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Predigten und Andachten 2001

Inhalt

Jahreslosung 2002 - Jes 12,2 (Heilig Abend -Vertrauen) 24.12.01 Pfr Zillmann
Monatsspruch 2. Thess 3,3 (Der Herr ist treu!)   01.12.01 Pfr. Rochusch
Predigt Apg 3,1-10 (Ich taufe keine Embryonen) 02.09.01 Pfr. Zillmann
Monatsspruch Phil 2,4  (Deutsche Tugend)  01.06.01 Pfr. Zillmann
Predigt Mt 6,5-15 (Vaterunser) Pfr. Dr. Rochusch 20.05.01
Predigt Jes 12  (Ich folge der Stärke meiner Sehnsucht) Pfr Beermann 13.05.01
Predigt Lk 18,35-43 (Kopf in Sand stecken) Pfr. Zillmann 25.02.01
Predigt Jes 1,1-13 (Berufung) Pfr. Braukmann
Monatsspruch Lk 10,27 (Gebot der Liebe) Pfr. Beermann
Jahreslosung 2001 (Weisheit und Erkenntnis) Pfr. Zillmann

weitere Predigten im Archiv
(Hinweis: Die Predigten sind teilweise geschrieben wie vorgetragen)


   Jahreslosung 2002  (Heilig Abend - Vertrauen)   24.12.01 Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde, spätestens wenn die Weihnachtszeit da ist, die Tage lang und länger werden, wenn die Lichter im Dunkeln glitzern, und wenn alle emsig mit Einkaufen und Vorbereitungen zu tun haben, spätestens zur Weihnachtszeit wissen wir: Es ist wieder ein ganzes Jahr, ein ganzes Lebensjahr vergangen. Und wir wundern uns immer wieder, wie die Zeit so vergeht. Was wollte ich nicht noch alles machen? Was habe ich mir nicht alles vorgenommen. Wollten wir nicht etwas ganz wichtiges erledigen – in diesem Jahr? Und nun? Die Zeit ist vergangen - ganz plötzlich - das Jahr ist vorbei wie ein Windhauch, so scheint es.

Alle Jahre wieder – ist das so. Und je Älter man wird, um so schneller scheint die Zeit zu rennen. Und dann hat man auch immer wieder das Gefühl, dass dieses Jahr besonders wichtig war. Ist nicht gerade in den letzten 12 Monaten außergewöhnlich viel passiert? Im persönlichen Leben: Ich bin wieder ein Stück gewachsen, wieder älter geworden, noch eine Krankheit ist dazu gekommen, Geld verloren – Geld gewonnen. Ist nicht viel passiert - in der Familie, in der Schule, auf der Arbeit, bei den Nachbarn? Neue Menschen kennengelernt, alte verloren oder weggestorben, Liebe und Hass, Glück und Unglück – Jeder von uns könnte da jetzt viel erzählen. Und in der großen weiten Welt – waren nicht die Katastrophen der letzten Monate besonders schrecklich, die Kriege besonders gefährlich und die Weltsituation gerade in diesem Jahr außerordentlich bedenklich?

Liebe Gemeinde,  "Alle Jahre wieder..." könnte man sagen. Zu Weihnachten stellt sich oft und regelmäßig solch eine komische Stimmung ein, eine Mischung von rührseliger Freude und tiefer Traurigkeit. Das Leben ist schön, aber ich glaube die Welt geht unter. Wer kann mir jetzt helfen?

In diese Stimmung kommt nun die Weihnachtsbotschaft hinein. Etwas fromm natürlich, abstrakt und theologisch, Worte aus alten Büchern und Zeiten: "Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen;" heißt es dort "er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt. Dieses Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind." (Lk 1,78-79a)

Nun, wer im Dunkeln sitzt, freut sich über ein Licht. Das ist klar. Wer alles dunkel und grau sieht, dem kann ein kleiner Farbtupfer das Leben verschönern. Und wer depressiv in die Zukunft blickt, der braucht einen Hoffnungsschimmer, um nicht vollkommen zu verzagen, der braucht einen Anker, an dem er Halt findet. Wenn es einem gut geht, dann vergessen wir schnell die schlechten Tage, die da waren und noch kommen werden. Aber wenn es uns schlecht geht, dann tun wir ganz erstaunt und lamentieren: "Das hätte ich nicht gedacht, warum gerade ich?"

Wenn die Zeiten sich wenden, und die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel ist so eine Zeit, wenn die Zeiten sich wenden, dann stoßen Gegensätze aufeinander, zwei Gefühle vielleicht und ringen darum, ausgelebt zu werden. Freude und Traurigkeit, zum Beispiel – Unruhe in der Seele und Frieden im Herzen gleichzeitig, Neid und Genügsamkeit, Lachen und Weinen in der selben Minute. Der Blick geht zurück und er geht nach vorne. Und die Weihnachtsbotschaft sagt jetzt klar:    Hinten ist es dunkel und vorne ist es hell.

"Nun, eine schöne Botschaft." mag mancher sagen "Sie ist vielleicht heute einleuchtend, aber was ist morgen, im Alltag, im kommenden Jahr 2002, wenn die Gefühle geschmolzen sind, wie der letzte Schnee des Winters?"

Liebe Gemeinde,  die Jahreslosung für das nächste Jahr ergänzt an dieser Stelle die Weihnachtsbotschaft gut und deshalb möchte ich auch beide Texte hier in einen Zusammenhang bringen.

Der biblische Spruch, und diesem Spruch werden sie im nächsten Jahr noch öfters begegnen, der biblische Spruch für das Jahr 2002 lautet: "Ja, GOTT ist meine Rettung; IHM will ich vertrauen und niemals verzagen." (Jes 12,2) "Nun, eine schöne Botschaft." mag mancher wiederum sagen "Gottvertrauen. Alles klar. Schön wäre es ja." Und dann höre ich im Unterton einen wichtigen, lässigen Satz: "Wer's glaubt, wird selig."

Ja, genau das ist es. Das meint der Jahresspruch. In diesem ständigen Zweifel unserer Vernunft, in diesem ständigen Zwiespalt der Gefühle, sind wir innerlich aufgewühlt, hin und hergerissen. "Wer's glaubt, wird selig." Das schafft jetzt das Vertrauen, das Licht im Dunkeln zu seh'n, das Ende des Tunnels zu erkennen.

Liebe Gemeinde,  so was kann man natürlich nicht erklären und ich möchte ihnen da nichts aufschwatzen, denn dieser Glaube wird einem geschenkt und nicht erklärt, geschenkt und nicht bewiesen, geschenkt wird der Glaube durch Geist. Entweder man glaubt oder man glaubt nicht. Das ist ganz einfach.

Unsere Zeit liegt nun, - wenn man denn glaubt – unsere Zeit liegt in Gottes Händen, Unser Leben ist aufgehoben in seiner Ewigkeit. Das allein schafft Vertrauen für die Zukunft, die auch ein Stückchen was von Ewigkeit enthält. Und dann ist das vergangene Jahr plötzlich ein ganz normales Jahr gewesen. Alle Jahre wieder, immer das gleiche. Das vergangene Jahr war nicht das wichtigste. Und die Zeit rennt auch nicht schneller als sonst. Ein kindliches Gemüt müsste man haben, dann lebt man immer im hier und jetzt und kann sich seines Lebens freuen.

In diesem Sinn möchte ich Ihnen noch eine kleine Geschichte mitgeben in das Weihnachtsfest und in das neue Jahr - eine Geschichte vom Vertrauen und Nicht-Zweifeln:
 

Stellen Sie sich einen Weihnachtsmarkt vor. Über den Marktplatz ist ein Hochseil gespannt. Und der Platz ist voller Menschen, die dicht zusammengedrängt stehen, um das Kunststück zu sehen.
Denn jetzt balanciert ein Hochseil-Artist über das Seil:
Ohne Netz und mindestens zehn Meter über dem harten Boden schiebt er eine Schubkarre durch den Himmel. Klein wirkt er so weit da oben und mit der Karre etwas komisch - aber man sieht ihn lächeln, doch niemand lächelt zurück. Still staunt die Menschenmenge auf dem Marktplatz. Schritt für Schritt geht der Artist auf seinem schmalen Weg. Manchmal macht er eine kleine Pause; dann geht es weiter. Endlich erreicht er das Ende des Seils: Begeisterter Applaus bricht aus; das Seil schwankt ein wenig.

Schnell macht sich der Artist auf den Rückweg - und erreicht wieder sein Ziel: Der ganze Platz jubelt. “Zugabe!”, rufen die Zuschauer, “noch einmal, bitte.”

Da gibt der Artist ein Zeichen, und die Menge verstummt. “Wer von euch kommt mit?" fragt der Artist, “wen darf ich in meiner Karre über das Seil fahren?”    Niemand antwortet; der Marktplatz bleibt still, sehr still.

Dann hört man eine Kinderstimme: “Ich komme mit”; Ein kleiner Junge klettert aufs Seil und setzt sich in die Karre. Die Fahrt beginnt: erst hin - und dann auch wieder zurück.

Als das Kind aus der Karre klettert, zögert die Menge ein wenig, aber dann dröhnt der Applaus noch lauter über den Platz. Und alle stürzen sich mit ihren Fragen auf das Kind: “Warum hast du da mitgemacht? Wie konntest du das wagen?”
Das Kind antwortet: “Ja, was habt ihr denn geglaubt? Der da oben ist doch mein Vater!”


Nun - Liebe Gemeinde,  ich wünsche allen ein gesegnetes Weihnachtsfest mit dem Spruch der Jahreslosung:

"Gott ist meine Rettung; ihm will ich vertrauen und niemals verzagen." (Jes 12,2)

AMEN


   Monatsspruch 2. Thess 3, 3  (Der Herr ist treu!)   01.12.01 Pfr. Rochusch
 

Der Herr ist treu; er wird euch Kraft geben und euch vor dem Bösen bewahren.

Diese Zusage Gottes, die der Apostel Paulus den Christen in Saloniki brieflich mitteilte,  gilt auch heute, und Sie können in der Advents- und Weihnachtszeit diese Zusage erfahren. Gott ist treu und hat seine Treue zu uns Menschen gerade in dem Geschehen der Geburt seines Sohnes Jesus Christus bewiesen.

In der Geschichte des Volkes Israel, aufgezeichnet im Alten Testament, wird immer wieder der Glaube geäußert, dass Gott sich mit dem schuldigen Verhalten eines ungehorsamen Volkes auseinandersetzen muss und trotz aller Strafmaßnahmen erkennen muss, dass eine grundsätzliche Änderung, und das heißt ein praktizierter Glaube in Gottesdienst und Lebensgemeinschaft, nicht möglich ist. Trotzdem erwiese Gott sich als treu in seiner Liebe zu seinem Volk.

