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PageAutor: Pfarrer Zillmann
(31.10.2010)
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Predigt
- (1 Thess
5,4–21) Das Protestanten-Gen 31.10.10 Pfr. Zillmann
Liebe Gemeinde, heute ist
Reformationstag! Ein Tag, der in unserer Gegend früher Mal ein
Feiertag war, jetzt in Vergessenheit gerät und langsam durchs
amerikanische Halloween ersetzt wird.
Der Reformationstag hat zu
unserem öffentlichen Leben keinen Bezug mehr. Reformationen
wünschen sich zwar viele Menschen, aber mit Kirche bringen sie das
nur selten in Verbindung. Kirche ist nicht Reformation – so die
gängige Meinung. Oder anders ausgedrückt: Kirche kann zu
einer Reformation, zu einer Veränderung der Gesellschaft nichts
mehr beitragen.
Mit den Worten der heutigen Zeit könnte man fragen: "Gibt es eigentlich ein Protestanten-Gen?
Gibt es eigentlich ein Protestanten-Gen,
dass sich 500 Jahre lang oder noch länger vererbt hat ???"
- offensichtlich nicht, schön wär es ja.
Aber wo sollte man es suchen, wie sieht es aus und beim wem ließe
es sich finden?
Liebe Gemeinde, der Apostel Paulus hatte einen Brief an die Christen in
der Stadt Thessalonich geschrieben. In dieser Stadt ging es ziemlich
bunt hin und her. Das war so eine europäische Multikultistadt mit
den unterschiedlichsten religiösen Gebräuchen. Das kennen wir
ja von heute, da können wir mitfühlen.
Und es gab sehr verschiedene Ansichten, wie ein Christ leben sollte. Am
Schluss seines Schreibens, im Kapitel 5, ermahnt er die Gemeinde. Sie
sollen trotz aller Unterschiede untereinander friedlich sein, die
Kleinmütigen sollen getröstet werden, die Schwachen getragen
werden und dass alle darin geduldig sein sollen (5,14), „...denn
ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages ...“
sagt er ... „So
lasst uns nun nicht schlafen, wie die anderen, sondern lasst uns wachen
und nüchtern sein ." (5,4f) und im Satz 21 gibt er einen
praktischen Ratschlag: "Prüft aber
alles, und das Gute behaltet. - Prüft aber alles, und das Gute
behaltet."
Liebe Gemeinde, die Welt verändert sich ständig, ob wir das
nun wollen oder nicht. Das hat auch Martin Luther so gesehen. Mit den
Worten des Apostel Paulus "Prüft aber
alles, und das Gute behaltet." – mit diesen Worten hat er
Reformation in Verbindung gebracht, Reformation ist darum nie
abgeschlossen. Damals nicht und heute auch nicht.
Und das, was damals die Entwicklung zu Luthers Zeiten rasant
angetrieben hat, die Erfindung des Buchdruckes, das geschieht heute mit
der Vernetzung des Internets. Da werden Ideen und Meinungen
ausgetauscht, die nicht nur der Obrigkeit sondern auch den Untertanen
das Fürchten lehren können - um mal in der Sprache der
Reformation zu reden. Und Ruck Zuck kommt dann die Identitätskrise.
Alle Jahre wieder geht es auch gegen die Ausländer, gegen die
Fremdlinge. Sie stellen unsere Identität in Frage. Die Begriffe
werden durcheinander gewurstelt. Die Meinungen überschlagen sich.
Eine Empörung jagt die andere. Es wird Politik gemacht mit
Gefühlen und Ängsten, mit Geld und Machtansprüchen.
Liebe Gemeinde, vielleicht ist es ihnen auch aufgefallen, dass
kirchliche Würden- und Bedenkenträger bisher unnatürlich
zurückhaltend sind? Die ganze Integrationsdebatte,
die ganze Diskussion läuft scheinbar an der Kirche vorbei. Nun das
wäre nicht schlimm, eher im Gegenteil, da braucht man sich
über Bischofsworte nicht aufregen. Aber merkwürdig ist
das schon.
