimmt sie als eine unter anderen gesellschaftlichen
Gruppen an der vorhandenen Öffentlichkeit teil. Wenn die Mitglieder
der Kirche ihre öffentliche Verantwortung als Christen wahrnehmen,
dann tun sie dies zugleich als Bürgerinnen und Bürger. Die öffentliche
Verantwortung der einzelnen Christen und die Verantwortung der Kirche sind
voneinander zu unterscheiden, bleiben aber aufeinander bezogen. Wenn die
Kirche wirksam zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit beitragen will,
muß sie sich am öffentlichen Gespräch beteiligen.
Artikel 2 Kirche und Publizistik
Publizistik ist das bewußte Herstellen
von Öffentlichkeit. Information und Kommentar, Bildung, Beratung und
Unterhaltung gehören zu ihren klassischen Aufgaben. Die Ziele der
Publizistik: Informiertheit, Verstehen und Mündigkeit der einzelnen
Bürgerinnen und Bürger richten sich heute auch an die Gruppen
und Verbände der Gesellschaft selbst und damit ebenso an die Kirche.
Die Uppsala-Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen von
1968 stellt fest: »Gleichzeitig haben die Kirchen selbst in ihrer
Informationspolitik und -praxis die Verpflichtung, Informationen frei zugänglich
zu machen. Außer in Bereichen wie etwa der privilegierten Kommunikation
der Beichte sollten die Kirchen sich nicht scheuen, ihr eigenes Leben der
öffentlichen Kritik auszusetzen.« Die Kirchen sind aufgrund
ihres Auftrags von der Ebene der Gemeinden bis zur Ebene der Leitungsgremien
verpflichtet, wahr, rechtzeitig und umfassend zu informieren.
Artikel 3 Evangelische Publizistik
Evangelische Publizistik ist Publizistik der
Kirche und für die Kirche. Die Kirche ist ihr Subjekt, das gleichwohl
in der publizistischen Vermittlungsaufgabe zum Objekt wird. Es ist der
Auftrag evangelischer Publizistik, Kirche in der Öffentlichkeit zur
Geltung zu bringen. Hier ist den Redaktionen der notwendige Ermessensspielraum
einzuräumen. Die dazu erforderliche journalistische Unabhängigkeit
darf nicht nur inhaltlich gefordert, sondern muß auch strukturell
und organisatorisch gewährt werden. Da alles öffentliche Reden
und Handeln der Kirche säkularen Vermittlungsformen entsprechen muß,
wenn es gehört und verstanden werden soll, ergibt sich die Verpflichtung
zur Professionalität. In der innerkirchlichen Öffentlichkeit
hat evangelische Publizistik die Aufgabe, Leitung von Gemeinde und Kirche
im Vollzug transparent zu machen. Sie gibt Raum für verschiedene Meinungen
und hilft so, auseinanderstrebende Kräfte in der Kirche zusammenzuhalten.
Weiterhin bringt sie die Lebensäußerungen der Kirche, der Gemeinden
und Christen in der allgemeinen Öffentlichkeit zur Geltung und berichtet
über öffentlich diskutierte Themen in der Kirche.
Artikel 4 Kirche und Medien
Die durch abnehmende Kirchenmitgliedschaft und
Kirchensteuereinnahmen notwendigen strukturellen Neuorientierungen dürfen
nicht zu einer Entwicklung führen, die durch verminderte breitenwirksame
Präsenz der Kirche in den Medien und Konzentration auf binnenkirchliche
Zwecke auf eine immer stärkere Emigration der Kirche aus der Gesellschaft
hinausläuft. Da die Medien eine immer größere Bedeutung
auch für die persönlichen Beziehungen der Menschen gewinnen,
muß die Präsenz der Kirche in den Medien aufrecht erhalten und
ausgebaut werden. Angesichts der Veränderungen in Gesellschaft und
Kirche verfehlt die Kirche ihren Auftrag, wenn sie neben der personalen
Kommunikation nicht auch an der medialen Öffentlichkeit teilnimmt.
Die Kirche muß, um ihren Auftrag wahrzunehmen, ihre personalen und
medialen Kommunikationsmöglichkeiten durch Vernetzung und Abstimmung
zwischen den Ebenen verbessern und dabei auch moderne Informationstechniken
einsetzen. Die kirchliche Aus- und Fortbildung für Haupt- und Ehrenamtliche
muß sich auf die Erfordernisse einer kommunikativen Kirche einstellen.
Artikel 5 Elektronische Medien
Die Kirche existiert in einer säkularen
Kommunikationsgesellschaft, in der nur organisierte Interessen eine Chance
haben, in der medial vermittelten Öffentlichkeit berücksichtigt
zu werden. Information in den Massenmedien bedarf professioneller Vermittlung.
Die Einführung des dualen Rundfunksystems und die steigende Zahl der
Hörfunk- und Fernsehangebote markieren einen tiefgreifenden Bedeutungswandel
der elektronischen Medien in unserer Gesellschaft, der auch die publizistische
Arbeit der Kirche verändern wird. Die grenzüberschreitende Satellitenkommunikation
mit ihren größeren Sendegebieten wird das Bedürfnis nach
regionaler und lokaler Kommunikation stärken.