Und so ist auch die Geburt Jesu Christi als ein neuer und, wie wir Christen nun glauben, letzter und höchster Versuch Gottes anzusehen, alle Menschen zum Glauben und zum richtigen Handeln aus Glauben einzuladen. Wieder hat er seine Treue seinen Menschen gegenüber offenbar gemacht: Ein Kind kommt zur Welt in Armut und Gott bekennt sich zu ihm, erklärt es als seinen Sohn und begleitet ihn in besonderer Weise durch sein Leben. Alles wird zur Offenbarung der Liebe und Treue Gottes. Jesus Christus wird zum Muster für unser Handeln in der Nachfolge des Glaubens.

Und Schließlich wird der Kreuzestod Jesu zum unwiderruflichen Zeugnis der Vergebungskraft Gottes für alle Schuld aller Menschen und die Auferstehung Jesu zum Inhalt der Hoffnung menschlichen Lebens. Gott blieb sich treu in seiner Liebe zu uns Menschen.

Wenn wir das Glauben können, wenn wir uns um diese Glaubensinhalte in unseren Gedanken bemühen, dann werden wir schon spüren, dass wir Kraft bekommen, dass wir vor dem Bösen bewahrt werden. Wir werden Kraft bekommen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die mit dem Willen Gottes für uns Menschen und uns persönlich übereinstimmen. Wir werden Wege finden und gehen können, die uns helfen, glücklich zu sein. Wir werden Liebe üben können, wo wir bisher unfähig dazu waren. Wir werden helfen können, weil wir die Not sehen und die Kräfte in uns spüren.

Die guten Gedanken des Glaubens bewahren uns auch vor dem Bösen, weil wir wissen, was das Böse in der jeweiligen Situation ist. Es gibt zwar immer wieder dieses seltsame Gerede davon, dass es „SonntagsChristen“ gäbe, die am Sonntag im Gottesdienst sitzen, in der Woche aber mit ihren Nachbarn im Streit liegen. Aber ich glaube nicht daran. Vielmehr bemerke ich erfreulicherweise immer wieder, dass glaubende Menschen auch ethisch gute Menschen sind, Vorbilder im Handeln, ehrlich, aufrichtig, zuverlässig. Wer um die Liebe Gottes weiß, der weiß eben auch um das Böse, das er vermeidet. Und wer die Treue Gottes kennt, ahnt auch, was Untreue als zerstörende Kraft bedeuten kann und weiß sie zu vermeiden.

Mit den Gedanken dieser Weihnachtszeit, mit allen Symbolen, die wir für die Botschaft von Jesus Christus aufrichten, mit allen Erfahrungen der Liebe - besonders in der Familie -, mit den Geschenken und dem Glücklich sein, mit allem, was uns an die Treue Gottes erinnert, werden wir dann in das neue Jahr gehen. Dann brauchen wir die Kraft Gottes in der Auseinandersetzung mit dem Bösen, wie auch immer es sich für den Einzelnen gestaltet.

Vielleicht werden wir uns in unserer Gesellschaft auch im neuen Jahr noch mit dem Krieg in Afghanistan auseinandersetzen, werden den Krieg als das Böse unserer Zeit bezeichnen und nach der Liebe Gottes in diesen Ereignissen, nach den kleinen Möglichkeiten der Hilfe und der Zuwendung zu leidenden Menschen suchen. Aus unserem Glauben an die Treue Gottes müssen wir Antworten finden und Entscheidungen treffen, nicht aus Staatsraison oder Bündnisgehorsam.

Vielleicht müssen wir uns mit weiteren Attentaten verirrter und verblendeter Menschen auseinandersetzen. Oder wir müssen Diskussionen um den rechten Glauben, um unseren Glauben im Vergleich zu den anderen Religionen dieser Welt führen. Wir werden dabei das Böse benennen. Böse ist immer der Fanatismus, die Intolleranz, die Unmenschlichkeit. Gottes Treue gilt allen Menschen. Das zu praktizieren, dazu brauchen wir die Kraft Gottes.

Und ich wünsche Ihnen für die vor uns liegende Zeit die guten Gedanken des Glaubens an Gottes Treue, dazu die Erfahrung seiner Liebe und Kraft.

Rolf Rochusch


  Predigt Apg 3,1-10   (Ich taufe keine Embryonen)  02.09.01 Pfr. Zillmann
 

Liebe Gemeinde, der heutige Predigttext steht in Apg 3,1-10 und berichtet aus dem Leben der Apostel, aus dem Leben der ersten Christengemeinden. Es ist eine Heilungsgeschichte. Ein Gelähmter wird geheilt

1 Einmal gingen Petrus und Johannes in den Tempel. Es war drei Uhr, die Zeit für das Nachmittagsgebet.
2 Am Schönen Tor des Tempelvorhofs saß ein Mann, der von Geburt an gelähmt war. Jeden Tag ließ er sich dorthin tragen und bettelte die Leute an, die in den Tempel gingen.
3 Als er Petrus und Johannes sah, wie sie gerade durch das Tor gehen wollten, bat er sie um eine Gabe.
4 Die beiden blickten ihn fest an, und Petrus sagte: »Sieh uns an!«
5 Der Gelähmte tat es und erwartete, daß sie ihm etwas geben würden.
6 Aber Petrus sagte: »Gold und Silber habe ich nicht; doch was ich habe, will ich dir geben. Im Namen von Jesus Christus aus Nazaret: Steh auf und geh umher!«
7 Und er fasste den Gelähmten bei der rechten Hand und half ihm auf.
Im gleichen Augenblick erstarkten seine Füße und Knöchel;
8 mit einem Sprung war er auf den Beinen und ging umher. Er folgte Petrus und Johannes in den Vorhof des Tempels, lief umher, sprang vor Freude und dankte Gott mit lauter Stimme.
9 Das ganze Volk dort sah, wie er umherging und Gott dankte.
10 Sie erkannten in ihm den Bettler, der sonst immer am Schönen Tor gesessen hatte. Und sie staunten und waren ganz außer sich über das, was mit ihm geschehen war.

Liebe Gemeinde, die Heilungsgeschichten in unserer Bibel sind wichtig. Der Wochenspruch aus Jes 42,3 "Das geknickte Rohr wird Gott nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen", dieser Wochenspruch macht deutlich, worum es an diesem Sonntag geht. Um geknickte, verzweifelte, hilfebedürftige Menschen und um Gott, der Hilfe und Heil schenkt. Heilungsgeschichten können Mut machen, der Glaube kann Berge versetzen, sagt man; Wo der Lebensweg zu Ende scheint, geht es plötzlich weiter, die Lähmung ist vorbei und man kann wieder vorwärts schreiten.

Viele Menschen tun sich allerdings schwer damit, die Wundergeschichten, diese Heilungsgeschichten aus unserer Bibel, wörtlich zu nehmen, oder wörtlich in ihr Leben zu übertragen. Aber trotzdem sagt man es dann doch manchmal: "Es müsste ein Wunder geschehen, und meine Krankheit müsste weg sein, auf einmal wieder gesund sein, richtig laufen können, richtig sehen und hören können, keinen Krebs mehr haben, das wäre wunderschön." Wir Menschen erwarten Heil und Gesundheit für unser Leben und erst wenn man mal so richtig krank war, dann weiß man, wie wichtig die Gesundheit ist.

Wenn nun die Heilsversprechen der Bibel nicht ausreichen, dann ist klar, daß wir früher oder später anderen Heilsbringern vertrauen wollen. Ein Arzt muß her, ein neues Medikament vielleicht, oder ganz neue technische und biotechnische Möglichkeiten. Das Reizwort der letzten Monate und sogar der letzten Jahre, das Reizwort lautet dann Gentechnik und diese neue Technik erfüllt unsere Heilsträume mit soviel Phantasie, daß die Wunder an den Blinden und Gelähmten aus unserer Bibel dagegen richtig blass aussehen.

Solche neuen Heilsversprechen spalten und erhitzen die Gemüter, wie sonst kaum ein Thema und das wird die nächsten Jahre auch noch anhalten. Die Meinungen gehen von: 'Gott sei's gedankt' bis hin zum 'satanischen Teufelswerk' hart auseinander. Und wenn ich mir die verschiedenen streitenden Gruppen ansehe, wie sie plötzlich genau wissen, was Gut und Böse ist und fanatisch auf ihre jeweilige Heilslehre pochen, dann kann ich schon das erste Opfer dieser Gentechnik erkennen und dieses erste Opfer ist der gesunde Menschenverstand.

Die Angst vor dem Verlust der ethischen Maßstäbe und der Triumph der Willkür, der daraus erfolgen könnte, diese Angst verlangt, daß wir Grenzen ziehen müssen, diese Angst treibt uns dazu, schwarz weiß zu sehen, Gut und Böse genau zu trennen und zu bezeichnen.  Und wenn dann der "Bauch spricht" um es mal in Anführungsstrichen zu sagen, wenn wir aus dem inneren Gefühl entscheiden, dann ist der eine plötzlich richtig dafür und der andere strikt dagegen. Und jeder wissenschaftliche Fortschritt fördert diese Angst, die Angst vor dem Unbekannten, vor dem Unwägbaren.

Liebe Gemeinde, ich möchte jetzt nicht die embryonale Stammzellenforschung und das Klonen von Tieren oder gar das Klonen von Menschen auseinandernehmen und wissenschaftlich werten. Dazu fehlen mir die Fachkenntnisse und letztendlich ist dieses rumhacken auf Detailfragen auch egal. Dasselbe Dilemma gab es schon bei der Atombombe und bei anderen technischen Entwicklungen. Es steht hier die eine Moral gegen die andere Moral, und jede Seite verteidigt die Begriffe, die sie selber definiert und bestimmt hat.

Aber zurück zu unserem Predigtext. In der biblischen Wundergeschichte kommen Petrus und Johannes an diesen Gelähmten vorbei und heilen ihn. Da ist natürlich nach heutigen Maßstäben die Frage angebracht, ob die das überhaupt dürfen, diesen Menschen zu heilen? Haben sie auch alle ethischen Komplikationen bedacht, die mit dieser Heilung verbunden sind. Greifen sie nicht in die Schöpfung Gottes ein? Ist es nicht vorherbestimmt, daß dieser Mann krank zu sein hat, und zwar von Geburt an?
Unter dieser Fragestellung betrachten wir Wundergeschichten im allgemeinen nicht. Wir freuen uns über diese Wunder, ob sie moralisch gerechtfertigt sind ist zweitrangig.