Wird sonst zu jeder Kleinigkeit ein geistliches Wort losgelassen, so
ist dieses mal Schweigen im Walde zu hören. In allen Dingen mischt
sich die Kirche ein, aber wenn es um die ureigensten Sachen geht, um
Religion, Glaube und Kirche an sich, da werden die sogenannten
"Schäflein" plötzlich alleine gelassen.
Das kann natürlich auch die Ruhe vor dem Sturm sein – glaube ich
aber nicht. Ich denke, es ist wie immer, da hat mal wieder jemand
die Zeit verpasst und die Geschichte rollt über ihn hinweg. Es ist
die Angst im Glashaus mit Steinen zu schmeißen.
Irgendwie
stehen wir an einer Wegkreuzung. Ich habe da mal ein kleines Bild
gemalt. Stellen sie sich mal vor, sie kommen als Autofahrer an so eine
Kreuzung, mit so einem Verkehrsschild. - PAUSE
Geradeaus dürfen sie nicht weiterfahren, das ist eine
Einbahnstraße. Nach Rechts können sie nicht, nach links
können sie auch nicht – und was nun?
Ich denke, so geht es vielen auf ihrem Weg, auch in dieser Debatte um
die Integration. Man will weiterkommen, aber die Sache ist irgendwie
verfahren. Vor lauter Verbots- und Gebotsschildern kommt man nicht
voran.
Nach Rechts kann man nicht. Der Nationalsozialimus
ist wenig hilfreich. Die nationale Identität hat in unserer
Geschichte schon arg gelitten, das würde nur im
Konzentrationslager enden und der letzte „totale Sieg“ war eine
Katastrophe.
Nach links ist es genau so schwierig. Wir knappern immer noch am
Bankrott der Kommunisten
herum. Hier taucht wieder Mauer und Stacheldraht auf, das „Paradies der
Arbeiter und Bauern“, das allgemeine Arbeitslager der Sozis eben.
Und geradeaus? Da lauert scheinbar der Islam,
der will uns heute glücklich machen mit seinem mittelalterlichen
Weltbild. Da sollen ja auch alle irgendwie gleich gemacht werden. Das
ist der moderne religiöse Sozialismus, die Heilslehre aus der
Wüste, der Aberglaube aus dem Orient.
Liebe Gemeinde, ich will das jetzt nicht politisch weiter
ausschlachten. Politik und Nationalismus, kulturelle, ethnische und
rassistische Aspekte, - die sollen jetzt mal außen vor sein. Als
Theologe ist für mich in erster Linie die Religion interessant.
Aus dem Mittelalter kommen wir ja alle her, wir sind durch die Reformation und Aufklärung
gegangen und das war ein schwieriger Weg. Wir haben uns die
Religions-Freiheit erkämpft und zu dieser Religionsfreiheit
gehört die Religions-Kritik dazu. Wir Protestanten haben die
Freiheit eines Christenmenschen gewonnen und diese Freiheit sollten wir
nie wieder abgeben.
Liebe Gemeinde, der Reformationstag hat zu unserem öffentlichen
Leben keinen Bezug mehr. Das ist der Ausgangspunkt. Das sagte ich
bereits. Reformationen wünschen sich zwar viele Menschen, aber mit
Kirche bringen sie das nur selten in Verbindung. Kirche ist nicht
Reformation – so die gängige Meinung.
Das ist natürlich schade. Und das liegt natürlich auch an
unserer Sprachlosigkeit. Wir können kaum über unseren
Glauben Auskunft geben. Was bekennen wir eigentlich? An was glauben
wir? Was hat denn Reformation im 15. und 16. Jahrhundert bedeutet? Das
ist das Problem an dieser Kreuzung: wir wissen nicht mehr, woher wir
kommen...und wohin es gehen soll.