Artikel 6 Kirchliche Öffentlichkeitsarbeit
Öffentlichkeitsarbeit ist heute nicht nur
für Unternehmen, sondern auch für nichtkommerzielle Institutionen
notwendig, wenn sie in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit vorkommen
wollen. Dies gilt auch für die Kirche. Die Ziele von Öffentlichkeitsarbeit
sind: Distanz zur Institution überwinden, Vertrauen schaffen, Informationen
über Ziele und Inhalte der Institution geben, über Ereignisse,
Vorhaben und Personen berichten, Mitgliederbindung fördern, Werbung
neuer Mitglieder. Auch kirchliche Öffentlichkeitsarbeit muß
sich zunächst an diesen Zielen orientieren. Aus der Bindung an das
Evangelium bezieht kirchliche Öffentlichkeitsarbeit aber ihre besondere
Verpflichtung und Grenzen. Öffentlichkeitsarbeit soll Veränderungen
im öffentlichen Meinungsbildungsprozess auslösen. Dabei ist offensives
Handeln statt Krisenmanagement gefordert. Die Kirche soll Themen aktiv
bestimmen und klare Orientierungshilfen bei aktuellen Fragen geben.
Artikel 7 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
der Gemeinden und Kirchenkreise
Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
Gemeinden und Kirchenkreise hat das Ziel, das kirchliche Leben für
die lokale und regionale Öffentlichkeit transparent zu machen, über
aktuelle Ereignisse zu informieren und umgekehrt Impulse des öffentlichen
Lebens in den kirchlichen Raum hineinzutragen. Dazu gehört auch die
Aufgabe, um Vertrauen zu werben, zur Teilnahme am kirchlichen Leben zu
motivieren und die Positionen der Kirche vor Ort zu Glaubensfragen wie
zu aktuellen Ereignissen überzeugend zu formulieren. Die Verantwortlichen
in der Öffentlichkeitsarbeit beraten die Leitungsgremien bei dieser
Aufgabe, etwa bei der Herausgabe von Gemeindebriefen und Informationsschriften.
Artikel 8 Öffentlichkeit im Alltag
Die Kirche und die Menschen, die in ihr leben
und arbeiten, handeln in der Öffentlichkeit. Jede kirchliche Mitarbeiterin
und jeder kirchliche Mitarbeiter muß sich darüber im klaren
sein, daß sie in der Öffentlichkeit für die Sache des Glaubens
und der Kirche wirken. Ihre Glaubwürdigkeit, Kommunikationsfähigkeit
und die Art ihres Auftretens prägen das öffentliche Erscheinungsbild
der Kirche und bestimmen die Vermittlungsfähigkeit der evangelischen
Botschaft mit.
Artikel 9 Kirche und Staat
Die Kirche bejaht die grundsätzliche Trennung
von Kirche und Staat. Unbeschadet ihrer verschiedenen und zu unterscheidenden
Aufträge sind Kirche und Staat aneinander gewiesen, weil es beiden
um das Wohl der Menschen geht.
Artikel 10 Parlamentarische Demokratie
In der parlamentarischen Demokratie mit ihrer
Gewaltenteilung sieht die Kirche eine gute Möglichkeit für ihre
Mitglieder, sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen.
Artikel 11 Wahlrecht und Parteien
Das aktive und passive Wahlrecht auf den Ebenen
der Kommunen, der Länder und des Bundes sowie der Europäischen
Union eröffnet Wege zur Mitverantwortung in Gesellschaft und Politik.
Die Zusammenarbeit zwischen der Kirche und den Parteien, die auf dem Boden
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, soll dem Wohle der
Menschen dienen. Pfarrerinnen und Pfarrer haben bei allen Äußerungen
zu Fragen des öffentlichen Lebens und bei politischer Betätigung
zu bedenken, daß sie ihr Amt an die ganze Gemeinde weist und daß
im Bewußtsein der Öffentlichkeit Person und Amt untrennbar sind.
Artikel 12 Verantwortungsbereitschaft
In der Nachfolge ihres Herrn setzen sich christliche
Gemeinden aus eigener Kraft oder in Zusammenarbeit mit anderen Trägern
dafür ein, daß Menschlichkeit gefördert, Unheil vermieden
und Not gewendet wird. Kirchliche Diakonie mit ihrem breitgefächerten
Angebot hat stets zugleich den einzelnen Menschen und die Strukturen der
Gesellschaft im Blick. Kirche und Gemeinden begleiten das Tun der politisch
Handelnden mit kritischer Anteilnahme und in der Fürbitte vor Gott.
Sie setzen sich dafür ein, daß die Gesellschaft nicht in Einzelinteressen
zerfällt. Wo die Kirche Grundrechte des Menschen verletzt sieht und
die Grundlagen für ein menschenwürdiges Dasein gefährdet
sind, erhebt sie um Gottes und der Menschen willen Einspruch. Die Kirche
stellt sich aber auch selbst im Blick auf ihr eigenes Handeln der öffentlichen
Kritik.
Artikel 13 Solidarität und Subsidiarität
Gemeinden und Kirche setzen sich für ein
höchstmögliches Maß von Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit
unter den Menschen ein. Beim Werben für Solidarität zwischen
Starken und Schwachen, zwischen Reichen und Armen, zwischen Alten und Jungen,
zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen, zwischen Beheimateten und Heimatlosen
kann es zu Bündnissen mit gleichgesinnten Gruppen und Bewegungen kommen.
Die Kirche hält fest an dem bewährten Prinzip der Subsidiarität
sowohl im kirchlichen als auch im gesellschaftlich-politischen Raum. Bei
allem notwendigen Streiten um politische Ziele und konkrete Gesetzgebung
tritt sie für die Belange der Schwachen und Stummen ein.
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Archiv der Kirchengemeinde Am Seggeluchbecken Berlin-Wittenau
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