Anders ist das bei den Wundern der Technik und der Medizin. Da geraten die Wundertäter sehr schnell in Verdacht, die Würde des Menschen anzukratzen und die Allmacht Gottes schmälern zu wollen. Plötzlich ist niemand da, der rumspringt, tanzt, Gott lobt und preist, weil mit technischem Gerät festgestellt wurde, daß die Erde eine Kugel ist und sich um die Sonne dreht, daß es Bakterien, Bazillen und Antibiotika gibt, die Pest und Syphilis vernichtet haben, daß es mit viel Fleiß glückte, die Atome zu spalten. Und ich habe auch nicht gehört, daß in England ein Festgottesdienst stattfand, als es gelang, ein Wunder zu vollbringen, indem Schaf Dolly geklont wurde.

Im Gegenteil, Entsetzen breitet sich jedes Mal aus. Ängste werden geschürt und der Teufel an die Wand gemahlt. Die Geschichte der Wissenschaft, die Geschichte des denkenden Menschen ist immer zugleich auch eine Geschichte dieser Verteufelung und Verdammnis. Das Wunder an sich hat keinen positiven Wert mehr.

Eigentlich schade und ärgerlich zugleich, wenn man bedenkt, daß gerade die Leute, die jedes biblische Wunder ohne zu hinterfragen als gut ansehen, gleichzeitig aber allen anderen Wundern die Existenzberichtigung absprechen wollen. Wenn man im Namen Jesu Gelähmte heilen kann, warum dann nicht im selben Namen Schafe und Menschen klonen?

Dies Frage soll provozieren und deutlich machen, daß Ethik und Moral sehr komplizierte Zusammenhänge darstellen und das Tabus und Grenzziehungen selten geholfen haben.

Die Würde des Menschen ist unantastbar – ein großes Wort. Hier soll die Grenze sein. Aber wissen wir, was Würde ist, wissen wir, was ein Mensch ist? Wer gibt dem Menschen seine Würde, seinen Rang und Wert in dieser Welt? Wenn wir unsere Würde von Gott bekommen haben, dann brauchen wir uns hier keine Gedanken machen, denn diese Würde kann uns kein anderer Mensch und auch kein Wissenschaftler nehmen.

Wenn allerdings Kirche, Staat oder Parteien bestimmen, also Menschen bestimmen und definieren was Würde ist, dann kann es leicht passieren, daß diese Würde auf Scheiterhaufen, Schlachtfeld und in Konzentrationslagern, daß diese Würde sich in Luft auflöst. Und das Wort Mensch? Was legen wir in diesen Begriff hinein? Was ist ein Mensch? Bei der ganzen Gendebatte wird dieser Begriff wieder stark strapaziert. Was ist ein Mensch? Und wann wird ein Klumpen Biomasse zu diesem Menschen?

Ich stelle mir mal jetzt etwas spinnerhaft folgendes vor. Da kommt ein junges Ehepaar mit einem gekühlten Reagenzglas, in dem eine befruchtete Eizelle liegt. "Lieber Herr Pfarrer, wir freuen uns auf unser Kind. Aber das Leben ist gefährlich, wie sie wissen, besonders in diesem kalten engen Röhrchen. Lieber Herr Pfarrer, wir möchten unser Kind taufen lassen, damit es von Gottes Hand beschützt wird."  Nun, was ist in einem solchen Fall zu tun? Nach wissenschaftlicher Definition existiert da ein lebender Mensch, etwas unterentwickelt, mag sein, qäckt aber nicht, und strampelt nicht rum, eben wie ein liebes Baby, das schläft. Also eigentlich kein Problem.

Ich könnte jetzt noch feine Unterschiede machen, einfache Embryonen, geklont und ungeklontes Embryo, Fötus geboren und ungeboren, Frühgeburt, Leihmuttergeburt, Kind, Person und Mensch. Es würde eine endlose Diskussion anfangen. Der gesunde Menschenverstand sagt mir an diesem Punkt und zum Inhalt des Reagenzglases: "Ich taufe keine Embryonen"
Theologische Richtlinien gibt es noch nicht. Die wissenschaftliche Grenzlinie, daß ein befruchtetes Ei ein menschliches Leben ist, ist eben eine wissenschaftliche Grenzlinie. Wenn man jetzt diese wissenschaftliche Grenze als bedingungslose Prämisse für theologische und ethische Urteile nehmen würde, dann schreibt letztendlich die Wissenschaft vor, wie die Kirche (Theologie) über diese Wissenschaft zu urteilen hat.

Zum theologischen Verständnis kommt noch eine Schwierigkeit hinzu, die in den gegenwärtigen Anfeindungen kaum erwähnt wird. Wo ist eigentlich die Seele geblieben? Hat sie Platz im Reagenzglas? Gibt es sie überhaupt? Steht sie der Biomasse Mensch dualistisch gegenüber. Ist beim Klonen die Seele, - wenn sie in Embryonen denn da ist - ist sie dann teilbar?
 

Liebe Gemeinde, um das abschließend zu sagen, ich bin ein praktischer Mensch und taufe deshalb keine Embryonen. Da werden mir jetzt die meisten von ihnen sicher zustimmen. Daraus ergibt sich aber auch, daß ich die Embryonenforschung und die Gentechnik frei von moraltheologischen Zwängen (Verteufelungen) sehen will. Also auf deutsch gesagt: Ich bin   f ü r   die Gentechnik und die Embryonenforschung. Nun nicht uneingeschränkt, aber grundsätzlich doch dafür.

Das ist wie mit dem Gleichnis vom Messer. Die Herstellung eines Messers ist unproblematisch. Ich kann dieses Messer dann zum Brotschneiden benutzen oder ich kann damit einen Menschen erstechen und umbringen. Nicht die Möglichkeiten gilt es zu beschränken, sondern die Wirkungen unseres Tun's und Lassens sollen gewertet und gegebenenfalls unterbunden werden.

Insofern finde ich es gut, daß Petrus und Johannes den Gelähmten wieder auf die Beine geholfen haben. Wie sie das gemacht haben, wird sicher ihr Geheimnis bleiben, aber daß sie das gemacht haben ist gut. Und Gottes Schöpfung haben sie damit nicht in Frage gestellt und die Würde des Menschen ist nicht auf der Strecke geblieben.

Die Hohenpriester haben sich allerdings geärgert, weil sie wohl an anderes dachten, als an geknickte, verzweifelte, und hilfebedürftige Menschen, weil sie wohl an anderes dachten als an Gott, der Hilfe und Heil schenkt und der allein jedem von uns die Würde des Menschseins gibt.
AMEN


  Monatsspruch Phil 2,4  (Deutsche Tugend)  01.06.01 Pfr. Zillmann
 

Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen. (Phil. 2,4)

Pflicht und Tugend

Eine ältere Dame steigt in den überfüllten Nachmittagsbus ein. Die Schülerin, die vorne sitzt erhebt sich und bietet ihr ihren Platz an. Erleichtert setzt sich die Frau. Das Mädchen beugt sich noch einmal herunter und fragt: "Wie bitte?" – "Ich hab nichts gesagt." antwortet die alte Dame. Darauf das Mädchen: "Ach, entschuldigen sie. Mir war so, als ob sie Danke gesagt hätten."

Mit dieser kleinen Geschichte sind wir mitten drin in der Wertediskussion dieser Tage. Es hat den Anschein, dass vor jeder Bundestagswahl populistische Tugenden und Fehler ins Bewusstsein gerückt werden, um daraus politischen Profit zu schlagen. Vor einigen Jahren waren es  die faulen Lehrer,   welche die Jugend  verkommen ließen  und  heute sind es faule Arbeitslose, an denen die Gesellschaft krankt. Wie wichtig sind da doch mahnende Worte  -  meint so mancher.

Und die Kirchen? Müssten die nicht als Gralshüter für deutschen Fleiß und sittlicher Strenge den Politikern und den ohnmächtigen Eltern zu Hilfe eilen? Die Versuchung ist sicher groß, aber es gibt ein kleines Problem. Fleiß und Ordnung mögen zwar gute deutsche Tugenden sein, sie sind aber deshalb noch lange keine christlichen Werte.

Im Unterbewusstsein wissen wir das auch. So stellt niemand die Frage, ob Jesus denn den notwendigen Fleiß bei seinen Krankenheilung walten ließ, oder ob er pünktlich zum Berg kam, um zu predigen und dabei auch seine Sandalen ordentlich geputzt hatte. Solche Werte sind für den christliche Glauben letztendlich irrelevant.

Wichtig scheinen mir aber die Werte aus der kleinen Busgeschichte zu sein, nämlich Rücksichtnahme und Dankbarkeit. Sie haben schon eher etwas mit Christlichkeit zu tun. Auf diese Werte hinzuweisen bringt mehr, als anderen Menschen ihre vermeintlichen Fehler vorzuhalten und ständig an der Jugend herumzumäkeln. Junge Menschen machen das nach, was ihnen Ältere vorleben. Und "Wer ohne Schuld ist, werfe dann den ersten Stein." Wer hat diesen Satz wohl gesagt?

Ihr Pfarrer Zillmann


  Predigt Matthäus 6,5-15  (20.05.2001,  Sonntag Rogate - Betet) Pfr.Dr. Rochusch
 

Text:

Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen! Sie beten gern öffentlich in den Synagogen und an den Straßenecken, damit sie von allen gesehen werden. Ich versichere euch: Sie haben ihren Lohn schon kassiert. Wenn du beten willst, dann geh in dein Zimmer, schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen. Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebetsworte herunter wie die Heiden. Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen. Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet. So sollt ihr beten:

Unser Vater im Himmel!
Mach deinen Namen groß in der Welt.
Komm und richte deine Herrschaft auf.
Verschaff deinem Willen Geltung, auf der Erde genauso wie im Himmel.
Gib uns, was wir heute zum Leben brauchen.
Vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir allen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind.
Lass uns nicht in die Gefahr kommen, dir untreu zu werden,
sondern rette uns aus der Gewalt des Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Wenn ihr den andern vergebt, was sie euch angetan haben, dann wird euer Vater im Himmel euch auch vergeben. Wenn ihr aber den andern nicht vergebt, dann wird euer Vater euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“

Auslegung:

Der kirchliche Name des Sonntags, Rogate = Betet, lädt uns zum Beten ein. Die Lesungen von Evangelium und Epistel tun es ebenso. Es ist gut, dass wir Christen mindestens einmal im Jahr aufgefordert werden, über das Gebet nachzudenken. Als Predigttext sind Worte der Bergpredigt Jesu Christi zu bedenken, Worte, von denen die Evangelisten Matthäus und Lukas sich vorgestellt haben, dass sie Jesus Christus im Rahmen seiner Lehrpredigt als Grundaussagen des Glaubens, als Grundhilfestellung seinen Freunden und seinen Zuhörern mitteilt.

