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PageAutor: Pfarrer Zillmann
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Jahreslosung 2002 (Heilig Abend -
Vertrauen)
24.12.01 Pfr. Zillmann
Liebe Gemeinde, spätestens wenn die Weihnachtszeit da
ist, die
Tage lang und länger werden, wenn die Lichter im Dunkeln glitzern,
und wenn alle emsig mit Einkaufen und Vorbereitungen zu tun haben,
spätestens
zur Weihnachtszeit wissen wir: Es ist wieder ein ganzes Jahr, ein
ganzes
Lebensjahr vergangen. Und wir wundern uns immer wieder, wie die
Zeit
so vergeht. Was wollte ich nicht noch alles machen? Was habe ich mir
nicht
alles vorgenommen. Wollten wir nicht etwas ganz wichtiges erledigen –
in
diesem Jahr? Und nun? Die Zeit ist vergangen - ganz plötzlich -
das
Jahr ist vorbei wie ein Windhauch, so scheint es.
Alle Jahre wieder – ist das so. Und je Älter man wird,
um so schneller scheint
die Zeit zu rennen. Und dann hat man auch immer wieder das
Gefühl,
dass dieses Jahr besonders wichtig war. Ist nicht gerade in den letzten
12 Monaten außergewöhnlich viel passiert? Im persönlichen
Leben: Ich bin wieder ein Stück gewachsen, wieder älter
geworden,
noch eine Krankheit ist dazu gekommen, Geld verloren – Geld gewonnen.
Ist
nicht viel passiert - in der Familie, in der Schule, auf der
Arbeit,
bei den Nachbarn? Neue Menschen kennengelernt, alte verloren oder
weggestorben,
Liebe und Hass, Glück und Unglück – Jeder von uns könnte
da jetzt viel erzählen. Und in der großen weiten Welt
– waren nicht die Katastrophen der letzten Monate besonders
schrecklich,
die Kriege besonders gefährlich und die Weltsituation gerade in
diesem
Jahr außerordentlich bedenklich?
Liebe Gemeinde, "Alle Jahre wieder..." könnte man
sagen.
Zu Weihnachten stellt sich oft und regelmäßig solch eine
komische
Stimmung ein, eine Mischung von rührseliger Freude und tiefer
Traurigkeit.
Das Leben ist schön, aber ich glaube die Welt geht unter. Wer kann
mir jetzt helfen?
In diese Stimmung kommt nun die Weihnachtsbotschaft hinein.
Etwas fromm
natürlich, abstrakt und theologisch, Worte aus alten Büchern
und Zeiten: "Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen;"
heißt
es dort "er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt. Dieses
Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind." (Lk 1,78-79a)
Nun, wer im Dunkeln sitzt, freut sich über ein Licht.
Das ist klar.
Wer alles dunkel und grau sieht, dem kann ein kleiner Farbtupfer das
Leben
verschönern. Und wer depressiv in die Zukunft blickt, der braucht
einen Hoffnungsschimmer, um nicht vollkommen zu verzagen, der braucht
einen
Anker, an dem er Halt findet. Wenn es einem gut geht, dann vergessen
wir
schnell die schlechten Tage, die da waren und noch kommen werden. Aber
wenn es uns schlecht geht, dann tun wir ganz erstaunt und lamentieren:
"Das hätte ich nicht gedacht, warum gerade ich?"
Wenn die Zeiten sich wenden, und die Weihnachtszeit und der
Jahreswechsel
ist so eine Zeit, wenn die Zeiten sich wenden, dann stoßen Gegensätze
aufeinander,
zwei Gefühle vielleicht und ringen darum, ausgelebt zu werden.
Freude
und Traurigkeit, zum Beispiel – Unruhe in der Seele und Frieden im
Herzen
gleichzeitig, Neid und Genügsamkeit, Lachen und Weinen in der
selben
Minute. Der Blick geht zurück und er geht nach vorne. Und die Weihnachtsbotschaft
sagt jetzt klar: Hinten ist es dunkel und vorne ist
es
hell.
"Nun, eine schöne Botschaft." mag mancher sagen "Sie
ist vielleicht
heute einleuchtend, aber was ist morgen, im Alltag, im kommenden Jahr
2002,
wenn die Gefühle geschmolzen sind, wie der letzte Schnee des
Winters?"
Liebe Gemeinde, die Jahreslosung für das
nächste
Jahr ergänzt an dieser Stelle die Weihnachtsbotschaft gut und
deshalb
möchte ich auch beide Texte hier in einen Zusammenhang bringen.
Der biblische Spruch, und diesem Spruch werden sie im
nächsten
Jahr noch öfters begegnen, der biblische Spruch für das Jahr
2002 lautet: "Ja, GOTT ist meine Rettung; IHM will ich vertrauen
und
niemals verzagen." (Jes 12,2) "Nun, eine schöne Botschaft."
mag
mancher wiederum sagen "Gottvertrauen. Alles klar. Schön wäre
es ja." Und dann höre ich im Unterton einen wichtigen,
lässigen
Satz: "Wer's glaubt, wird selig."
Ja, genau das ist es. Das meint der Jahresspruch. In diesem
ständigen
Zweifel unserer Vernunft, in diesem ständigen Zwiespalt der
Gefühle,
sind wir innerlich aufgewühlt, hin und hergerissen. "Wer's glaubt,
wird selig." Das schafft jetzt das Vertrauen, das Licht im Dunkeln zu
seh'n,
das Ende des Tunnels zu erkennen.
Liebe Gemeinde, so was kann man natürlich nicht
erklären
und ich möchte ihnen da nichts aufschwatzen, denn dieser Glaube
wird
einem geschenkt und nicht erklärt, geschenkt und nicht bewiesen,
geschenkt
wird der Glaube durch Geist. Entweder man glaubt oder man glaubt nicht.
Das ist ganz einfach.
Unsere Zeit liegt nun, - wenn man denn glaubt – unsere
Zeit liegt
in Gottes Händen, Unser Leben ist aufgehoben in seiner
Ewigkeit.
Das allein schafft Vertrauen für die Zukunft, die auch ein
Stückchen
was von Ewigkeit enthält. Und dann ist das vergangene Jahr
plötzlich
ein ganz normales Jahr gewesen. Alle Jahre wieder, immer das gleiche.
Das
vergangene Jahr war nicht das wichtigste. Und die Zeit rennt auch nicht
schneller als sonst. Ein kindliches Gemüt müsste man haben,
dann
lebt man immer im hier und jetzt und kann sich seines Lebens freuen.
In diesem Sinn möchte ich Ihnen noch eine kleine
Geschichte
mitgeben in das Weihnachtsfest und in das neue Jahr - eine Geschichte
vom
Vertrauen und Nicht-Zweifeln:
Stellen Sie sich einen Weihnachtsmarkt vor.
Über den Marktplatz
ist ein Hochseil gespannt. Und der Platz ist voller Menschen, die dicht
zusammengedrängt stehen, um das Kunststück zu sehen.
Denn jetzt balanciert ein Hochseil-Artist
über
das Seil:
Ohne Netz und mindestens zehn Meter über dem harten Boden schiebt
er eine Schubkarre durch den Himmel. Klein wirkt er so weit da oben und
mit der Karre etwas komisch - aber man sieht ihn lächeln, doch
niemand
lächelt zurück. Still staunt die Menschenmenge auf dem
Marktplatz.
Schritt für Schritt geht der Artist auf seinem schmalen Weg.
Manchmal
macht er eine kleine Pause; dann geht es weiter. Endlich erreicht er
das
Ende des Seils: Begeisterter Applaus bricht aus; das Seil schwankt ein
wenig.