Ein strenggläubiger Moslem hat es da viel einfacher, Er sagt
einfach: „Es gibt keinen Gott
außer Allah und Muhammad ist sein Gesandter, fünfmal waschen
und beten, Ablasshandel treiben, Fasten und Wahlfahrten, heilige Orte
und heilige Bücher verehren und dann kommt man in den Himmel.“
Das ist ganz einfach und genau dazu, kam man bereits in der
Reformation vor 500 Jahren zu dem Schluss: Wir verwerfen diese
Ketzereien - der
Manichäer, Arianer, der Wiedertäufer, etlich jüdische
Lehren, der Papisten, der Eiferer und Schwärmer, – Und wir
verwerfen die Ketzereien der Mahomethisten
– der Anhänger Mohammeds. (Confessio Augustana 1530 AI)
"Prüft
aber alles, und das Gute behaltet.“ Mahnt der Apostel Paulus.
Die Reformatoren haben das gemacht und hatten den Mut, das auch allen
zu sagen.
Liebe Gemeinde, den Koran habe ich vor Jahren im Studium gelesen,
sogar ein spezielles Seminar mitgemacht, aber insgesamt, unterm Strich
habe ich in diesem Buch wenig Gutes gefunden. Ich denke, ein
ernsthafter und strenggläubiger Moslem kann die Anforderungen
einer modernen Gesellschaft nicht erfüllen.
Wenn der Koran, oder ein sogenanntes heiliges
Buch den öffentlichen und privaten Raum miteinander
verschmilzt, droht durch Extremismus immer Gefahr. Es ist das alte
Problem, das regelmäßig zu Streit und Zwietracht führt.
Religiöse Fanatiker, die nicht in die Zeit passen, über denen
die Entwicklung hinweggegangen ist; Fundamentalisten
mit ihrem
Aberglauben aus dem Mittelalter.
Da sind wir dann aber an der Stelle, wo wir im Glashaus sitzen und mit
Steinen schmeißen. Sind denn die Christen und die Juden besser?
Letztens sagte einer: „Ich kann das
alles nicht mehr hören! Ich verstehe diesen ganzen religiösen
Kram auch nicht. Eigentlich müsste man alle Religionen verbieten.“
Liebe Gemeinde, das ist der böse Nebeneffekt dieser ganzen
Diskussion. Wir können den Islam verteufeln, aber wenn wir
glaubensmäßig nichts dagegen setzen, wird uns diese
Verteufelung selber treffen. Und wenn wir uns dann noch in Ersatzreligionen flüchten, in
soziale Heilslehren aus dem vorigen Jahrhundert oder uns in die moderne
Klimakirche retten wollen, dann wirken wir zwar aufgeklärt, haben
aber nur den „Teufel“ mit „Beelzebub“ ausgetrieben.
Die Reformatoren damals hatten die Aufklärung angeschoben. Die
technische und wissenschaftliche Entwicklung ist deshalb in Europa
rasant vorwärts geschritten. Die Länder dagegen, die den
Islam hatten, die blieben letztendlich zurück und verarmten. Das
heißt: Wir wollen nicht verarmen. So was soll bei uns nicht
passieren. Und genau dazu brauchen wir das Protestanten-Gen wieder. Wer
hat es? Wo sollen wir es suchen? Wie sieht es aus?
Damit sind wir wieder am Anfang angekommen. Es geht um die Freiheit
eines Christenmenschen. Es geht um die Reformation, die nie zu Ende ist
und die sich regelmäßig wiederholt. Ob es ein
Protestanten-Gen gibt, weiß ich natürlich nicht. Das Wort
habe ich erfunden.
Aber es gibt ein Protestantisches
Prinzip und das besagt: Man muss zuerst für etwas sein, und nicht
immer gleich gegen etwas. Das Wort „protestieren“ wird falsch benutzt-
liebe Gemeinde. Ein Protestant steht in erster Linie für etwas
ein. Wenn man nur immer rum meckert, gegen alles und gegen jeden ist,
dann ist man noch lange kein Protestant, sondern eher ein Miesmacher
und Querulant.
Protestare heißt - und das sagt der lateinische Ausdruck -
etwas bezeugen, etwas beweisen können und dann dafür
einstehen - egal was kommt. „Hier
stehe ich - ich kann nicht anders.“ Ich halte nicht meinen
Mund, wenn alle nur
ängstlich tuscheln
dürfen.