Es sind Worte, die im ersten Jahrhundert gesprochen wurden und in die Bedingungen der damaligen Zeit passen. Da haben sich noch Menschen auf den Marktplatz gestellt und öffentlich gebetet und durch ihr Verhalten die Aufmerksamkeit anderer auf sich gelenkt. Christen sollten anders sein. Da haben noch die Heiden, die Menschen anderer Religionen, Gebetslitaneien heruntergeleiert, „Weltmeister im Beten“ waren die Baalspriester im Alten Testament, mit denen sich der Prophet Elia auseinandersetzt. Die konnten Gebete herunterleiern ohne Ende. So sollten Christen nicht beten.

Aber heute sind diese Gedanken nicht mehr von der gleichen Bedeutung. Im Zentrum des Predigttextes steht das Vaterunser. Ich habe die Gute Nachricht Bibel-Übersetzung (1997) gewählt, um Ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Bekannt ist uns die Übersetzung Martin Luthers, wir können sie sicherlich auswendig. Das Vaterunser wird in jedem Gottesdienst gebetet, dazu bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen, gelegentlich in den Gemeindekreisen und im seelsorgerlichen Gespräch. Warum wird gerade dieses Gebet nun schon seit 2000 Jahren so regelmäßig gebetet? Was hat es Besonderes, dass es uns Christen so wichtig ist?

Die erste Antwort auf diese Frage ist die Einleitung des Vaterunser-Gebetes, welche die Evangelisten als Wort Jesu Christi überliefert haben: „Wenn ihr betet, dann sollt ihr sprechen....“ Damit, dass demnach Jesus Christus selbst dieses Gebet an seine Jünger und seine Zuhörer weitergegeben hat, bekam es Gewicht, wurde es zum Grundgebet der Christenheit.

Ich bin überzeugt, dass Jesus Christus die Frage seiner Freunde „Wie oder was sollen wir beten?“ zu beantworten hatte. Sie stellte sich damals sicherlich genauso wie heute für Menschen, die im Glauben wachsen wollen. Und ebenso bin ich überzeugt, dass Jesus Christus seine Freunde in das richtige Gebet eingeführt hat, ihn ein Grundgebet vermittelt hat. Doch das als Vaterunser in den beiden Evangelien überlieferte Gebet macht den Eindruck, als ob es in den ersten christlichen Gemeinden beim Gebrauch im Gottesdienst dann doch leichte Veränderungen erfahren hat. So wortgetreu haben unsere christlichen Vorfahren dann doch nicht die Worte Jesu Christi überliefert. Doch dazu später.

Nehmen wir das Vaterunser zuerst einmal als das Grundgebet der Christenheit. Es ruft uns vier wichtige Grundaussagen ins Bewusstsein:

1) Die Anrede Gottes als Vater ist damals wie heute wohl eine deutliche Unterscheidung gegenüber anderen Religionen und deren Gottesanrede. Gott als Vater anreden zu können, schafft Vertrauen, schenkt Geborgenheit, stellt eine Gemeinsamkeit her, be-stätigt Verwandtschaft.

2) Die ersten drei Bitten des Vaterunsers (geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe) wenden sich an Gott. Wenn wir Betenden sie nachsprechen, dann stellen wir uns damit als Geschöpfe Gottes in seinen Handlungszusammenhang. Wir erkennen seine Schöpferabsicht an, wir wollen sie verwirklicht wissen. Wir leiden darunter, dass sie nicht so offensichtlich verwirklicht ist in dieser Welt, dass es ohne diese Bitte ginge. Wir stellen uns mit unserem eigenen Planen, Handeln, Vollbringen unter Gottes Handeln, wir fügen uns ein in seinen Willen. Wir können unsere Tagesplanung im Morgengebet vor Gott ausbreiten und von ihm die notwendige Hilfe bei allen Handlungen, Entscheidungen, Begegnungen und Gesprächen erbitten. Und abends können wir das Erlebte, das Erreichte und das Fehlgeschlagene vor Gott ausbreiten und im Horizont seiner Schöpfungsabsicht bedenken. Reflektion des eigenen Handelns vor Gott ist Inhalt jedes Gebetes.

3) Die anderen vier Bitten des Vaterunsers (unser tägliches Brot gib uns, vergib uns unsere Schuld, führe uns nicht in Versuchung, erlöse uns von dem Bösen) bringen Grundbedürfnisse von uns Menschen zur Sprache. Ein Grundbedürfnis ist nicht nur, täglich satt zu werden, sondern offenbar auch, die Schuld vergeben zu bekommen und aus dem Kreislauf von bösem Handeln - Schuld auf sich Laden - Vergebung und Erlösung Bedürfen ausbrechen zu können. Drei Bitte stehen da neben der einen, und in den auf das Vaterunser folgenden Worten des Evangeliumstextes wird das Vergeben weiter bedacht und in den Zusammenhang göttlichen Handelns gestellt. Grundbedürfnisse sind uns Menschen wichtig. Satt werden und Vergebung erfahren sind uns Menschen wichtig. Und dabei denken wir automatisch auch an andere Menschen, weil Schuldaufladen im Kontext mit dem Handeln an anderen Menschen steht. Auch ihre Grundbedürfnisse, ihre Wünsche und Hoffnungen, Absichten und Lebensplanungen können wir im Gebet vor Gott ausbreiten.

4) Die vier Bitten des Vaterunsers, die menschliche Grundbedürfnisse zur Sprache bringen, sind auch alle in der wir-Form formuliert. Es geht ganz deutlich um die Verwirklichung menschlicher Bedürfnisse innerhalb der Gemeinschaft, nicht in der Individualität. Nur dann, wenn in der (christlichen) Gemeinschaft diese Bedürfnisse praktiziert und erfüllt werden, wird der schöpfungsgemäße Sinn menschlichen Lebens erfüllt. Bei der Verwirklichung individueller Bedürfnisse stehen die Bedürfnisse gegeneinander und können nur zu Lasten anderer Menschen befriedigt werden. Die christliche Gemeinde ist der Ort, an dem für die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse gebetet wird und wo sie gemeinsam erlebt wird.

Nun möchte ich doch noch zwei kritische Gedanken zum Vaterunser wie oben schon angedeutet aufnehmen:

1) Das Vaterunser, im ersten Jahrhundert formuliert, steht sehr stark in Horizont der Naherwartung der Wiederkehr des in den Himmel aufgefahrenen Herrn Jesus Christus und des Endes dieser Welt (dein Reich komme!). Die ersten Christen konnten sich einfach nicht vorstellen, dass dieses Gebet noch nach weiteren 2000 Jahren gebetet wird. Aber die Welt hat sich verändert, nicht nur die Naherwartungs-Hoffnung der Christen. Es kann nicht geleugnet werden, dass heute Jesus Christus ein Grundbedürfnis-Gebet anders formulieren müsste, auch andere Inhalte als Bitten formulieren müsste. Es gibt Themen, die wir Christen heute als ebenso gleichwertige Grundbedürfnisse in unseren freien Gebeten vor Gott ausbreiten. So könnten Bitten eines heute verfassten Vaterunsers lauten: Schenke uns Frieden in der Welt - Gib den Menschen soziale Gerechtigkeit - Schenke Resourcen der Natur und uns Menschen Verantwortung für ihren Gebrauch.

2) Immer wieder ist mir beim Vaterunser aufgefallen, dass dieses Mustergebet keine Dankes-Formulierung enthält, es sei denn, dass man den Lobpreis (denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit) am Ende des Gebetes, der bekanntermaßen nicht in den ältesten Handschriften der Evangelien enthalten ist und wahrscheinlich erst durch kirchlich-gottesdienstliche Praxis an das alte Gebet angefügt worden ist, für eine Danksagung hält. Gott für das Erlebte zu danken ist ein wichtiger Schritt vieler Gebete. Immer wieder sollten wir uns das in Erinnerung rufen und es tun, gerade dann, wenn Beten nur noch das Hilfeschreiende Stoß-Not-Gebet ist. Gott zu danken macht zufrieden und glücklich.

So hoffe ich, dass Sie das Vaterunser in allen Bitten bewusst beten können und wünsche Ihnen dazu Gottes Erhören, Gottes Antwort, Gottes Segen. Amen.


  Predigt Jesaja 12  (13.05.2001)  Pfr. Beermann
 

“Ich folge der Stärke meiner Sehnsucht”

Liebe Gemeinde, in dem Danklied der Geretteten (Jesaja 12) heißt es:
“An jenem Tag wirst du sagen:  Ich danke dir, Herr. Du hast mir gezürnt, doch dein Zorn hat sich gewendet,  und du hast mich getröstet. Ja, Gott, du bist meine Rettung; dir will ich vertrauen und niemals verzagen.
Denn meine Stärke und mein Lied ist der Herr.  Er ist für mich zum Retter geworden. Ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude  aus den Quellen des Heils. An jenem Tag werdet ihr sagen:  Dankt dem Herrn !  Ruft seinen Namen an ! Macht seine Taten unter den Völkern bekannt, verkündet: Sein Name ist groß und erhaben ! Preist den Herrn; denn herrliche Taten hat er vollbracht;  auf der ganzen Erde sollen die Menschen das wissen. Jauchzt und jubelt, ihr Bewohner von Zion;  denn groß ist in eurer Mitte der Heilige Israels.”
Gott hat Großes vollbracht !

Viele Menschen versuchen, auf die eine oder andere Weise ihre Lebensqualität zu verbessern. Wenige ... tun dies, indem sie verzichten, sich selbst sogar verneinen, Askese üben, einen mehr und minder eingefahrenen religiösen Weg gehen.  Ihr Glaube, ihre Hoffnung, ausgesprochen oder unausgesprochen, ist, dass sie für ihre Verneinung entweder in diesem Leben oder einem anderen belohnt werden, oder, dass sie durch Verneinung ein neues Selbstwertgefühl erleben, welches sie glücklich macht.

Andere Menschen meinen (die Mehrheit ?), die Verbesserung der Lebensqualität wäre nur zur erreichen, indem sie sich voll ins Leben stürzen, gelegentlich bis hin zur Ausschweifung.      Leben kann dann heißen: erleben, auskosten, alles mitnehmen, mitgerissen werden vom Strom des vorbeirauschenden Lebens. Sie erhoffen sich von dieser Art zu leben sicher auch Glücksgefühle.

Viele Zeitgenossen, Ideologien, Religionen, religiöse Gruppierungen, Lebensstile “versprechen” ein erfülltes Leben. Und obwohl wir alle lebendig sind, scheinen wir doch häufig nicht davon überzeugt zu sein, dass wir wirklich so lebendig leben, wie wir möglicherweise könnten (?), um richtig glücklich zu sein.

Menschen suchen nach Leitlinien, Gedankengebäuden, Führung und nach Methoden, die ihnen diesen Glück bringen können.

Gewiß, vielen Menschen geht es recht gut, zumindest in unseren Ländern; den meisten Menschen auf dieser Erde hingegen geht es gar nicht gut - und dies sind eher die Kinder, es sind die Schwachen.