Schnell macht sich der Artist auf den Rückweg - und
erreicht wieder
sein Ziel: Der ganze Platz jubelt. “Zugabe!”, rufen die Zuschauer,
“noch
einmal, bitte.”
Da gibt der Artist ein Zeichen, und die Menge verstummt.
“Wer von euch
kommt mit?" fragt der Artist, “wen darf ich in meiner Karre über
das
Seil fahren?” Niemand antwortet; der Marktplatz
bleibt
still, sehr still.
Dann hört man eine Kinderstimme: “Ich komme mit”; Ein
kleiner Junge
klettert aufs Seil und setzt sich in die Karre. Die Fahrt beginnt: erst
hin - und dann auch wieder zurück.
Als das Kind aus der Karre klettert, zögert die Menge
ein wenig,
aber dann dröhnt der Applaus noch lauter über den Platz. Und
alle stürzen sich mit ihren Fragen auf das Kind: “Warum hast du da
mitgemacht? Wie konntest du das wagen?”
Das Kind antwortet: “Ja, was habt ihr denn geglaubt? Der da oben
ist doch mein Vater!”
Nun - Liebe Gemeinde, ich wünsche allen ein gesegnetes
Weihnachtsfest mit dem Spruch der Jahreslosung:
"Gott ist meine Rettung; ihm will ich vertrauen und
niemals verzagen."
(Jes 12,2)
AMEN
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Monatsspruch 2. Thess 3, 3 (Der Herr ist
treu!)
01.12.01 Pfr. Rochusch
Der Herr ist treu; er wird euch
Kraft
geben und euch vor dem Bösen bewahren.
Diese Zusage Gottes, die der Apostel Paulus den
Christen in Saloniki
brieflich mitteilte, gilt auch heute, und Sie können in der
Advents- und Weihnachtszeit diese Zusage erfahren. Gott ist treu und
hat
seine Treue zu uns Menschen gerade in dem Geschehen der Geburt seines
Sohnes
Jesus Christus bewiesen.
In der Geschichte des Volkes Israel, aufgezeichnet im Alten
Testament,
wird immer wieder der Glaube geäußert, dass Gott sich mit
dem
schuldigen Verhalten eines ungehorsamen Volkes auseinandersetzen muss
und
trotz aller Strafmaßnahmen erkennen muss, dass eine
grundsätzliche
Änderung, und das heißt ein praktizierter Glaube in
Gottesdienst
und Lebensgemeinschaft, nicht möglich ist. Trotzdem erwiese Gott
sich
als treu in seiner Liebe zu seinem Volk.
Und so ist auch die Geburt Jesu Christi als ein
neuer und, wie
wir Christen nun glauben, letzter und höchster Versuch Gottes
anzusehen,
alle Menschen zum Glauben und zum richtigen Handeln aus Glauben
einzuladen.
Wieder hat er seine Treue seinen Menschen gegenüber offenbar
gemacht:
Ein Kind kommt zur Welt in Armut und Gott bekennt sich zu ihm,
erklärt
es als seinen Sohn und begleitet ihn in besonderer Weise durch sein
Leben.
Alles wird zur Offenbarung der Liebe und Treue Gottes. Jesus Christus
wird
zum Muster für unser Handeln in der Nachfolge des Glaubens.
Und Schließlich wird der Kreuzestod Jesu zum
unwiderruflichen
Zeugnis der Vergebungskraft Gottes für alle Schuld aller Menschen
und die Auferstehung Jesu zum Inhalt der Hoffnung menschlichen Lebens.
Gott blieb sich treu in seiner Liebe zu uns Menschen.
Wenn wir das Glauben können, wenn wir uns um diese Glaubensinhalte
in
unseren Gedanken bemühen, dann werden wir schon spüren, dass
wir Kraft bekommen, dass wir vor dem Bösen bewahrt werden. Wir
werden
Kraft bekommen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die mit dem
Willen
Gottes für uns Menschen und uns persönlich
übereinstimmen.
Wir werden Wege finden und gehen können, die uns helfen,
glücklich
zu sein. Wir werden Liebe üben können, wo wir bisher
unfähig
dazu waren. Wir werden helfen können, weil wir die Not sehen und
die
Kräfte in uns spüren.
Die guten Gedanken des Glaubens bewahren uns auch vor dem
Bösen,
weil wir wissen, was das Böse in der jeweiligen Situation ist. Es
gibt zwar immer wieder dieses seltsame Gerede davon, dass es
„SonntagsChristen“
gäbe, die am Sonntag im Gottesdienst sitzen, in der Woche aber mit
ihren Nachbarn im Streit liegen. Aber ich glaube nicht daran. Vielmehr
bemerke ich erfreulicherweise immer wieder, dass glaubende Menschen
auch
ethisch gute Menschen sind, Vorbilder im Handeln, ehrlich,
aufrichtig,
zuverlässig. Wer um die Liebe Gottes weiß, der weiß
eben
auch um das Böse, das er vermeidet. Und wer die Treue Gottes
kennt,
ahnt auch, was Untreue als zerstörende Kraft bedeuten kann und
weiß
sie zu vermeiden.
Mit den Gedanken dieser Weihnachtszeit, mit allen
Symbolen, die
wir für die Botschaft von Jesus Christus aufrichten, mit allen
Erfahrungen
der Liebe - besonders in der Familie -, mit den Geschenken und dem
Glücklich
sein, mit allem, was uns an die Treue Gottes erinnert, werden wir dann
in das neue Jahr gehen. Dann brauchen wir die Kraft Gottes in der
Auseinandersetzung
mit dem Bösen, wie auch immer es sich für den Einzelnen
gestaltet.
Vielleicht werden wir uns in unserer Gesellschaft auch im
neuen Jahr
noch mit dem Krieg in Afghanistan auseinandersetzen, werden den Krieg
als das
Böse unserer Zeit bezeichnen und nach der Liebe Gottes in
diesen
Ereignissen, nach den kleinen Möglichkeiten der Hilfe und der
Zuwendung
zu leidenden Menschen suchen. Aus unserem Glauben an die Treue Gottes
müssen
wir Antworten finden und Entscheidungen treffen, nicht aus Staatsraison
oder Bündnisgehorsam.
Vielleicht müssen wir uns mit weiteren Attentaten
verirrter und
verblendeter Menschen auseinandersetzen. Oder wir müssen
Diskussionen
um den rechten Glauben, um unseren Glauben im Vergleich zu den anderen
Religionen dieser Welt führen. Wir werden dabei das Böse
benennen.
Böse ist immer der Fanatismus, die Intolleranz, die
Unmenschlichkeit.
Gottes Treue gilt allen Menschen. Das zu praktizieren, dazu brauchen
wir
die Kraft Gottes.
Und ich wünsche Ihnen für die vor uns liegende
Zeit die guten
Gedanken des Glaubens an Gottes Treue, dazu die Erfahrung
seiner
Liebe und Kraft.
Rolf Rochusch
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Predigt Apg 3,1-10 (Ich taufe keine
Embryonen)
02.09.01 Pfr. Zillmann
Liebe Gemeinde, der heutige Predigttext steht in Apg
3,1-10
und berichtet aus dem Leben der Apostel, aus dem Leben der ersten
Christengemeinden.
Es ist eine Heilungsgeschichte. Ein Gelähmter wird geheilt
1 Einmal gingen Petrus und Johannes in
den Tempel.
Es war drei Uhr, die Zeit für das Nachmittagsgebet.
2 Am Schönen Tor des Tempelvorhofs
saß
ein Mann, der von Geburt an gelähmt war. Jeden Tag ließ er
sich
dorthin tragen und bettelte die Leute an, die in den Tempel gingen.