Um das dann abschließend zu sagen, die Reformation hat uns
Freiheit gebracht – die Freiheit
eines Christenmenschen. Sie hat allgemeine Menschenrechte
formuliert. Sie hat Aufklärung und den modernen Fortschritt
ermöglicht. Die Religionsfreiheit und die Religionskritik sind
damit eingeschlossen. Das ist unsere christliche Kultur.
Das ist das Gute, das wir behalten sollen; alles
prüfen; aber trotz aller Unterschiede friedlich sein; die
Kleinmütigen Trösten; die Schwachen mittragen und darin viel
Geduld haben! So empfiehlt es schon der Apostel
Paulus und dem kann ich immer wieder zustimmen. Amen
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Andacht
- (1 Johannes 4,7–12)
Ein Liebesbrief 29.08.10 Pn. Orland
13. Sonntag nach Trinitatis:
1. Johannes 4, 7–12
7 Ihr Lieben, lasst
uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt,
der ist von Gott geboren und kennt Gott. 8 Wer nicht liebt, der kennt
Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. 9 Darin ist erschienen die Liebe
Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die
Welt, damit wir durch ihn leben sollen. 10 Darin besteht die Liebe;
nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und
gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden. 11
Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch
untereinander lieben. 12 Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns
untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns
vollkommen.
Liebe Gemeinde!
Man traut seinen Augen kaum. Genau 15 mal kommt das Wort Liebe in
diesem kurzen Predigttext vor! Der erste Johannes – ein Liebesbrief.
Wer jetzt glaubt, er hätte Ähnliches schon einmal gelesen,
der irrt sich nicht. Abschnitte aus diesem Liebesbrief begleiten uns
als Predigttexte durch das Kirchenjahr. Weil der Verfasser darin begabt
ist, meditativ zu schreiben, umkreisen inzwischen vielleicht auch wir
sein Hauptthema: Gott ist Liebe.
Während der Predigttext unbekümmert das Wort Liebe
aufhäuft, sind wir von demselben Wort im Alltag eher genervt. Es
ist banal geworden. Wie kommen wir da raus?
An Sternstunden erinnern wir uns
Zunächst: Hand aufs Herz – wir haben alle schon Erfahrungen mit
Liebe gemacht. Wir erinnern uns genau an diese Sternstunden. Liebevolle
Erlebnisse haben uns stark gemacht. Zweitens: Unser meditativer Text
kann es schaffen, unsere Einwände gegen ein Alltagswort still
werden zu lassen.
Letztens: Der Verfasser des ersten Johannesbriefes nahm seinerseits ein
Wort aus dem Alltag, nämlich Agape, und holte es in die Kirche.
Hier wuchs die Agape heran. Zunächst machte sie sich frei von
ihren Spielarten Eros und Philia, also sowohl von der Hingerissenheit
als auch dem freundschaftlichen Interesse. Liebe ist für die
Christen etwas Drittes und damit etwas Neues. Sie ist nicht mehr nur
eigene Gefühlsregung, nein, sie ist „An-Regung“ von außen:
„Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern
dass er uns geliebt hat ...“ Für unseren Verfasser ist
christlicher Glaube eine einfache Sache. Wir sind Geliebte!
Ich weiß noch, wie es war
Ich selbst kann mich gut erinnern, wie es war, als Jemand „ich liebe
dich“ zu mir sagte und ich weiß, wie ich mich freue, wenn in der
Geburtstagskarte etwas Gutes für mich steht. Diese Liebe
weiterzugeben dürfte nicht schwer sein. Nein, wir müssen
nicht alle wie Albert Schweitzer werden! Es heißt nicht, dass wir
Gott im Lieben gleich werden sollen, sondern dass wir ihn daran
erkennen können: „Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen
wir uns auch untereinander lieben.“
Vielleicht drückt das Wort Wertschätzung heute aus, was der
1. Johannesbrief mit der Bruderliebe meint. Wir erzählen dem
Bruder bereits mit kleinen Gesten, dass er uns wichtig ist. Den
Liebesbrief im Rücken, haben wir einen Brief an die Welt in der
Hand.