Es scheint, als wenn vor geraumer Zeit zwischen uns und unser Leben “etwas” gekommen ist, was uns immer wieder das Leben vermiesen will. Einige Menschen nennen es Sünde, ganz wenige sagen dazu “Erbsünde”, die andern nennen es schlicht “Angst”, und wieder andere sprechen von falschen Lebenseinstellungen ... oder gravierenden sozialen Mißständen, die den Weg zu einem erfüllten Leben blockieren. Und der Markt ist randvoll mit Angeboten, die eigene Lebensmisere endlich doch noch zu überwinden.  Der Markt ist überfüllt mit angepriesenen Lebenskünsten, und jeden Monat erscheinen neue Bücher, die beispielsweise aus psychologischer, theologischer, sozialer und marktorientierter ... und philosophischer Sicht neue Wege zu einem “besseren” Leben aufzeigen wollen.

Was sagt nun unser Predigttext dazu ?
Der Predigttext Jesaja 12 ist ein “eschatologisches Danklied”, es ist ein Danklied am Ende der Zeiten: Jesaja sagt damit: “Am Ende bleibt nur das helle Gotteslob. "
Sogar dafür werden die Menschen dankbar sein, dass Gott gezürnt hat (wovon in den vorangegangenen Kapiteln so viel gesprochen wurde), denn das diente zum Heil.”

Der Grund, weshalb ich mir immer wieder die Frage stelle, wie wir (als Christen), wie ich als Gläubiger auf dieser Erde, in diesem Leben zu einem erfüllten Leben gelange(n), ist nicht etwa der, dass ich mir durch die Antwort erhoffe den Schlüssel zur Himmelspforte verdienen zu können, sondern ich möchte mehr und mehr verstehen, was Gottes Barmherzigkeit, Güte und Liebe  für uns Menschen wirklich bedeutet.

Seid vielen Jahren versuche ich den oben genannten Umstand (dass der Mensch auf der stetigen Suche nach dem “Glück”, nach der “Liebe” ist - es gibt Ausnahmen, wie die Geschichte der Menschen beweist) zu ergründen; habe ich doch tief in mir selbst eine unglaubliche Sehnsucht nach vollständigem Leben entdeckt ...; und ich weiß von einigen anderen, dass es ihnen ebenso geht; leider aber wird diese Hoffnung häufig enttäuscht, weil die Kraft der Illusion nur für eine sehr kurze Zeit ausreicht, das Bild eines glücklichen Lebens wiederzugeben.

Nun, ich habe auch Menschen gesprochen, die leugneten, je diese Sehnsucht nach einem wirklich erfüllten Leben gespürt bzw. erfahren zu haben, ohnehin sei es relativ ... und jeder Mensch erfahre “Glück” anders.

Dies ist aber nicht wesentlich; entscheidend ist, dass Gott existiert (!), und dass Er in uns eine tiefe Sehnsucht eingepflanzt hat: ich spreche keineswegs nur von den Gläubigen, nein, ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch diese “Sehnsucht” in sich hat, und dass der Mensch eben nicht nur eine “evolutionierte  biologische Einheit” ist und mit dem Tod “alles” vorbei ist.

Dieser Gott, von dem so viele Menschen reden, von dem aber  (im Verhältnis zur Erdbevölkerung)  nur wenige ... wirklich überzeugt sind (d.h., ihr Leben von Ihm bestimmen lassen) hat einmal gesagt: “Siehe der Mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen Gutes und Böses. Und nun, dass er nicht etwa seine Hand ausstrecke und auch noch von dem Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe!” ---
“Und Gott ... trieb den Menschen aus und ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim sich lagern und die Flamme des zuckendes  Schwertes, den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen.”
1.Mose 3,22-24

Die Cherubim hatten also den Weg zum Baum des Lebens verborgen, so dass der Mensch ihn nicht mehr finden konnte.

War es möglich, dass dieser Baum doch noch da war/ist ? Gab es den “Garten Eden” weiterhin ? Könnte es vielleicht sein, dass wir irgendwann doch den Weg dorthin (zurück) finden würden ?

Diese Fragen sind gar nicht abwegig, denn die Menschheitsgeschichte kann mit unzähligen Beispielen aufwarten, wie Menschen versucht haben, nicht nur das Leben zu verlängern, sondern gerade auch eine Art von “Garten Eden” zu finden, zu bauen ...

Ist der Baum des Lebens eine verrückte Idee ...  und niemals würde je ein Mensch diesen wunderbaren Garten finden ?

... ich glaube, dass wir ein kleines Stückchen dieses Baumes in uns haben, und ich bezeichne das hier als “Sehnsucht”, als die Sehnsucht nach dem Leben - dem wirklichen Leben !

Aus diesem Grund nenne ich diese Predigt “Ich folge der Stärke meiner Sehnsucht”.  Es ist die Suche nach dem verlorengegangenen Paradies. Es ist eine Sehnsucht über den Tod hinaus.

Es hat keinen Sinn - für mich macht es keinen Sinn - um “Glück”, um ein “sinnerfülltes” Leben zu kämpfen (es mag schon sein, dass das Leben oft “Kampf” bedeutet, das meint aber etwas ganz anderes ...); ob wir es wahr haben wollen oder nicht, wirklich erfülltes Leben ist ein - vielleicht “himmlisches”- Geschenk.

Menschen haben zu allen Zeiten für etwas gelebt, für eine Idee beispielsweise, für ihre Kinder/Nachkommen, für ihr Land, für ihre Arbeit, für ihre Weltanschauung, für ihr Haus, für ihre Ideale etc.

Unser Predigttext spricht von dem Dank der Menschen ... mit und nach den “letzten Dingen”,d.h., wir werden Gott schließlich doch danken ..., und Er wird auf uns zukommen (nach einer langen Zeit der Trennung) mit Tränen im Gesicht  und mit offenen Armen ... und Er wird uns an Sich drücken ... und nicht mehr loslassen.

Die Konsequenz unseres Handelns war das Kreuz, an dem Jesus (für uns) starb.

“Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an”, sagt Jesus auch heute. Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das genau weiß, dass es sterben muß. Trotzdem weigert sich der Mensch oft bis zum letzten Moment, dies zu glauben, und steht dann gewöhnlich unvorbereitet da.  Gott will nicht, dass wir unvorbereitet weiter Leben; Gott will nicht, dass wir einmal unvorbereitet sterben.

Aber wir haben keinen Grund uns zu verkrampfen; Gott sorgt weiter für uns, allein, wir merken dies häufig gar nicht. Er ist meine Rettung, ich darf Ihm vertrauen (obwohl ich gelegent-lich / oder latent / oder stets das Gefühl habe, dass dieses Vertrauen  so oft enttäuscht wurde/wird). Um die Fülle des Lebens zu erfahren, können wir die Fülle unserer Wahrnehmungsfähigkeit ausnutzen.

Wir dürfen unsere Hoffnung, unseren Glauben, unsere Fantasie, unsere Träume einsetzen. Dabei hat der Gläubige vielleicht nur darauf zu achten, dass er sich nicht der Dinge bemächtigt, die nicht seine Sache sind, schließlich würde ihn das zerstören. Vielleicht haben hier viele unserer gescheiterten Hoffnungen ihren Ursprung; Gott entscheidet, wann es Zeit für den nächsten Schritt ist.

Und Gott geht häufig (immer ?) andere Wege.

Ende der 80er Jahre mußte John, er war bei der Marine beschäftigt, mit seinem Auto vor einer roten Ampel (in Washington) warten. Er unterhielt sich gerade mit seiner Beifahrerin, als er mitten im Satz von dem knirschenden Geräusch berstenden Metalls unterbrochen wurde. Ein anderer Wagen war mit hoher Geschwindigkeit von hinten aufgeprallt. John wurde wurde gegen das Lenkrad geschleudert, und sein Körper verkeilte sich mit dem Armaturenbrett. Um ihn herum wurde es dunkel.
Einen Augenblick später schwebte er einem Licht entgegen, an Helligkeit mit einem strahlenden Sonnenaufgang vergleichbar, während er auf den Unfallort hinunterschaute ...  Er verspürte nicht mehr den leisesten Wunsch, wieder in den leblosen Körper in jenem Autowrack zurückzukehren.

Hier sein Bericht:
“Ich flog mit dem Kopf voran durch einen dunklen Tunnel, schneller und immer schneller, dem schimmernden Licht entgegen, das, wie ich fest glaubte, ‘Er’ war ... Innerhalb dieses Lichtes sah ich eine himmlische Stadt, wie ein Schloß in den Wolken. Die Straßen aus durchscheinendem Gold strahlten von dem Glanz, der die ganze Stadt erleuchtete ...
Ich wußte, ich war im Himmel; ja, den ‘Himmel’ gab es wirklich. Kurz darauf sah ich meinen Sohn, der vor einigen Jahren gestorben war. Er war in strahlendes Weiß gekleidet ... Dann erkannte ich andere, verstorbene Verwandte; einer von ihnen sagte mit einem vertrauten Augenzwinkern: ‘Du wirst wieder ganz gesund. Geh zurück ! Geh zurück ! Geh zurück !’
Meine verstorbenen Eltern stimmten in den Chor mit ein. Meine Mutter deutete mit der Hand auf das Licht und fragte: ‘Hast Du Ihn gesehen ?’ Voller Ehrfurcht erwiderte ich: ‘Ja.’
Hingerissen von der allgegenwärtigen Liebe und dem vollkommenen Frieden jenes Ortes, konnte ich mir nicht vorstellen, ihn je wieder verlassen zu müssen. Und doch wußte ich, daß es so war.
Meine Zeit war noch nicht gekommen. Der Schauplatz des Unfalls trat von neuem in mein Blickfeld. Ich hatte plötzlich ein Gefühl drückender Schwere, als wenn jemand ein  Stück Eisen auf mich gelegt hätte. Während ich in Richtung meines Körpers hinunterschwebte, wurde ich mir eines immer stärker werdenden Gefühls von Schmerzen bewußt.        Das schimmernde Licht der himmlischen Liebe löste sich langsam auf und wich einem harten, roten Blinklicht. Ich befand mich wieder in meinem Körper.”

Nachdem John aus dem Autowrack befreit, ins Krankenhaus gebracht und untersucht worden war, fühlte er sich ... ‘von Gott geheilt’. Die Krankenschwestern und erst recht die Ärzte lachten nur, als er ihnen verkündete, er werde noch am gleichen Tag völlig gesund nach Hause gehen. Doch so geschah es.