3 Als er Petrus und Johannes sah, wie sie
gerade
durch das Tor gehen wollten, bat er sie um eine Gabe.
4 Die beiden blickten ihn fest an, und
Petrus
sagte: »Sieh uns an!«
5 Der Gelähmte tat es und erwartete,
daß
sie ihm etwas geben würden.
6 Aber Petrus sagte: »Gold und
Silber habe
ich nicht; doch was ich habe, will ich dir geben. Im Namen von Jesus
Christus
aus Nazaret: Steh auf und geh umher!«
7 Und er fasste den Gelähmten bei
der rechten
Hand und half ihm auf.
Im gleichen Augenblick erstarkten seine
Füße
und Knöchel;
8 mit einem Sprung war er auf den Beinen
und
ging umher. Er folgte Petrus und Johannes in den Vorhof des Tempels,
lief
umher, sprang vor Freude und dankte Gott mit lauter Stimme.
9 Das ganze Volk dort sah, wie er
umherging und
Gott dankte.
10 Sie erkannten in ihm den Bettler, der
sonst
immer am Schönen Tor gesessen hatte. Und sie staunten und waren
ganz
außer sich über das, was mit ihm geschehen war.
Liebe Gemeinde, die Heilungsgeschichten in unserer
Bibel sind
wichtig. Der Wochenspruch aus Jes 42,3 "Das geknickte Rohr wird Gott
nicht
zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen",
dieser
Wochenspruch macht deutlich, worum es an diesem Sonntag geht. Um
geknickte,
verzweifelte, hilfebedürftige Menschen und um Gott, der Hilfe und
Heil schenkt. Heilungsgeschichten können Mut machen, der Glaube
kann
Berge versetzen, sagt man; Wo der Lebensweg zu Ende scheint, geht es
plötzlich
weiter, die Lähmung ist vorbei und man kann wieder vorwärts
schreiten.
Viele Menschen tun sich allerdings schwer damit, die
Wundergeschichten,
diese Heilungsgeschichten aus unserer Bibel, wörtlich zu nehmen,
oder
wörtlich in ihr Leben zu übertragen. Aber trotzdem sagt man
es
dann doch manchmal: "Es müsste ein Wunder geschehen, und meine
Krankheit
müsste weg sein, auf einmal wieder gesund sein, richtig laufen
können,
richtig sehen und hören können, keinen Krebs mehr haben, das
wäre wunderschön." Wir Menschen erwarten Heil und Gesundheit
für unser Leben und erst wenn man mal so richtig krank war, dann
weiß
man, wie wichtig die Gesundheit ist.
Wenn nun die Heilsversprechen der Bibel nicht ausreichen,
dann ist klar,
daß wir früher oder später anderen Heilsbringern
vertrauen
wollen. Ein Arzt muß her, ein neues Medikament vielleicht, oder
ganz
neue technische und biotechnische Möglichkeiten. Das Reizwort der
letzten Monate und sogar der letzten Jahre, das Reizwort lautet dann Gentechnik
und diese neue Technik erfüllt unsere Heilsträume mit soviel
Phantasie, daß die Wunder an den Blinden und Gelähmten aus
unserer
Bibel dagegen richtig blass aussehen.
Solche neuen Heilsversprechen spalten und erhitzen
die Gemüter,
wie sonst kaum ein Thema und das wird die nächsten Jahre auch noch
anhalten. Die Meinungen gehen von: 'Gott sei's gedankt' bis hin zum
'satanischen
Teufelswerk' hart auseinander. Und wenn ich mir die verschiedenen
streitenden
Gruppen ansehe, wie sie plötzlich genau wissen, was Gut und
Böse
ist und fanatisch auf ihre jeweilige Heilslehre pochen, dann kann ich
schon
das erste Opfer dieser Gentechnik erkennen und dieses erste Opfer ist
der gesunde
Menschenverstand.
Die Angst vor dem Verlust der ethischen Maßstäbe
und der
Triumph der Willkür, der daraus erfolgen könnte, diese Angst
verlangt, daß wir Grenzen ziehen müssen, diese Angst treibt
uns dazu, schwarz weiß zu sehen, Gut und Böse genau zu
trennen
und zu bezeichnen. Und wenn dann der "Bauch spricht" um es mal in
Anführungsstrichen zu sagen, wenn wir aus dem inneren Gefühl
entscheiden, dann ist der eine plötzlich richtig dafür und
der
andere strikt dagegen. Und jeder wissenschaftliche Fortschritt
fördert
diese Angst, die Angst vor dem Unbekannten, vor dem
Unwägbaren.
Liebe Gemeinde, ich möchte jetzt nicht die embryonale
Stammzellenforschung
und das Klonen von Tieren oder gar das Klonen von Menschen
auseinandernehmen
und wissenschaftlich werten. Dazu fehlen mir die Fachkenntnisse und
letztendlich
ist dieses rumhacken auf Detailfragen auch egal. Dasselbe Dilemma gab
es
schon bei der Atombombe und bei anderen technischen Entwicklungen. Es
steht
hier die eine Moral gegen die andere Moral, und jede Seite verteidigt
die
Begriffe, die sie selber definiert und bestimmt hat.
Aber zurück zu unserem Predigtext. In der biblischen
Wundergeschichte
kommen Petrus und Johannes an diesen Gelähmten vorbei und heilen
ihn.
Da ist natürlich nach heutigen Maßstäben die Frage
angebracht,
ob die das überhaupt dürfen, diesen Menschen zu heilen? Haben
sie auch alle ethischen Komplikationen bedacht, die mit dieser
Heilung
verbunden sind. Greifen sie nicht in die Schöpfung Gottes ein? Ist
es nicht vorherbestimmt, daß dieser Mann krank zu sein hat, und
zwar
von Geburt an?
Unter dieser Fragestellung betrachten wir Wundergeschichten im
allgemeinen
nicht. Wir freuen uns über diese Wunder, ob sie moralisch
gerechtfertigt
sind ist zweitrangig.
Anders ist das bei den Wundern der Technik und der Medizin.
Da geraten
die Wundertäter sehr schnell in Verdacht, die Würde des
Menschen
anzukratzen und die Allmacht Gottes schmälern zu wollen.
Plötzlich
ist niemand da, der rumspringt, tanzt, Gott lobt und preist, weil mit
technischem
Gerät festgestellt wurde, daß die Erde eine Kugel ist und
sich
um die Sonne dreht, daß es Bakterien, Bazillen und Antibiotika
gibt,
die Pest und Syphilis vernichtet haben, daß es mit viel
Fleiß
glückte, die Atome zu spalten. Und ich habe auch nicht
gehört,
daß in England ein Festgottesdienst stattfand, als es gelang, ein
Wunder zu vollbringen, indem Schaf Dolly geklont wurde.
Im Gegenteil, Entsetzen breitet sich jedes Mal aus.
Ängste werden
geschürt und der Teufel an die Wand gemahlt. Die Geschichte der
Wissenschaft,
die Geschichte des denkenden Menschen ist immer zugleich auch eine
Geschichte
dieser Verteufelung und Verdammnis. Das Wunder an sich hat
keinen
positiven Wert mehr.
Eigentlich schade und ärgerlich zugleich, wenn man
bedenkt, daß
gerade die Leute, die jedes biblische Wunder ohne zu hinterfragen als
gut
ansehen, gleichzeitig aber allen anderen Wundern die
Existenzberichtigung
absprechen wollen. Wenn man im Namen Jesu Gelähmte heilen kann,
warum
dann nicht im selben Namen Schafe und Menschen klonen?