Irmela Orland ist Religionslehrerin an der Georg-Herwegh-Oberschule in
Berlin-Reinickendorf
und Pfarrerin Am Segelluchbecken im Märkischen Viertel.
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Predigt
- (1 Petr 1,3-9
Himmlische Heimat) 11.04.10 Pn. Orland
Liebe Gemeinde!
Unser Predigttext steht 1. Petrus 1,3-9
3 Gelobt sei
Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner
großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen
Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, 4 zu
einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe,
das aufbewahrt wird im Himmel für euch, 5 die ihr aus Gottes
Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereit ist,
dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.
6 Dann
werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein
soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, 7 damit euer Glaube
als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche
Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre,
wenn offenbart wird Jesus Christus. 8 Ihn habt ihr nicht gesehen
und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht
seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher
Freude, 9 wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich
der Seelen Seligkeit.
Liebe Gemeinde!
Ich sammle gerne Zeitungsseiten, genauer gesagt Seiten mit Reklame – und ganz speziell Reklame,
die religiöse Motive benutzt. Und das ist gar nicht wenig, wenn
man die versteckten Botschaften einmal untersucht.
Da geht es um Zukunft und Sicherheit, um Vorsorge und Gesundheit, um
Familie und vor allem so etwas ähnliches wie „ewiges Leben“ –
zumindest um ewige Schönheit und Jugend.
Oft kommen diese Botschaften aber auch ganz unverblümt daher: Das
Schlemmerparadies im Tiefgeschoss unseres Kaufhauses lädt ein, es
gibt himmlische Versuchungen oder teuflisch scharfen Senf, Nonnen
brechen ihr Schweigegelübde mit dem Flatratetarif unseres Handys,
im Urlaub baumelt die Seele und Geiz ist keine Sünde mehr, sondern
geil.
Merkwürdigerweise wurde ich bei Anzeigen von Banken und Sparkassen
viel öfter fündig, als ich zuvor gedacht hatte. Ein Bild aus
meiner Sammlung zeigt ein Fahrrad – ein Damenfahrrad. Darauf sitzt ein
freundlich lächelnder Mann, schon etwas älter mit leichtem
Ansatz zur Glatze. Er lächelt zuversichtlich und blickt in die
Ferne, währenddessen tritt er gemächlich in die Pedale. Nun,
dieser selig lächelnde Herr kann nur einer sein: richtig! Der Herr
Pfarrer!
Damit ihn auch jeder wirklich erkennt, trägt er sogar seinen Talar
mit Beffchen – ganz in Amtstracht also. In der rechten Hand hält
er ein Büchlein, es wirkt fast wie unter den Arm geklemmt –
aber das macht ja nichts. Herr Pfarrer benutzt doch ein
gemütliches Damentourenrad. Da reicht auch eine Hand am Lenker.
Trotzdem huscht die Landschaft im Hintergrund vorbei, als habe er es
eilig. Nein, zu einer Amtshandlung ist er nicht unterwegs! Das
Büchlein ist auch nicht das Gesangbuch oder die Bibel. Der Text
auf dem Foto verrät es:“ Hochwürden weiß, wie man seine
Schäfchen ins Trockene bringt. Mit dem Sparbuch von
Wüstenrot. Denn da gibt´s Wachstumszinsen und einiges andere
mehr. ...die Bank. Unten rechts in schönem Rot: Zum Glück
berät Sie Wüstenrot.
Liebe Gemeinde, abgesehen davon, dass Pfarrer nicht in Amtstracht
unterwegs sein dürfen, wenn sie private Dinge erledigen wollen und
Hochwürden eine Anrede bzw. ein Titel für einen katholischen
Geistlichen im Priesteramt ist, haben die Werbemacher das Lebensziel
für das der Pfarrer steht, nicht ganz erfasst.
Auf ihrem Foto bezieht sich seine Zuversicht gerade nicht auf das Wort
Gottes, das er nur anscheinend bei sich trägt, sondern vielmehr
auf sein Sparbuch. Wer da
radelt ist wohl eher der reiche Kornbauer, der zu sich selbst sagt:
Was soll ich tun?
Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.
(18)Und
sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und
größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und
meine Vorräte
(19)und
will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen
Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe
guten Mut! (Lukas 12,16 ff)
Dieses Gleichnis von Jesus hat der Evangelist Lukas aufgeschrieben.
Liebe Gemeinde, unser Predigttext weiß auch etwas von Menschen,
die „ihr Schäfchen ins Trockene bringen wollen.“ Der 1. Brief des
Petrus gehört zu den sogenannten „katholischen Briefen“ im Neuen
Testament. Es sind insgesamt 7 Briefe. Schon im 3. Jahrhundert
wurden sie „katholisch“, das heißt allgemein, allgemein-
gültig, genannt. Sie richteten sich an die ganze damalige
Kirche, nicht mehr an eine Einzelgemeinde, wie das bei Paulus noch der
Fall war: Römer, Korinther, Epheser, Philipper und so weiter.
Die „katholischen Briefe“ greifen vielmehr Lebensfragen und Glaubensfragen von
mehreren Gemeinden auf. Denn denen macht es zu schaffen dass die Zeit
fortschreitet. Ihre Gemeindeglieder reißen Kalenderblatt um
Kalenderblatt ab, sie sehen die Jahreszeiten kommen und gehen, die
Kinder erwachsen werden und sie müssen sich von Gemeindegliedern
verabschieden und sie beerdigen.
Die Frage wird immer drängender: Was habt ihr uns über Ostern
erzählt?
„Der Herr ist
auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“(Lukas 24,34)
Diesen Ostergruß singen wir trotzig jedes Jahr wieder. Aber nicht
jeder Alltag ist ein Ostermorgen.
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ – wir können aber nicht im
ständigen Anfang leben. Der Zauber ist verflogen. Wir müssen
jetzt unseren Alltag bestehen. Wir möchten „unser Schäfchen
ins Trockene bringen“.
Petrus schreibt: „Doch, ihr könnt das, denn euer „Anfang“ ist ein
besonderer Anfang: Ihr seid wieder geboren, neu geschaffen .Durch
Ostern seid ihr in ein neues Leben eingetreten, dass euch vorher
verschlossen war.“
So heißt es im
Predigttext: „Gelobt
sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner
großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat... „
Petrus schreibt weiter: Ihr habt dadurch bereits
etwas geerbt! Euer Lebensziel ist schon gesichert- ihr müsst den
Alltag nicht dazu verschwenden, etwas erreichen zu wollen. Ihr habt ein
Erbe das nicht „verwelkt“.
Liebe Gemeinde, ich freue mich, dass Petrus dieses Wort gewählt
hat: verwelken! Zu seiner Zeit gab es noch kein Papiergeld, keine
Depots oder Schatzbriefe. Trotzdem wusste er, dass Wertsachen nicht
ewig halten. Er stellte sie mit Pflanzen gleich, die sich am Ende des
Sommers braun färben und verwelken – vergehen.
Der ganze Satz lautet: Gelobt sei Gott, der
Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen
Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die
Auferstehung Jesu Christi von den Toten, 4 zu einem
unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das
aufbewahrt wird im Himmel für euch.
Nun, ein Depot im Himmel – das kann keine hiesige Bank bieten. Und
darauf spielt ja auch unsere Reklame für die Bausparkasse an: Ihr
Grundtext lautet doch in etwa: was willst du dich auf später
vertrösten lassen – sieh nur hier zu, wie du dein Geld gut
anlegst. Was ist schon eine himmlische
Heimat, wenn du auch hier Bauland erwerben kannst?
Die Empfänger des Petrusbriefes haben sich wohl Ähnliches
anhören müssen. Denn Petrus nimmt ihre Erlebnisse auf und
schreibt:“ die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig
seid in mancherlei Anfechtungen...“
Anfechtungen! Die Kirche ist zu seiner Zeit nicht immer glanzvoll
und schon gar nicht mächtig. Schließlich kann keiner
gezwungen werden Christ zu sein oder Christ zu bleiben. Viele treten
aus.