Liebe Gemeinde,
derartige persönliche Erlebnisse betreffs eines spezifisch christlichen Lebens nach dem Tod gibt es immer wieder.
Und es scheint so, dass beim klinischen Tod - anders als beim “Einheitsbrei” sogenannter Nahtodeserlebnisse (Tunnel + Licht) - ein starker fortlaufender Faden zu erkennen ist, eine bestimmte, sich wiederholende Abfolge (von Ereignissen), die durchaus zu analytischen Vergleichen berechtigt. Vielleicht hatte sogar Paulus  als er in Lystra von einer blutdürstigen Menschenmenge, die sich sowohl über seine Glaubensbotschaft als auch seine Wundertaten ärgerte (nachzulesen in 2.Timotheus 3,11), gesteinigt und wie tot liegengelassen wurde, eine ähnliche Erfahrung gemacht.  Paulus berichtet wohl davon in seinem Brief an die Korinther (nachzulesen in 2.Korinther 12,2-5): “Ich kenne jemand, einen Diener Christi, der vor vierzehn Jahren bis in den dritten Himmel entrückt wurde ...”

Allerdings gibt es auch gegenteilige, ja, regelrecht ‘höllische’ “Sterbeerfahrungen”.

Jedes echte Todeserlebnis von Christen prägt dagegen das Leben der Betroffenen so radikal, dass sie es einfach weitersagen müssen. Und so ein Erlebnis ist damit verbunden, dass diese Menschen die Angst vor dem Sterben verlieren und um so bewußter leben. Ihre Sehnsucht nach himmlischer Geborgenheit und Liebe wird zum Motor in ihrem irdischen Leben.

Natürlich ist das nicht der angezeigte Weg, um vielleicht Gott zu erleben ..., es ist nicht so, dass wir Christen schon zu Lebzeiten in das “Paradies” entrückt werden sollen, darum geht es hier nicht. Aber in diesen Worten steckt die Botschaft, dass “die Tore des Himmels”  für jeden Menschen, der bewußt in der Liebe lebt, weit offen stehen.

Vergleichen wir noch einmal (Jesaja, Kap. 12):

Und dann werden die Menschen sagen: “Denn meine Stärke und mein Lied ist der Herr. Er ist für mich zum Retter geworden.”

Und die Verheißung unseres Predigttextes wird sich erfüllen: "Ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude aus den Quellen des Heils.  An jenem Tag werdet ihr sagen: ‘Dankt dem Herrn ! Ruft seinen Namen an !’ Jauchzt und jubelt, ihr Bewohner von Zion, ihr Bewohner des Himmels ...”

Folgen wir der Stärke unserer wirklichen Sehnsucht !                    Amen.


  Predigt Lukas 18,35-43 (25. Februar 2001, Kopf in Sand stecken) Pfr. Zillmann
 

Liebe Gemeinde, der heutige Predigtext steht nicht im Lukas- oder Matthäusevangelium und nicht im Kapitel 18 oder 20. Es ist ein Text, der die Bibel auf den Kopf stellt und deshalb geht die Geschichte so:

drei AffenAls Jesus mit seinen Jüngern die Stadt Jericho verließ und die Scharen von Menschen ihm folgten, saßen drei Blinde am Weg, die schrien, als sie hörten, daß Jesus vorbeiging: "Herr, Sohn Davids, mach, daß du weiterkommst. Wir wollen nichts sehen und uns geht es gut so." Als die Menge das hörte, wurde sie froh und befahl den Blinden weiterzureden. Da schrien die drei noch lauter: "Herr, Sohn Davids, ziehe deine Wege und laß uns in Ruhe. Wir wollen dein Erbarmen nicht."

Jesus blieb unschlüssig stehen, rief die beiden zu sich und fragte: "Was ist mit euch los? Warum wollt ihr keine Hilfe?" Sie sagten: "Wir wollen nicht, daß unsere Augen sich öffnen. Wir brauchen keine Einsicht in diese häßliche Welt. Das würde unsere Ruhe stören."

Und Jesus hatte kein Mitleid und berührte ihre Augen nicht und die Blinden blieben da, wo sie waren und folgten ihm nicht nach.

Nun, liebe Gemeinde, manch einer kennt diese Erzählung in einer anderen Form, in der positiven Form, wo die Blinden nach Jesus schreien, weil sie endlich sehen wollen, was los ist. Weil sie erkennen wollen, wie es in der Welt so aussieht. Weil sie sich selber ein Bild machen wollen. In der Bibel geht ja auch alles seinen bekannten Weg. Den Blinden werden die Augen geöffnet und sie schließen sich daraufhin Jesus an.

Aber ich denke, von dieser wundervollen Ausnahme einmal abgesehen, es sieht in unserer Wirklichkeit anders aus. Den meisten von uns fällt es schwer, die Augen aufzumachen und dann zu sehen, wie die Wirklichkeit aussieht. Lieber stecken wir den Kopf in den Sand, denn vieles können wir nicht verkraften. Es beunruhigt uns. Es nimmt uns die Ruhe des Alltags. Und wenn wirklich einmal etwas Schreckliches passiert, dann müssen wir uns ja irgendwie aus unserer Schuld herausreden können. Und das geht am besten, wenn wir hinterher sagen können: "Das es so gekommen ist, das haben wir vorher ja nicht sehen können."

Wir belügen uns natürlich selbst. So viel, wie wir heute sehen können, haben Menschen vor uns noch nie gesehen. Jeder hat einen Fernseher und dieses Wort sagt es ja schon. Wir können in die Ferne sehen. Wir haben die Möglichkeit uns einen Überblick zu verschaffen, gewinnen Einblicke und wir wissen, was kommt, bevor es da ist.

Wir haben auch Autos und Geld, können umherreisen, nachprüfen, was auf den Ansichtskarten aus fremden Ländern abgebildet ist. Aber trotzdem. Wir sind ans Sehen gewöhnt, so daß selbst schon das Aufsehenerregenste mit der Zeit langweilig, gewöhnlich und selbstverständlich wird.

An einem Punkt sagen wir dann aber plötzlich: "Jetzt ist genug. Jetzt habe ich genug gesehen. Ich will meine Ruhe. Ich werde blind." Und da sind wir in der Situation, wie diese beiden Menschen in der Nähe von Jericho. Diese beiden Blinden, die sagen: "Wir wollen nichts sehen, laß uns in Ruhe  ..." und die auch deshalb Jesus nicht nachfolgen können.

Daß Jesus ihnen vielleicht helfen wird, die schrecklichen Bilder dieser Welt zu verstehen, daß er ihnen Kraft geben kann, mit dieser neuen und gefährlichen Unruhe zu leben, dazu fehlt ihnen von vornherein die Einsicht. Sie wollen auf jeden Fall blind bleiben. Sie meinen, das ist sicherer, als auf diesen Jesus zu setzten, der ihr gewohntes Leben durcheinander bringen kann.

Die Lebensgeschichte einer Frau, fällt mir dazu ein, die ich vor einigen Jahren kennengelernt hatte. Diese Frau konnte nach einem schweren Unfall nichts mehr sehen. Die Chancen standen sehr schlecht, daß eine Operation helfen würde und die Ärzte wollten den Versuch nicht wagen.
 

Viele Jahre war diese Frau blind und sie hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden, hatte ihr Leben danach eingerichtet und es ging ihr auch ganz gut. Die Medizin hatte sich aber weiterentwickelt. Eine neue Operationstechnik konnte vielleicht Hilfe bringen, konnte ihr Augenlicht vielleicht wieder gesund machen.

30 Jahre war diese Frau alt, damals als der Unfall passierte. Mittlerweile war die Zeit vergangen und sie ging auf die fünfzig zu. Und sie hatte Angst. Sie hatte Angst vor dieser Operation und nun nicht, weil etwas schief gehen konnte, sondern genau vor dem Gegenteil fürchtete sie sich. Sie hatte Angst, daß sie wieder sehen konnte. 

Vom Unfall waren häßliche Narben im Gesicht zurückgeblieben. Sie war älter geworden. Und wenn die Operation nun gelingt? Der erste Blick in den Spiegel, was würde sie sehen?

Die Frau versuchte die Operation hinauszuschieben. Sie erfand alle möglichen Gründe dazu und sie konnte auch mit niemandem so richtig darüber sprechen. Sie dachte: "Ein sehender Mensch kann einen blinden sowieso nicht verstehen."

In der Klinik kam sie dann mit einem Mann zusammen, der die neue Operation gut überstanden hatte. Und er sagte ihr: "Es ist schwer, wenn man wieder sehen kann, aber die Welt steht mir nun offen und ich bin frei geworden."

Die Frau wagte den Versuch. Die Operation glückte und sie wurde frei. Sie konnte sehen und einen neuen Lebensweg gehen, auch wenn der erste Blick in den Spiegel sehr schmerzhaft war.

 
 

Liebe Gemeinde, zurück zu unser falschen Bibel-geschichte, die beiden Blinden da in der Nähe von Jericho, die hatten auch Angst. Sie wollten in ihrer Ruhe nicht gestört werden. Es sollte alles beim alten bleiben. Sie hatten keine starken Nerven, um das wirkliche Bild dieser Welt zu verkraften. Und vor allen Dingen hatten sie kein Vertrauen, daß ihnen Jesus weiterhelfen würde. Sie waren eben, so sagen wir es heute, sie waren Kleingläubig.

Ihr Glaube reichte nur von der Hand in den Mund, denn das war ihre blinde Welt, von der Hand in den Mund. Wenn sie genug zu essen hatten, wenn sie warm gekleidet waren, dann war ihre Welt in Ordnung. Und sie wollten nicht sehen, das Elend der anderen Menschen. Sie wollten nicht belästigt werden mit den Problemen von Fremden. Und sie wollten keine Antwort geben müssen, wenn die anderen geschrien hätten: Warum helft ihr uns nicht.

Und Jesus hatte kein Mitleid und berührte ihre Augen nicht und die Blinden blieben da, wo sie waren und folgten ihm nicht nach.

Ich möchte Ihnen jetzt den richtigen Bibeltext vorlesen. Vielleicht ist er durch die anfangs erzählte Gegendarstellung, jetzt deutlicher zu verstehen. Die wahre Geschichte mit Jesus geht so:

Als sie Jericho verließen und die Scharen von Menschen ihm folgten, saßen zwei Blinde am Wege. Die schrien, als sie hörten, daß Jesus vorbeiging: Herr, Sohn Davids! Hab Erbarmen mit uns! Aber die Menschen wurden zornig und befahlen ihnen zu schweigen. Da schrien die beiden noch lauter: Herr, Sohn Davids! Hab Erbarmen mit uns! Und Jesus blieb stehen, rief die beiden zu sich und fragte: Was soll ich tun? Was wollt ihr von mir? Sie sagten: Wir wollen, daß unsere Augen sich öffnen. Und Jesus hatte Mitleid und berührte die Augen. Da blickten die Blinden auf und folgten ihm nach. (Mt 20,29-34)

Liebe Gemeinde, wir sollten immer wieder in unserem Leben versuchen, uns diese Bitte der Blinden zu eigen zu machen, uns dieser Bitte anzuschließen und sie auszusprechen: "Herr, wir wollen, daß unsere Augen sich öffnen." Und wenn wir diesen ersten Schritt gemacht haben, dann wird Jesus Christus uns weiterführen, - bei uns sein -, durch die Höhen und Tiefen unseres Lebens.