Dies Frage soll provozieren und deutlich machen, daß
Ethik und
Moral sehr komplizierte Zusammenhänge darstellen und das Tabus
und Grenzziehungen selten geholfen haben.
Die Würde des Menschen ist unantastbar – ein
großes
Wort. Hier soll die Grenze sein. Aber wissen wir, was Würde ist,
wissen
wir, was ein Mensch ist? Wer gibt dem Menschen seine Würde, seinen
Rang und Wert in dieser Welt? Wenn wir unsere Würde von Gott
bekommen
haben, dann brauchen wir uns hier keine Gedanken machen, denn diese
Würde
kann uns kein anderer Mensch und auch kein Wissenschaftler nehmen.
Wenn allerdings Kirche, Staat oder Parteien bestimmen, also
Menschen
bestimmen und definieren was Würde ist, dann kann es leicht
passieren,
daß diese Würde auf Scheiterhaufen, Schlachtfeld und in
Konzentrationslagern,
daß diese Würde sich in Luft auflöst. Und das Wort
Mensch?
Was legen wir in diesen Begriff hinein? Was ist ein Mensch? Bei der
ganzen
Gendebatte wird dieser Begriff wieder stark strapaziert. Was ist
ein
Mensch? Und wann wird ein Klumpen Biomasse zu diesem Menschen?
Ich stelle mir mal jetzt etwas spinnerhaft folgendes vor. Da
kommt ein
junges Ehepaar mit einem gekühlten Reagenzglas, in dem eine
befruchtete
Eizelle liegt. "Lieber Herr Pfarrer, wir freuen uns auf unser Kind.
Aber
das Leben ist gefährlich, wie sie wissen, besonders in diesem
kalten
engen Röhrchen. Lieber Herr Pfarrer, wir möchten unser Kind
taufen
lassen, damit es von Gottes Hand beschützt wird." Nun, was
ist
in einem solchen Fall zu tun? Nach wissenschaftlicher Definition
existiert
da ein lebender Mensch, etwas unterentwickelt, mag sein, qäckt
aber
nicht, und strampelt nicht rum, eben wie ein liebes Baby, das
schläft.
Also eigentlich kein Problem.
Ich könnte jetzt noch feine Unterschiede machen,
einfache Embryonen,
geklont und ungeklontes Embryo, Fötus geboren und ungeboren,
Frühgeburt,
Leihmuttergeburt, Kind, Person und Mensch. Es würde eine endlose
Diskussion
anfangen. Der gesunde Menschenverstand sagt mir an diesem Punkt und zum
Inhalt des Reagenzglases: "Ich taufe keine Embryonen"
Theologische Richtlinien gibt es noch nicht. Die wissenschaftliche
Grenzlinie, daß ein befruchtetes Ei ein menschliches Leben ist,
ist
eben eine wissenschaftliche Grenzlinie. Wenn man jetzt diese
wissenschaftliche
Grenze als bedingungslose Prämisse für theologische und
ethische
Urteile nehmen würde, dann schreibt letztendlich die Wissenschaft
vor, wie die Kirche (Theologie) über diese Wissenschaft zu
urteilen
hat.
Zum theologischen Verständnis kommt noch eine
Schwierigkeit hinzu,
die in den gegenwärtigen Anfeindungen kaum erwähnt wird. Wo
ist eigentlich die Seele geblieben? Hat sie Platz im Reagenzglas?
Gibt
es sie überhaupt? Steht sie der Biomasse Mensch dualistisch
gegenüber.
Ist beim Klonen die Seele, - wenn sie in Embryonen denn da ist - ist
sie
dann teilbar?
Liebe Gemeinde, um das abschließend zu sagen, ich bin
ein praktischer
Mensch und taufe deshalb keine Embryonen. Da werden mir jetzt die
meisten
von ihnen sicher zustimmen. Daraus ergibt sich aber auch, daß ich
die Embryonenforschung und die Gentechnik frei von moraltheologischen
Zwängen
(Verteufelungen) sehen will. Also auf deutsch gesagt: Ich
bin
f ü r die Gentechnik und die Embryonenforschung. Nun
nicht
uneingeschränkt, aber grundsätzlich doch dafür.
Das ist wie mit dem Gleichnis vom Messer. Die
Herstellung eines
Messers ist unproblematisch. Ich kann dieses Messer dann zum
Brotschneiden
benutzen oder ich kann damit einen Menschen erstechen und umbringen.
Nicht
die Möglichkeiten gilt es zu beschränken, sondern die
Wirkungen
unseres Tun's und Lassens sollen gewertet und gegebenenfalls
unterbunden
werden.
Insofern finde ich es gut, daß Petrus und Johannes den
Gelähmten
wieder auf die Beine geholfen haben. Wie sie das gemacht haben, wird
sicher
ihr Geheimnis bleiben, aber daß sie das gemacht haben ist gut.
Und
Gottes Schöpfung haben sie damit nicht in Frage gestellt und die
Würde
des Menschen ist nicht auf der Strecke geblieben.
Die Hohenpriester haben sich allerdings geärgert, weil
sie wohl
an anderes dachten, als an geknickte, verzweifelte, und
hilfebedürftige
Menschen, weil sie wohl an anderes dachten als an Gott, der Hilfe und
Heil
schenkt und der allein jedem von uns die Würde des Menschseins
gibt.
AMEN
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Monatsspruch Phil 2,4 (Deutsche Tugend)
01.06.01
Pfr. Zillmann
Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern
auch
auf das der anderen. (Phil. 2,4)
Eine ältere Dame steigt in den
überfüllten Nachmittagsbus
ein. Die Schülerin, die vorne sitzt erhebt sich und bietet
ihr ihren Platz an. Erleichtert setzt sich die Frau. Das Mädchen
beugt
sich noch einmal herunter und fragt: "Wie bitte?" – "Ich hab nichts
gesagt."
antwortet die alte Dame. Darauf das Mädchen: "Ach, entschuldigen
sie.
Mir war so, als ob sie Danke gesagt hätten."
Mit dieser kleinen Geschichte sind wir mitten drin in der
Wertediskussion
dieser Tage. Es hat den Anschein, dass vor jeder Bundestagswahl
populistische
Tugenden und Fehler ins Bewusstsein gerückt werden, um daraus
politischen
Profit zu schlagen. Vor einigen Jahren waren es die faulen
Lehrer,
welche die Jugend verkommen ließen und heute
sind
es faule Arbeitslose, an denen die Gesellschaft krankt. Wie
wichtig
sind da doch mahnende Worte - meint so mancher.
Und die Kirchen? Müssten die nicht als Gralshüter
für
deutschen Fleiß und sittlicher Strenge den Politikern und den
ohnmächtigen
Eltern zu Hilfe eilen? Die Versuchung ist sicher groß, aber es
gibt
ein kleines Problem. Fleiß und Ordnung mögen zwar gute deutsche
Tugenden sein, sie sind aber deshalb noch lange keine christlichen
Werte.
Im Unterbewusstsein wissen wir das auch. So stellt niemand
die Frage,
ob Jesus denn den notwendigen Fleiß bei seinen Krankenheilung
walten
ließ, oder ob er pünktlich zum Berg kam, um zu predigen und
dabei auch seine Sandalen ordentlich geputzt hatte. Solche Werte sind
für
den christliche Glauben letztendlich irrelevant.
Wichtig scheinen mir aber die Werte aus der kleinen
Busgeschichte zu
sein, nämlich Rücksichtnahme und Dankbarkeit.