Warum? Sie merken, dass der Zauber des Ostermorgens verflogen ist. In
der Gemeinde macht sich der Alltag bemerkbar: Es gibt Streit bei
Abstimmungen, neue Ideen halten Einzug, von denen keiner weiß, ob
sie zum Christentum passen oder nicht, es gibt mittelmäßige
Prediger, Vieles wird zur Gewohnheit oder uninteressant. Die Kirche
macht Rückschritte – verfällt sie vielleicht sogar?
Petrus rückt alles in ein anderes Licht! Es schreibt: das alles
ist eine vorübergehende Betrübnis. Ihr seid jetzt nur eine
kleine Zeit in Anfechtungen.
Petrus beschlagnahmt alles christliche Leben unter das Lob Gottes. „Ihr
könnt Gott auch für den Kleinkrieg loben, der unter euch
herrscht!“ – das wagt er tatsächlich zu schreiben. Alles was ihr
erlebt, muss dem Glauben dienen. Es gibt nicht „ein bisschen
Christsein“, sondern alles gehört dazu.
Euer Glaube wird nach und
nach wie ein Stück Gold werden, schreibt er:“ 6 Dann werdet
ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll,
traurig seid in mancherlei Anfechtungen, 7 damit euer Glaube als
echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold,
das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre...“
Liebe Gemeinde, dass halbvolle Kirchen, verlorener Einfluss der
Kirchen, mangelnde Jugendarbeit oder mittelmäßige
Kirchenobere ein Grund zum Loben sein sollen, das können wir kaum
glauben.
Trotzdem: diese Zeilen des Petrus haben Geschichte gemacht. Der
große evangelische Liederdichter Paul Gerhardt hat in seinem Lied
„Befiel du deine Wege“ diesen Gedanken auf den einzelnen Gläubigen
bezogen. Jeder entdeckt in seinem eigenen, ganz privaten Leben den
Zweifel – den Glauben ohne Zauber von Ostern. In seinem Lied
heißt es:
Befiehl du deine Wege / und was dein
Herze kränkt /
der allertreusten Pflege / des, der den Himmel lenkt./
Der Wolken, Luft und Winden / gibt Wege, Lauf und Bahn,/
der wird auch Wege finden, / da dein Fuß gehen kann.
Er wird zwar eine Weile / mit seinem Trost verziehn /
und tun an seinem Teile, / als hätt' in seinem Sinn /
er deiner sich begeben / und, sollt'st du für und für /
in Angst und Nöten schweben,/ als frag er nichts nach dir.
Paul Gerhard weiß, dass der Trost eine Weile ausbleiben kann und
wir denken könnten „Gott fragt nicht nach mir“. Er schreibt: “Gott
tut so, als ob er nicht nach dir fragt.“ Auch hier wieder der Gedanke:
“eine kleine Zeit seid ihr traurig und angefochten.“
Petrus schreibt in seinem Brief weiter: „Ihn habt ihr nicht gesehen und
habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht
seht.“ Wie bei einem Liebesbrief klingt das. Liebe kann man auch nicht
„beweisen“ oder messen. Man muss sie glauben. Das ist nicht einmal eine
Anstrengung – nein es passiert von ganz alleine.
Liebe Gemeinde, Der reiche Kornbauer aus dem Gleichnis von Jesus
sammelt seine Ernte, seine Erträge. Die Werbung der Bausparkasse
setzt voraus, dass wir Menschen auch nichts Besseres im Sinn haben,
dass uns sonst nichts zum Leben einfällt, als Sparbücher
anzulegen.
Ich glaube, wir legen heute Sparbücher mit SORGEN an. Wir sammeln
unsere Kritik und unseren Frust, unseren „klaren Durchblick“ und sogar
unsere Hoffnungslosigkeit. Wir befinden uns in einer ständigen „midlife-crisis“. Das heißt:
wir empfinden, dass unser Leben nach vorne immer kürzer und nach
hinten immer länger wird. Unsere Zukunft wird kleiner mit jedem
Tag – mit jedem Kalenderblatt.