Es hat natürlich seinen Vorteil, wenn man blind ist und wenn man das Schlechte in der Welt nicht sehen muß. Aber es hat auch einen ganz entscheidenden Nachteil. Das Gute in der Welt und das Gute in unserem eigenen Leben, das können wir dann nämlich auch nicht sehen.

Wer die Augen vor der Wirklichkeit verschließt, kann sich sein Leben schönreden. Vor Krankheit und Tod werden die Augen geschlossen, bei Versagen und Schuld wird weggeguckt. Und das gute im Leben, das wirklich gute, daß wir ja auch tagtäglich erfahren, das wird zur Gewohnheit, zur Selbstverständlichkeit und wir bemerken es kaum noch.

Jesus Christus möchte uns Menschen, mit seinem Leben und mit seinem Vorbild aus diesem Dilemma heraushelfen. Das ist für mich eigentlich die Kernaussage dieser Wundergeschichte. Er möchte, daß unsere Augen offen und wachsam sind, um die Wahrheit zu erkennen, das Gute und das Schlechte in dieser Welt und in unserem ganz persönlichen Leben zu sehen und  - anzunehmen.

Und wenn wir das können und wollen, dann werden wir auch das Gute vom Schlechten unterscheiden können. Dann werden wir Maßstäbe finden, die uns das Gute tun lassen und uns vor dem Schlechtem bewahren. Er ist dann sinnbildlich an unserer Seite und er gibt uns mit seiner Lehre Hilfe dazu.

Dann sind wir nicht mehr kleingläubig, müssen nicht mehr egoistisch sein, sondern können offen sein für das was kommt und das was nicht kommt.

Abschließend noch ein bekannter Ausspruch von Jesus: Das sage ich euch, damit ihr in mir Frieden habt. sagte er, In der Welt habt ihr Angst, aber beunruhigt euch nicht. Ich habe die Welt überwunden. (Jh 16,33) Und    wenn ihr bei dem bleibt, was ich euch gesagt habe, seid ihr wahrhaftig meine Freunde und werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen. (Jh 8,31).
Amen


  Predigt Jes. 1,1-13    Berufung   Pfr. Braukmann
 

Neulich laß ich folgendes Stellenangebot: "Suchen ltd. Mitarbeiter mit Verkaufserfahrung für ein Unternehmen, das in seinem Bereich unangefochtener Marktführer ist."

Wir erwarten:
- Verkaufserfahrung
- Konfliktfreudigkeit
- Mißerfolgsstabilität bei garantiertem Mißerfolg
- nicht demotivierbar
- aus großbürgerlichen Verhältnissen
- Fähigkeit zur Vermarktung eines Produktes, das niemand will
- Rechenschaftspflicht direkt gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden

Wir bieten:
- Lebensstellung

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist zwar schwierig, aber wer würde sich schon auf solch eine Stelle bewerben?
Ich habe dies „Stellenanzeige“ übrigens nicht in der FAZ/Manager Magazin/Tagesspiegel gefunden, sondern im Buch des Propheten Jesaja.

Jesaja berichtet über seine Berufung zum Propheten Textlesung: Jes. 6,1-13 (GN)

1 Es war in dem Jahr, als König Usija starb. Da sah ich den Herrn; er saß auf einem sehr hohen Thron. Der Saum seines Mantels füllte den ganzen Tempel.
2 Er war umgeben von mächtigen Engeln. Jeder von ihnen hatte sechs Flügel; mit zweien bedeckte er sein Gesicht, mit zweien den Leib, zwei hatte er zum Fliegen.
3 Die Engel riefen einander zu:
»Heilig, heilig, heilig ist der HERR,
der Herrscher der Welt, die ganze Erde bezeugt seine Macht!«
4 Von ihrem Rufen bebten die Fundamente des Tempels, und das Haus füllte sich mit Rauch.
5 Vor Angst schrie ich auf: »Ich bin verloren! Ich bin unwürdig, den HERRN zu preisen, und lebe unter einem Volk, das genauso unwürdig ist. Und ich habe den König gesehen, den Herrscher der Welt!«
6 Da kam einer der mächtigen Engel zu mir geflogen. Er hatte eine glühende Kohle, die er mit der Zange vom Altar genommen hatte.
7 Damit berührte er meinen Mund und sagte: »Die Glut hat deine Lippen berührt. Jetzt bist du von deiner Schuld befreit, deine Sünde ist dir vergeben.«
8 Dann hörte ich, wie der Herr sagte: »Wen soll ich senden? Wer ist bereit, unser Bote zu sein?«
Ich antwortete: »Ich bin bereit, sende mich!«
9 Da sagte er: »Geh und sag zu diesem Volk: 'Hört nur zu, ihr versteht doch nichts; seht hin, soviel ihr wollt, ihr erkennt doch nichts!'
10 Rede zu ihnen, damit ihre Herzen verstockt werden, ihre Ohren verschlossen und ihre Augen verklebt, so daß sie mit ihren Augen nicht sehen, mit ihren Ohren nicht hören und mit ihrem Verstand nicht erkennen. Ich will nicht, daß sie zu mir umkehren und geheilt werden.«
11 »Wie lange soll das dauern, Herr?« fragte ich.
Der HERR antwortete: »Bis die Städte zerstört sind und die Häuser leerstehen und das ganze Land zur Wüste geworden ist.
12 Ich werde die Menschen fortschaffen, und das Land wird leer und verlassen sein.
13 Und ist noch ein Zehntel übrig, so wird es ihnen gehen wie den Trieben, die aus dem Stumpf einer gefällten Eiche oder Terebinthe wachsen: sie werden abgefressen!«
Der Stumpf aber bleibt, und aus dem Stumpf wird neues Leben sprossen zu Gottes Ehre.
 

I. Dem Heiligen begegnen

Jesaja, ein frommer, gebildeter, heiliger Mann seines Volkes, aus besten Verhältnissen stammend begegnet unvermittelt dem lebendigen Gott. Nicht so wie andere Menschen vor ihm auch schon: heimlich, still und leise.
Jesaja hat eine Vision.Eine Vision, mehr als einen Traum. Und in dieser Vision sieht Jesaja Gottes Realität von Angesicht zu Angesicht. Dabei ist Jesaja kein religiöser Phantast, kein Spinner, der jetzt eben auch noch träum Gott selbst begegnet zu sein.
Nein, er steht mit beiden Beinen fest im Leben. Und aus eben dieser Sicherheit reiß ihn die Begegnung mit Gott heraus.

Heilig, Heilig, Heilig!
So hört Jesaja die Engel im Himmel den heiligen Gott anbeten.
Heilig,Heilig,Heilig, daß ist nicht irgendein Anbetungslied, nicht ein beliebig austauschbarer himmlischer Dauerbrenner.
In diesem dreimal heilig wird Gott als der unaussprechlich heilige Herr angebetet. Und weil dieser gewaltige Unterschied zwischen Gott und den Wesen, die ER geschaffen hat, den Engeln und erst recht den Menschen, nicht zu beschreiben, nicht zu formulieren ist,  deshalb fassen es sogar die Engel im Himmel zusammen in den Heilig, Heilig, Heilig! So wie der Schall des Lobes Gottes zu uns Menschen durchdringt sind wir mit eingeladen, ja aufgefordert, in dem himmlischen Lobgesang Gottes, des Gottes Israels und des Vaters unseres Herrn Jesus Christus mit einzustimmen. Wenn wir das tun stellen wir uns vereint mit den Engeln im Himmel an den Thron Gottes vor sein Angesicht, um Ihm allein die Ehre zu geben.

Vor diesem Angesicht des Heiligen Gottes bekennt Jesaja:
„Wehe mir ich vergehe.“
Da, wo Menschen Gott begegnen, da wo Gott Menschen begegnet, da stehen sich radikal Heiligkeit und Unvollkommenheit gegenüber. Aber darin beläßt uns Gott nicht. Nicht so wie manche Menschen sind, die andere klein und gering halten müssen, um selber heller zu strahlen. In der Begegnung mit Gott beseitigt Er die unüberbrückbare Distanz. ER, Gott, der Heilige, vergibt uns wendet sich uns zu, und schafft so selbst die Voraussetzung zu einer dauerhaften Beziehung.

Heilig, Heilig, Heilig!
Gott ist uns meist viel näher als der liebende Vater, als der gute Hirte, der Freund...., alle diese Gottesvorstellungen gelten nach wie vor, denn Gott stellt sich uns so vor, aber, das Heilig, Heilig, Heilig, ruft uns auch die Realität Gottes als des ganz Anderen, des Unaussprechlichen in Erinnerung, und mahnt uns so Gott nicht auf die Größe eines Übermenschen zu reduzieren.

Im Namen dieses heiligen Gottes haben wir Beate vorhin gesegnet, diesem unvergleichlichen Gott haben wir sie ans Herz gelegt. Das ist nicht nur ein schönes Ritual, daß zur Rechtfertigung einer Familienfeier herhalten muß, es verändert, es prägt eine Lebensrealität. Beate begegnet darin dem Heiligen Gott selbst.
 

II. Der Bote und seine Botschaft

„Wen soll ich senden?“ Gottes Frage ist nicht nur eine rethorische Frage! Gott beruft, aber er zwingt nicht! Gottes Berufung kann unausweichlich sein, immer wieder auf den Plan treten, aber Gott schleppt keinen Menschen in Ketten hinter sich her.

„Hier bin ich, sende mich!“ so antwortet Jesaja selbst auf die Frage Gottes. Ob er sich zu diesem Auftrag gemeldet hätte, wenn er gewußt hätte von welcher Art seine Botschaft sein würde? Eine müßige Frage - Jesaja nimmt den Auftrag an im Vertrauen auf die Aus- und Zurüstung Gottes.

Aber eine Frage drängt sich an dieser Stelle doch auf:  Warum sendet Gott überhaupt einen Botschafter los, wenn er doch von vorne herein genau weiß: Keiner wird auf ihn hören, der Ruf zur Umkehr wird verhallen, dem Gebot „Ich bin der Herr dein Gott“ wird keine Rechnung mehr getragen. Warum also? Vielleicht deshalb weil Gott zwar die besserwisserische Verstocktheit unserer Herzen kennt, Er aber nicht schuldig werden will und kann, indem Er uns den Ruf zur Umkehr vorenthält.