Sie
haben schon eher etwas mit Christlichkeit zu tun. Auf diese Werte
hinzuweisen
bringt mehr, als anderen Menschen ihre vermeintlichen Fehler
vorzuhalten
und ständig an der Jugend herumzumäkeln. Junge Menschen
machen
das nach, was ihnen Ältere vorleben. Und "Wer ohne Schuld ist,
werfe
dann den ersten Stein." Wer hat diesen Satz wohl gesagt?
Ihr Pfarrer Zillmann
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Predigt Matthäus 6,5-15 (20.05.2001,
Sonntag Rogate - Betet) Pfr.Dr. Rochusch
Text:
Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen!
Sie beten
gern öffentlich in den Synagogen und an den Straßenecken,
damit
sie von allen gesehen werden. Ich versichere euch: Sie haben ihren Lohn
schon kassiert. Wenn du beten willst, dann geh in dein Zimmer,
schließ
die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein
Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen.
Wenn
ihr betet, dann leiert nicht Gebetsworte herunter wie die Heiden. Sie
meinen,
sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen.
Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß, was ihr braucht,
bevor
ihr ihn bittet. So sollt ihr beten:
Unser Vater im Himmel!
Mach deinen Namen groß in der Welt.
Komm und richte deine Herrschaft auf.
Verschaff deinem Willen Geltung, auf der Erde genauso wie im Himmel.
Gib uns, was wir heute zum Leben brauchen.
Vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir allen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind.
Lass uns nicht in die Gefahr kommen, dir untreu zu werden,
sondern rette uns aus der Gewalt des Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Wenn ihr den andern vergebt, was sie euch angetan haben,
dann wird euer
Vater im Himmel euch auch vergeben. Wenn ihr aber den andern nicht
vergebt,
dann wird euer Vater euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“
Auslegung:
Der kirchliche Name des Sonntags, Rogate = Betet,
lädt uns
zum Beten ein. Die Lesungen von Evangelium und Epistel tun es ebenso.
Es
ist gut, dass wir Christen mindestens einmal im Jahr aufgefordert
werden,
über das Gebet nachzudenken. Als Predigttext sind Worte der
Bergpredigt
Jesu Christi zu bedenken, Worte, von denen die Evangelisten
Matthäus
und Lukas sich vorgestellt haben, dass sie Jesus Christus im Rahmen
seiner
Lehrpredigt als Grundaussagen des Glaubens, als Grundhilfestellung
seinen
Freunden und seinen Zuhörern mitteilt.
Es sind Worte, die im ersten Jahrhundert gesprochen
wurden und
in die Bedingungen der damaligen Zeit passen. Da haben sich noch
Menschen
auf den Marktplatz gestellt und öffentlich gebetet und durch ihr
Verhalten
die Aufmerksamkeit anderer auf sich gelenkt. Christen sollten anders
sein.
Da haben noch die Heiden, die Menschen anderer Religionen,
Gebetslitaneien
heruntergeleiert, „Weltmeister im Beten“ waren die Baalspriester im
Alten
Testament, mit denen sich der Prophet Elia auseinandersetzt. Die
konnten
Gebete herunterleiern ohne Ende. So sollten Christen nicht beten.
Aber heute sind diese Gedanken nicht mehr von der gleichen
Bedeutung.
Im Zentrum des Predigttextes steht das Vaterunser. Ich habe die Gute
Nachricht
Bibel-Übersetzung (1997) gewählt, um Ihre Aufmerksamkeit zu
wecken.
Bekannt ist uns die Übersetzung Martin Luthers, wir können
sie
sicherlich auswendig. Das Vaterunser wird in jedem
Gottesdienst
gebetet, dazu bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen, gelegentlich in
den
Gemeindekreisen und im seelsorgerlichen Gespräch. Warum wird
gerade
dieses Gebet nun schon seit 2000 Jahren so regelmäßig
gebetet?
Was hat es Besonderes, dass es uns Christen so wichtig ist?
Die erste Antwort auf diese Frage ist die Einleitung des
Vaterunser-Gebetes,
welche die Evangelisten als Wort Jesu Christi überliefert haben:
„Wenn
ihr betet, dann sollt ihr sprechen....“ Damit, dass demnach Jesus
Christus
selbst dieses Gebet an seine Jünger und seine Zuhörer
weitergegeben
hat, bekam es Gewicht, wurde es zum Grundgebet der Christenheit.
Ich bin überzeugt, dass Jesus Christus die Frage seiner
Freunde
„Wie oder was sollen wir beten?“ zu beantworten hatte. Sie stellte sich
damals sicherlich genauso wie heute für Menschen, die im Glauben
wachsen
wollen. Und ebenso bin ich überzeugt, dass Jesus Christus seine
Freunde
in das richtige Gebet eingeführt hat, ihn ein Grundgebet
vermittelt
hat. Doch das als Vaterunser in den beiden Evangelien überlieferte
Gebet macht den Eindruck, als ob es in den ersten christlichen
Gemeinden
beim Gebrauch im Gottesdienst dann doch leichte Veränderungen
erfahren
hat. So wortgetreu haben unsere christlichen Vorfahren dann doch nicht
die Worte Jesu Christi überliefert. Doch dazu später.
Nehmen wir das Vaterunser zuerst einmal als das Grundgebet
der Christenheit.
Es ruft uns vier wichtige Grundaussagen ins Bewusstsein:
1) Die Anrede Gottes als Vater ist damals wie
heute wohl
eine deutliche Unterscheidung gegenüber anderen Religionen und
deren
Gottesanrede. Gott als Vater anreden zu können, schafft Vertrauen,
schenkt Geborgenheit, stellt eine Gemeinsamkeit her, be-stätigt
Verwandtschaft.
2) Die ersten drei Bitten des Vaterunsers
(geheiligt werde
dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe) wenden sich an Gott.
Wenn wir Betenden sie nachsprechen, dann stellen wir uns damit als
Geschöpfe
Gottes in seinen Handlungszusammenhang. Wir erkennen seine
Schöpferabsicht
an, wir wollen sie verwirklicht wissen. Wir leiden darunter, dass sie
nicht
so offensichtlich verwirklicht ist in dieser Welt, dass es ohne diese
Bitte
ginge. Wir stellen uns mit unserem eigenen Planen, Handeln, Vollbringen
unter Gottes Handeln, wir fügen uns ein in seinen Willen. Wir
können
unsere Tagesplanung im Morgengebet vor Gott ausbreiten und von ihm die
notwendige Hilfe bei allen Handlungen, Entscheidungen, Begegnungen und
Gesprächen erbitten. Und abends können wir das Erlebte, das
Erreichte
und das Fehlgeschlagene vor Gott ausbreiten und im Horizont seiner
Schöpfungsabsicht
bedenken. Reflektion des eigenen Handelns vor Gott ist Inhalt jedes
Gebetes.
3) Die anderen vier Bitten des Vaterunsers
(unser tägliches
Brot gib uns, vergib uns unsere Schuld, führe uns nicht in
Versuchung,
erlöse uns von dem Bösen) bringen Grundbedürfnisse von
uns
Menschen zur Sprache. Ein Grundbedürfnis ist nicht nur,
täglich
satt zu werden, sondern offenbar auch, die Schuld vergeben zu bekommen
und aus dem Kreislauf von bösem Handeln - Schuld auf sich Laden -
Vergebung und Erlösung Bedürfen ausbrechen zu können.
Drei
Bitte stehen da neben der einen, und in den auf das Vaterunser
folgenden
Worten des Evangeliumstextes wird das Vergeben weiter bedacht und in
den
Zusammenhang göttlichen Handelns gestellt. Grundbedürfnisse
sind
uns Menschen wichtig. Satt werden und Vergebung erfahren sind uns
Menschen
wichtig. Und dabei denken wir automatisch auch an andere Menschen, weil
Schuldaufladen im Kontext mit dem Handeln an anderen Menschen steht.