Petrus beendet seinen Text
mit den Worten:“ 8 Ihn habt ihr nicht
gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr
ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und
herrlicher Freude, 9 wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt,
nämlich der Seelen Seligkeit.
Der Seelen Seligkeit – das klingt nun vollends
unmodern. Da sammeln wir lieber unsere Kritik und frohlocken, wenn wir
wieder einmal „Recht haben“ – und bis zum Sparbuch als höchstem
Lebensziel ist es dann nicht mehr weit. Petrus sagt: Der Glaube ist
nicht die Errettung der Seelen, sondern er erwartet sie!
Der Zauber des Ostermorgens
liegt also noch vor uns.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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Predigt
- (Phil
2,11
; Joh 8,7) 28.03.10 (Auszug) Pfr. Zillmann
"Jesus Christus ist der Herr."
Phil 2,11
Der Rücktritt von Bischöfin
Käßmann hat viele Menschen politisch und emotional
bewegt. Fragen wurden gestellt – oft mit Bedauern, aber oft auch mit
verschmitzter Häme. "Na Herr
Pfarrer, was halten sie denn davon,
was ihre Chefin so macht?"
Was soll man
darauf Antworten? Ich selber kenne Frau Käßmann
nicht und ich kenne auch niemanden, der sie persönlich gut kennt.
Somit ist sie für mich eine Figur in der Medienwelt, die mit
meiner kirchlichen Wirklichkeit nichts zu tun hat.
Eine Antwort zur
Person wäre abstrakt und immer fragwürdig. Lange Zeit wird
das Image der betrunkenen Bischöfin an ihr hängen. Wer den
Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Wer ohne
Schuld
ist,
werfe den ersten Stein.
Interessant waren für mich die Reaktionen auf ihre Tat. Es
gab eine Welle von Sympathiebezeugungen.
Vorauseilend wurde sie entschuldigt. Der Rat der Evangelischen Kirche
in Deutschland hat ihr bedingungslos sein Vertrauen ausgesprochen und
die Bitten, dass sie nicht zurücktreten möge,
überhäuften sich.
Sie ist/war eine Frau, die mit ihrer menschlichen und
sympathischen Art viel Zuneigung erwarb. Als Ikone des
Protestantismus wurde sie gar verehrt. Andere dagegen frohlockten im
Internet kurz und bündig: "Der
liebe Gott hat der Sozi-Tante
endlich die rote Ampel gezeigt!"
Dass Meinungen zu einer Person so hart auseinandergehen ist nicht neu.
In unserer Mediengesellschaft wurde Bischöfin Käßmann
zu einer öffentlichen und zu einer politischen Institution mit
Vorbildwirkung aufgeputscht. Aber die Autorität
des Amtes leidet, wenn die Person Fehler macht. Und Menschen
machen immer Fehler.
Auch aus diesem Grunde hatte man in der Reformationszeit das
Bischofsamt abgeschafft. Mehrere Jahrhunderte sind wir in unserer
Region ohne Bischof gut gefahren. Geleitet wurde die Kirche von
mehreren Ältesten und Pfarrern.
Erst die Nationalsozialisten haben das Führerprinzip
in die Evangelische Kirche zurückgeholt. Christen sollen
gleichgeschaltet werden, um sie später besser ausschalten zu
können. Die Rechnung ging nicht auf, aber das Bischofsamt war
wieder da und ist geblieben.
Jetzt haben wir eine Menge moralischer
Führungspersönlichkeiten, die scheinbar genau wissen, wo es
lang geht und die ein Projekt nach dem anderen durchs Dorf jagen. Aber
wir haben niemanden mehr, der in unserer Kirche die Toiletten sauber
macht. Das ist das Problem.
Das Bischofsamt
gehört darum abgeschafft. Eine protestantische Kirche braucht
keinen Führer und keinen Chef auf Erden - auch nicht, wenn er/sie
weiblich ist. Allein Jesus Christus ist der Herr. AMEN
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Ev.Kirche Am Seggeluchbecken in
Berlin-Reinickendorf
Pfarrer Peter Zillmann, 13435
Berlin-Märkisches
Viertel, Finsterwalderstr. 68
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