Eine andere Frage kann man auch an den Inhalt der Botschaft stellen. Kann der, der eine solche Botschaft verkünden läßt und sie dann auch noch Realität werden läßt, überhaupt heilig sein? Ja, so versuche ich zu antworten, Er kann sein Gericht verkünden, gerade weil er der Heilige ist. Gott ist Gott und der Mensch ist Mensch, Er ist der Schöpfer wir seine Geschöpfe, machen wir nicht den Fehler Gott nach unseren menschlichen Vorstellungen beurteilen zu wollen. Wir können sein Handeln eben oft nicht einmal verstehen, geschweige denn beurteilen. „Wer bist du Mensch...“

Die Berufung Gottes an einen Menschen, Gericht zu verkünden ist in diesem Maß höchst selten. Und Gott spricht diese Berufung in prägnanter Weise persönlich aus. Wer sich also darin gefällt Bote des Gerichtes zu sein, der muß sich fragen lassen, ob dies denn auch seine konkrete Berufung ist und nicht nur ein Weg persönlicher Wut über unerträgliche Umstände Ausdruck zu verleihen. Ein Botschafter des Evangeliums wird das Gericht Gottes nicht verschweigen, aber da ist das Hauptthema die Frohe-Botschaft und nicht die Droh-Botschaft.

III. Herr wie lange?

Jesaja gefällt sich nicht in dieser Rolle, er findet keinen Gefallen am Untergang, wird nicht zum „Todesengel“. Er leidet als Bote mit den Empfängern der Botschaft. Die Nachricht, die er an das Volk Gottes zu überbringen hat ist nahezu unaussprechlich,
aber die Realität zu der sie wird steht ihr in nichts nach! Da wo Jesaja fragt: Herr wie lange?
Bin ich versucht zu fragen: Herr, warum?

Ich verstehe nicht warum Gott so handelt, aber ich spüre, ich muß es auch nicht verstehen, kann es vielleicht gar nicht. Die Heiligkeit Gottes macht mich nicht mundtot, lehrt mich aber zu vertrauen, auch  angesichts des Unaussprechlichen.
Ich glaube, d.h. ich bin überzeugt: Hier regiert nicht diktatorische Willkür, hier regiert das Recht, Gottes Recht.
„Herr, wie lange?“

Gott gibt uns das Recht zu fragen, er gibt uns das Recht zu klagen. Gott läßt sich von uns Menschen fragen, erlaubt uns ihn zu hinterfragen, weil er den Dialog mit uns will nicht einen erbarmungslosen Gehorsam.

Eine christliche Predigt über dieses Wort, noch dazu eine deutsche Predigt darf, so finde ich, zweierlei nicht verschweigen:
Sie darf nicht verschweigen, daß es eine Versuchung gibt eigenes zerstörerisches Handeln mit der Legitimation Gottes zu versehen und damit an der Heiligkeit Gottes und seines Willens schuldig zu werden. Gottes Arm ist lang genug, er braucht keine verlängerten Arme. Zweitens darf nicht verschwiegen werden, daß es die Versuchung gibt fehlende persönliche Courage, Mut und Widerstand hinter der Frage zu verstecken: Hat nicht Gott selbst die Vernichtung seines Volkes beschlossen und wir tun oder dulden doch nur sein Werk?
Hüten wir uns vor diesen Versuchungen!

Die Berufung Jesajas als Prophet des Gerichtes Gottes über sein Volk wird uns wohl immer ein Stück fremd bleiben.
Und doch handelt Gott durch diese Berufung ernsthaft und real. Jesaja empfängt seinen unaussprechlichen Auftrag direkt aus dem Mund des heiligen Gottes und übermittelt uns so ein Hauch des Heilig, Heilig, Heilig.

Und das fordert uns dazu auf Gott nicht klein zu machen, ihn nicht zu reduzieren auf Menschenmaß zu reduzieren. Denn man kann Gott auch deshalb nicht verstehen, weil man ihn nicht als Gott ernst nimmt. Lassen wir uns mit hineinnehmen in die Anbetung vor der Heiligkeit Gottes wenn wir als christliche Gemeinde im Gottesdienst das dreimal Heilig singen, denn es ist nicht nur ein Teil irgendeiner alten Liturgie: die Engel im Himmel singen es uns vor.

Schließlich bleibt noch die eindringliche Frage: „Herr, wie lange?“, die uns bis in diesen Gottesdienst hinein wissen läßt:
Gottes Gericht ist schrecklich, aber es ist nicht hoffnungslos nicht endlos. Wer würde den heiligen Gott denn ernsthaft fragen wollen: Herr wie lange willst du uns noch lieben?
Sein Zorn ist begrenzt, seine Liebe und Barmherzigkeit ist ewig!


  Monatsspruch Lukas 10,27 (Februar 2001, Gebot der Liebe) Pfr. Beermann
 

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und aus ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.

Liebe Lesergemeinde, mit dem im Monatsspruch für Februar genannten wichtigen Gebot will Gott uns zeigen, wie sehr er uns liebt und für sich beansprucht. In unserer Liebe, unserer Hingabe, unserem Vertrauen, in allem sollte eine durchsichtige Auslieferung unserer selbst an den Willen und den Dienst Gottes zum Ausdruck kommen.

Von ganzem Herzen - mit unserem Sehnen, unseren Gefühlen; von ganzer Seele - mit unserem Lebenseifer, mit unserem Willen; mit all unserer Kraft - mit unserer ganzen Hingabe; mit all unseren Gedanken sollen wir uns Gott nahen: über diese Liebesfähigkeit kommen wir zum Leben - zu einem sehr viel breiteren, tieferen, höheren Leben.

Sicher, zu lieben, wie es uns dieses Gebot sagt, ist ein Wagnis von einer ganz besonderen Art. Nicht wenige Menschen haben Angst vor ihrer Sehnsucht und Liebe, weil sie sie wie eine elementare Kraft erleben, der sie schließlich ausgeliefert sind. Vielleicht empfinden wir alle ähnlich, wir haben eine gewisse Scheu davor, dass diese Gefühle etwas mit uns machen könnten, was wir nicht wollen. Oder wir haben Angst vor Mißbrauch. Gottes Liebe aber macht nicht blind, sondern sehend.

Wir sehen tiefer als es die äußeren Umstände zulassen, wir lassen uns nicht blenden und brauchen auch keine dickeren Brillengläser. Wir werden zur Liebe aufgefordert, und indem wir uns intensiver hineinbegeben in diese Liebe, nehmen wir uns aus der oberflächlichen Ordnung unseres Lebens heraus. Wir brauchen diese starken Gefühle, um einen Weg aus uns selbst heraus zu finden, zu Gott und zum anderen hin. Auch brauchen wir diese Liebe, die Seiten in uns selbst kennen zu lernen, die wir allein nicht entdecken würden. Wir haben ein Innenleben, an das wir selbst nur schwer herankommen. Ein Beispiel dafür ist, dass wir uns zuweilen in eine Seite eines anderen verlieben, die eine verborgene Seite von uns selbst ist, wir davon aber nichts wissen.

Die Liebe hat ein unglaublich spannendes und erfinderisches Wesen. Gott erwartet viel von uns, er erwartet unsere vollkommene Hingabe. Je mehr wir uns ausliefern, desto stärker wird die verwandelnde Wirkung sein, die dann von unserem Leben ausgeht.

Die Gesetze der Logik und des Verstandes beherrschen nicht mehr alles, Wunder sind wieder möglich. Wir haben verborgene Schätze in uns. Durch das Gebot der Liebe kann Gott diese Schätze in uns ans Licht bringen. Wir leben nicht umsonst und jede Tat unserer Liebe wird ein Stück neues Leben möglich machen. Aus einer Verletzbarkeit entsteht Nähe, nach der sich alle Menschen sehnen.

Das eigentliche Geheimnis des Lebens ist die Liebe, und solange wir auf dem Weg der Liebe bleiben , sind wir - in jeder Hinsicht - in Sicherheit, wir erleben wahrhaft Geborgenheit.

Ihr  Meinhard Beermann


  Jahreslosung 2001 (Weisheit und Erkenntnis) Pfr. Zillmann
 

In Christus liegen verborgen alle Schätze
der Weisheit und der Erkenntnis.
(Kolosser 2,3)

Liebe Lesergemeinde, die im Jahresspruch verwendeten Worte Weisheit und Erkenntnis sind gute Worte, sie sind wie Gold und Edelstein. Niemand möchte darum von anderen als unreif oder dumm bezeichnet werden. Weisheit und Erkenntnis fallen uns aber nicht von alleine zu. Sie sind eben Schätze, die scheinbar erst gehoben werden wollen.  Aber können wir erfolgreiche Schatzsucher sein, indem wir mühselig und fleißig Wissen ansammeln und dann sagen: "Ich bin nun weise." ?

SchatzsucheIm Alten Testament fragt schon Hiob: "Wo ist ihr Ort? Wo kommt die Weisheit her? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt?" Und nach langem Grübeln und schweren Schicksalsschlägen in seinem Leben, sagt er dann: "Nur Gott, sonst niemand, kennt den Weg zu ihr. Er ganz allein weiß, wo die Weisheit wohnt."

Diese Überlegung ist umstritten. Gerade in einer Zeit, in der mit Mikroskop und Fernrohr, mit wissenschaftlichen Theorien und Computerprogrammen, nach den Edelsteinen der Weisen gesucht wird, entrüstet sich mancher:  "Ich lass mir beim Schatzsuchen doch nicht die Landkarte stehlen und die Schippe aus der Hand nehmen. Selbst ist der emanzipierte Mann und die emanzipierte Frau – emanzipiert von Gott!"

Diese Befreiung und Unabhängigkeit ist aber oft Hochmut und der wissenschaftliche Kollaps folgt auf dem Fuß. Moderne Beispiele kennt jeder. Die Alten hatten ihren Turmbau zu Babel und es folgte der Schluß: "Den HERRN ernst nehmen ist der Anfang aller Erkenntnis. Wer ihn missachtet, verachtet auch Weisheit und Lebensklugheit."

Wir plagen uns im alltäglichen Leben nun nicht mit Erkenntnistheorien herum, aber wir wollen doch wissen, was für unser persönliches Leben wichtig ist, wie es gut wird, wie es sinnvoll bleiben kann. Eine Antwort liegt im Jahresspruch. Lebensklugheit liegt bei Jesus Christus – in seiner Menschlichkeit – in seiner Größe.

Es macht natürlich Mühe, diesen oft verborgenen Schatz zu heben und dann auch noch auf sein eigenes Leben anzuwenden. Aber wenn es ge-lingt, dann können wir mit einfachen biblischen Worten sagen: Den HERRN stets ernst zu nehmen, das ist Weisheit. Und alles Unrecht meiden, das ist Einsicht.      Ihr Pfarrer Zillmann


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