Auch
ihre Grundbedürfnisse, ihre Wünsche und Hoffnungen, Absichten
und Lebensplanungen können wir im Gebet vor Gott ausbreiten.
4) Die vier Bitten des Vaterunsers, die menschliche
Grundbedürfnisse
zur Sprache bringen, sind auch alle in der wir-Form formuliert. Es geht
ganz deutlich um die Verwirklichung menschlicher Bedürfnisse
innerhalb
der Gemeinschaft, nicht in der Individualität. Nur dann,
wenn
in der (christlichen) Gemeinschaft diese Bedürfnisse praktiziert
und
erfüllt werden, wird der schöpfungsgemäße Sinn
menschlichen
Lebens erfüllt. Bei der Verwirklichung individueller
Bedürfnisse
stehen die Bedürfnisse gegeneinander und können nur zu Lasten
anderer Menschen befriedigt werden. Die christliche Gemeinde ist der
Ort,
an dem für die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse
gebetet wird und wo sie gemeinsam erlebt wird.
Nun möchte ich doch noch zwei kritische Gedanken zum
Vaterunser
wie oben schon angedeutet aufnehmen:
1) Das Vaterunser, im ersten Jahrhundert formuliert,
steht sehr
stark in Horizont der Naherwartung der Wiederkehr des in den Himmel
aufgefahrenen
Herrn Jesus Christus und des Endes dieser Welt (dein Reich komme!). Die
ersten Christen konnten sich einfach nicht vorstellen, dass dieses
Gebet
noch nach weiteren 2000 Jahren gebetet wird. Aber die Welt hat sich
verändert,
nicht nur die Naherwartungs-Hoffnung der Christen. Es kann nicht
geleugnet
werden, dass heute Jesus Christus ein Grundbedürfnis-Gebet anders
formulieren müsste, auch andere Inhalte als Bitten
formulieren
müsste. Es gibt Themen, die wir Christen heute als ebenso
gleichwertige
Grundbedürfnisse in unseren freien Gebeten vor Gott ausbreiten. So
könnten Bitten eines heute verfassten Vaterunsers lauten: Schenke
uns Frieden in der Welt - Gib den Menschen soziale Gerechtigkeit -
Schenke
Resourcen der Natur und uns Menschen Verantwortung für ihren
Gebrauch.
2) Immer wieder ist mir beim Vaterunser aufgefallen,
dass dieses
Mustergebet keine Dankes-Formulierung enthält, es sei
denn,
dass man den Lobpreis (denn dein ist das Reich und die Kraft und die
Herrlichkeit
in Ewigkeit) am Ende des Gebetes, der bekanntermaßen nicht in den
ältesten Handschriften der Evangelien enthalten ist und
wahrscheinlich
erst durch kirchlich-gottesdienstliche Praxis an das alte Gebet
angefügt
worden ist, für eine Danksagung hält. Gott für das
Erlebte
zu danken ist ein wichtiger Schritt vieler Gebete. Immer wieder sollten
wir uns das in Erinnerung rufen und es tun, gerade dann, wenn Beten nur
noch das Hilfeschreiende Stoß-Not-Gebet ist. Gott zu danken macht
zufrieden und glücklich.
So hoffe ich, dass Sie das Vaterunser in allen Bitten
bewusst beten
können und wünsche Ihnen dazu Gottes Erhören, Gottes
Antwort,
Gottes Segen. Amen.
|
Predigt Jesaja 12 (13.05.2001) Pfr.
Beermann
“Ich folge der Stärke meiner Sehnsucht”
Liebe Gemeinde, in dem Danklied der Geretteten (Jesaja 12)
heißt
es:
“An jenem Tag wirst du sagen: Ich
danke
dir, Herr. Du hast mir gezürnt, doch dein Zorn hat sich
gewendet,
und du hast mich getröstet. Ja, Gott, du bist meine Rettung; dir
will
ich vertrauen und niemals verzagen.
Denn meine Stärke und mein Lied ist
der
Herr. Er ist für mich zum Retter geworden. Ihr werdet Wasser
schöpfen voll Freude aus den Quellen des Heils. An jenem Tag
werdet ihr sagen: Dankt dem Herrn ! Ruft seinen Namen an !
Macht seine Taten unter den Völkern bekannt, verkündet: Sein
Name ist groß und erhaben ! Preist den Herrn; denn herrliche
Taten
hat er vollbracht; auf der ganzen Erde sollen die Menschen das
wissen.
Jauchzt und jubelt, ihr Bewohner von Zion; denn groß ist in
eurer Mitte der Heilige Israels.”
Gott hat Großes vollbracht !
Viele Menschen versuchen, auf die eine oder andere Weise
ihre Lebensqualität
zu verbessern. Wenige ... tun dies, indem sie verzichten, sich selbst
sogar
verneinen, Askese üben, einen mehr und minder eingefahrenen
religiösen
Weg gehen. Ihr Glaube, ihre Hoffnung, ausgesprochen oder
unausgesprochen,
ist, dass sie für ihre Verneinung entweder in diesem Leben oder
einem
anderen belohnt werden, oder, dass sie durch Verneinung ein neues
Selbstwertgefühl
erleben, welches sie glücklich macht.
Andere Menschen meinen (die Mehrheit ?), die Verbesserung
der Lebensqualität
wäre nur zur erreichen, indem sie sich voll ins Leben
stürzen,
gelegentlich bis hin zur Ausschweifung.
Leben
kann dann heißen: erleben, auskosten, alles mitnehmen,
mitgerissen
werden vom Strom des vorbeirauschenden Lebens. Sie erhoffen sich von
dieser
Art zu leben sicher auch Glücksgefühle.
Viele Zeitgenossen, Ideologien, Religionen, religiöse
Gruppierungen,
Lebensstile “versprechen” ein erfülltes Leben. Und obwohl wir alle
lebendig sind, scheinen wir doch häufig nicht davon überzeugt
zu sein, dass wir wirklich so lebendig leben, wie wir
möglicherweise
könnten (?), um richtig glücklich zu sein.
Menschen suchen nach Leitlinien, Gedankengebäuden,
Führung
und nach Methoden, die ihnen diesen Glück bringen
können.
Gewiß, vielen Menschen geht es recht gut, zumindest in
unseren
Ländern; den meisten Menschen auf dieser Erde hingegen geht es gar
nicht gut - und dies sind eher die Kinder, es sind die Schwachen.
Es scheint, als wenn vor geraumer Zeit zwischen uns und
unser Leben
“etwas” gekommen ist, was uns immer wieder das Leben vermiesen will.
Einige
Menschen nennen es Sünde, ganz wenige sagen dazu “Erbsünde”,
die andern nennen es schlicht “Angst”, und wieder andere sprechen von
falschen
Lebenseinstellungen ... oder gravierenden sozialen
Mißständen,
die den Weg zu einem erfüllten Leben blockieren. Und der Markt ist
randvoll mit Angeboten, die eigene Lebensmisere endlich doch noch zu
überwinden.
Der Markt ist überfüllt mit angepriesenen Lebenskünsten,
und jeden Monat erscheinen neue Bücher, die beispielsweise aus
psychologischer,
theologischer, sozialer und marktorientierter ... und philosophischer
Sicht
neue Wege zu einem “besseren” Leben aufzeigen wollen.
Was sagt nun unser Predigttext dazu ?
Der Predigttext Jesaja 12 ist ein “eschatologisches Danklied”, es ist
ein Danklied am Ende der Zeiten: Jesaja sagt damit: “Am Ende bleibt nur
das helle Gotteslob. "
Sogar dafür werden die Menschen dankbar sein, dass Gott
gezürnt
hat (wovon in den vorangegangenen Kapiteln so viel gesprochen wurde),
denn
das diente zum Heil.”
Der Grund, weshalb ich mir immer wieder die Frage stelle,
wie wir (als
Christen), wie ich als Gläubiger auf dieser Erde, in diesem Leben
zu einem erfüllten Leben gelange(n), ist nicht etwa der, dass ich
mir durch die Antwort erhoffe den Schlüssel zur Himmelspforte
verdienen
zu können, sondern ich möchte mehr und mehr verstehen, was
Gottes
Barmherzigkeit, Güte und Liebe für uns Menschen
wirklich
bedeutet.
Seid vielen Jahren versuche ich den oben genannten Umstand
(dass der
Mensch auf der stetigen Suche nach dem “Glück”, nach der “Liebe”
ist
- es gibt Ausnahmen, wie die Geschichte der Menschen beweist) zu
ergründen;
habe ich doch tief in mir selbst eine unglaubliche Sehnsucht nach
vollständigem Leben entdeckt ...; und ich weiß von einigen
anderen,
dass es ihnen ebenso geht; leider aber wird diese Hoffnung häufig
enttäuscht, weil die Kraft der Illusion nur für eine sehr
kurze
Zeit ausreicht, das Bild eines glücklichen Lebens wiederzugeben.
Nun, ich habe auch Menschen gesprochen, die leugneten, je
diese Sehnsucht
nach einem wirklich erfüllten Leben gespürt bzw. erfahren zu
haben, ohnehin sei es relativ ... und jeder Mensch erfahre “Glück”
anders.
Dies ist aber nicht wesentlich; entscheidend ist, dass Gott
existiert
(!), und dass Er in uns eine tiefe Sehnsucht eingepflanzt hat: ich
spreche
keineswegs nur von den Gläubigen, nein, ich bin davon
überzeugt,
dass jeder Mensch diese “Sehnsucht” in sich hat, und dass der Mensch
eben
nicht nur eine “evolutionierte biologische Einheit” ist und mit
dem
Tod “alles” vorbei ist.
Dieser Gott, von dem so viele Menschen reden, von dem
aber (im
Verhältnis zur Erdbevölkerung) nur wenige ... wirklich
überzeugt sind (d.h., ihr Leben von Ihm bestimmen lassen) hat
einmal
gesagt: “Siehe der Mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen
Gutes
und Böses. Und nun, dass er nicht etwa seine Hand ausstrecke und
auch
noch von dem Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe!” ---
“Und Gott ... trieb den Menschen aus und ließ östlich vom
Garten Eden die Cherubim sich lagern und die Flamme des zuckendes
Schwertes, den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen.”
1.Mose 3,22-24
Die Cherubim hatten also den Weg zum Baum des Lebens
verborgen, so dass
der Mensch ihn nicht mehr finden konnte.
War es möglich, dass dieser Baum doch noch da war/ist ?
Gab es
den “Garten Eden” weiterhin ? Könnte es vielleicht sein, dass wir
irgendwann doch den Weg dorthin (zurück) finden würden ?
Diese Fragen sind gar nicht abwegig, denn die
Menschheitsgeschichte
kann mit unzähligen Beispielen aufwarten, wie Menschen versucht
haben,
nicht nur das Leben zu verlängern, sondern gerade auch eine Art
von
“Garten Eden” zu finden, zu bauen ...
Ist der Baum des Lebens eine verrückte Idee ...
und niemals
würde je ein Mensch diesen wunderbaren Garten finden ?
... ich glaube, dass wir ein kleines Stückchen dieses
Baumes in
uns haben, und ich bezeichne das hier als “Sehnsucht”, als die
Sehnsucht
nach dem Leben - dem wirklichen Leben !
Aus diesem Grund nenne ich diese Predigt “Ich folge der
Stärke
meiner Sehnsucht”. Es ist die Suche nach dem verlorengegangenen
Paradies.
Es ist eine Sehnsucht über den Tod hinaus.
Es hat keinen Sinn - für mich macht es keinen Sinn - um
“Glück”,
um ein “sinnerfülltes” Leben zu kämpfen (es mag schon sein,
dass
das Leben oft “Kampf” bedeutet, das meint aber etwas ganz anderes ...);
ob wir es wahr haben wollen oder nicht, wirklich erfülltes Leben
ist
ein - vielleicht “himmlisches”- Geschenk.
Menschen haben zu allen Zeiten für etwas gelebt,
für eine
Idee beispielsweise, für ihre Kinder/Nachkommen, für ihr
Land,
für ihre Arbeit, für ihre Weltanschauung, für ihr Haus,
für
ihre Ideale etc.
Unser Predigttext spricht von dem Dank der Menschen ... mit
und nach
den “letzten Dingen”,d.h., wir werden Gott schließlich doch
danken
..., und Er wird auf uns zukommen (nach einer langen Zeit der Trennung)
mit Tränen im Gesicht und mit offenen Armen ... und Er wird
uns an Sich drücken ... und nicht mehr loslassen.
Die Konsequenz unseres Handelns war das Kreuz, an dem Jesus
(für
uns) starb.
“Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an”, sagt Jesus
auch heute.
Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das genau weiß, dass es
sterben muß. Trotzdem weigert sich der Mensch oft bis zum letzten
Moment, dies zu glauben, und steht dann gewöhnlich unvorbereitet
da.
Gott will nicht, dass wir unvorbereitet weiter Leben; Gott will nicht,
dass wir einmal unvorbereitet sterben.
Aber wir haben keinen Grund uns zu verkrampfen; Gott sorgt
weiter für
uns, allein, wir merken dies häufig gar nicht. Er ist meine
Rettung,
ich darf Ihm vertrauen (obwohl ich gelegent-lich / oder latent / oder
stets
das Gefühl habe, dass dieses Vertrauen so oft
enttäuscht
wurde/wird). Um die Fülle des Lebens zu erfahren, können wir
die Fülle unserer Wahrnehmungsfähigkeit ausnutzen.
Wir dürfen unsere Hoffnung, unseren Glauben, unsere
Fantasie, unsere
Träume einsetzen. Dabei hat der Gläubige vielleicht nur
darauf
zu achten, dass er sich nicht der Dinge bemächtigt, die nicht
seine
Sache sind, schließlich würde ihn das zerstören.
Vielleicht
haben hier viele unserer gescheiterten Hoffnungen ihren Ursprung; Gott
entscheidet, wann es Zeit für den nächsten Schritt ist.
Und Gott geht häufig (immer ?) andere Wege.
Ende der 80er Jahre mußte John, er war bei der Marine
beschäftigt,
mit seinem Auto vor einer roten Ampel (in Washington) warten. Er
unterhielt
sich gerade mit seiner Beifahrerin, als er mitten im Satz von dem
knirschenden
Geräusch berstenden Metalls unterbrochen wurde. Ein anderer Wagen
war mit hoher Geschwindigkeit von hinten aufgeprallt. John wurde wurde
gegen das Lenkrad geschleudert, und sein Körper verkeilte sich mit
dem Armaturenbrett. Um ihn herum wurde es dunkel.
Einen Augenblick später schwebte er einem Licht entgegen, an
Helligkeit
mit einem strahlenden Sonnenaufgang vergleichbar, während er auf
den
Unfallort hinunterschaute ... Er verspürte nicht mehr den
leisesten
Wunsch, wieder in den leblosen Körper in jenem Autowrack
zurückzukehren.
Hier sein Bericht:
“Ich flog mit dem Kopf voran durch einen dunklen Tunnel,
schneller
und immer schneller, dem schimmernden Licht entgegen, das, wie
ich
fest glaubte, ‘Er’ war ... Innerhalb dieses Lichtes sah ich eine
himmlische
Stadt, wie ein Schloß in den Wolken. Die Straßen aus
durchscheinendem
Gold strahlten von dem Glanz, der die ganze Stadt erleuchtete ...
Ich wußte, ich war im Himmel; ja, den ‘Himmel’ gab es wirklich.
Kurz darauf sah ich meinen Sohn, der vor einigen Jahren gestorben war.
Er war in strahlendes Weiß gekleidet ... Dann erkannte ich
andere,
verstorbene Verwandte; einer von ihnen sagte mit einem vertrauten
Augenzwinkern:
‘Du wirst wieder ganz gesund. Geh zurück ! Geh zurück ! Geh
zurück
!’
Meine verstorbenen Eltern stimmten in den Chor mit ein. Meine Mutter
deutete mit der Hand auf das Licht und fragte: ‘Hast Du Ihn gesehen ?’
Voller Ehrfurcht erwiderte ich: ‘Ja.’
Hingerissen von der allgegenwärtigen Liebe und dem vollkommenen
Frieden jenes Ortes, konnte ich mir nicht vorstellen, ihn je wieder
verlassen
zu müssen. Und doch wußte ich, daß es so war.
Meine Zeit war noch nicht gekommen. Der Schauplatz des Unfalls trat
von neuem in mein Blickfeld. Ich hatte plötzlich ein Gefühl
drückender
Schwere, als wenn jemand ein Stück Eisen auf mich gelegt
hätte.
Während ich in Richtung meines Körpers hinunterschwebte,
wurde
ich mir eines immer stärker werdenden Gefühls von Schmerzen
bewußt.
Das schimmernde Licht der himmlischen Liebe löste sich langsam auf
und wich einem harten, roten Blinklicht. Ich befand mich wieder in
meinem
Körper.”
Nachdem John aus dem Autowrack befreit, ins Krankenhaus
gebracht und
untersucht worden war, fühlte er sich ... ‘von Gott geheilt’. Die
Krankenschwestern und erst recht die Ärzte lachten nur, als er
ihnen
verkündete, er werde noch am gleichen Tag völlig gesund nach
Hause gehen. Doch so geschah es.
Liebe Gemeinde,
derartige persönliche Erlebnisse betreffs eines spezifisch
christlichen
Lebens nach dem Tod gibt es immer wieder.
Und es scheint so, dass beim klinischen Tod - anders als beim
“Einheitsbrei”
sogenannter Nahtodeserlebnisse (Tunnel + Licht) - ein starker
fortlaufender
Faden zu erkennen ist, eine bestimmte, sich wiederholende Abfolge (von
Ereignissen), die durchaus zu analytischen Vergleichen berechtigt.
Vielleicht
hatte sogar Paulus als er in Lystra von einer blutdürstigen
Menschenmenge, die sich sowohl über seine Glaubensbotschaft als
auch
seine Wundertaten ärgerte (nachzulesen in 2.Timotheus 3,11),
gesteinigt
und wie tot liegengelassen wurde, eine ähnliche Erfahrung
gemacht.
Paulus berichtet wohl davon in seinem Brief an die Korinther
(nachzulesen
in 2.Korinther 12,2-5): “Ich kenne jemand, einen Diener Christi, der
vor
vierzehn Jahren bis in den dritten Himmel entrückt wurde ...”
Allerdings gibt es auch gegenteilige, ja, regelrecht
‘höllische’
“Sterbeerfahrungen”.
Jedes echte Todeserlebnis von Christen prägt dagegen
das Leben
der Betroffenen so radikal, dass sie es einfach weitersagen
müssen.
Und so ein Erlebnis ist damit verbunden, dass diese Menschen die Angst
vor dem Sterben verlieren und um so bewußter leben. Ihre
Sehnsucht
nach himmlischer Geborgenheit und Liebe wird zum Motor in ihrem
irdischen
Leben.
Natürlich ist das nicht der angezeigte Weg, um
vielleicht Gott
zu erleben ..., es ist nicht so, dass wir Christen schon zu Lebzeiten
in
das “Paradies” entrückt werden sollen, darum geht es hier nicht.
Aber
in diesen Worten steckt die Botschaft, dass “die Tore des
Himmels”
für jeden Menschen, der bewußt in der Liebe lebt, weit offen
stehen.
Vergleichen wir noch einmal (Jesaja, Kap. 12):
Und dann werden die Menschen sagen: “Denn
meine
Stärke und mein Lied ist der Herr. Er ist für mich zum Retter
geworden.”
Und die Verheißung unseres Predigttextes wird sich
erfüllen:
"Ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude aus den Quellen des
Heils.
An jenem Tag werdet ihr sagen: ‘Dankt dem Herrn ! Ruft seinen Namen an
!’ Jauchzt und jubelt, ihr Bewohner von Zion, ihr Bewohner des Himmels
...”
Folgen wir der Stärke unserer wirklichen Sehnsucht
!
Amen.
|
Predigt Lukas 18,35-43 (25. Februar 2001, Kopf in
Sand
stecken) Pfr. Zillmann
Liebe Gemeinde, der heutige Predigtext steht nicht im
Lukas-
oder Matthäusevangelium und nicht im Kapitel 18 oder 20. Es ist
ein
Text, der die Bibel auf den Kopf stellt und deshalb geht die Geschichte
so:
Als
Jesus mit seinen Jüngern die Stadt Jericho verließ und die
Scharen
von Menschen ihm folgten, saßen drei Blinde am Weg, die schrien,
als sie hörten, daß Jesus vorbeiging: "Herr, Sohn Davids,
mach,
daß du weiterkommst. Wir wollen nichts sehen und uns geht es gut
so." Als die Menge das hörte, wurde sie froh und befahl den
Blinden
weiterzureden. Da schrien die drei noch lauter: "Herr, Sohn Davids,
ziehe
deine Wege und laß uns in Ruhe. Wir wollen dein Erbarmen nicht."
Jesus blieb unschlüssig stehen,
rief die
beiden zu sich und fragte: "Was ist mit euch los? Warum wollt ihr keine
Hilfe?" Sie sagten: "Wir wollen nicht, daß unsere Augen sich
öffnen.
Wir brauchen keine Einsicht in diese häßliche Welt. Das
würde
unsere Ruhe stören."
Und Jesus hatte kein Mitleid und
berührte
ihre Augen nicht und die Blinden blieben da, wo sie waren und folgten
ihm
nicht nach.
Nun, liebe Gemeinde, manch einer kennt diese Erzählung
in einer
anderen Form, in der positiven Form, wo die Blinden nach Jesus
schreien,
weil sie endlich sehen wollen, was los ist. Weil sie erkennen wollen,
wie
es in der Welt so aussieht. Weil sie sich selber ein Bild machen
wollen.
In der Bibel geht ja auch alles seinen bekannten Weg. Den Blinden
werden
die Augen geöffnet und sie schließen sich daraufhin Jesus
an.
Aber ich denke, von dieser wundervollen Ausnahme einmal
abgesehen, es
sieht in unserer Wirklichkeit anders aus. Den meisten von uns
fällt
es schwer, die Augen aufzumachen und dann zu sehen, wie die
Wirklichkeit
aussieht. Lieber stecken wir den Kopf in den Sand, denn vieles
können
wir nicht verkraften. Es beunruhigt uns. Es nimmt uns die Ruhe des
Alltags.
Und wenn wirklich einmal etwas Schreckliches passiert, dann müssen
wir uns ja irgendwie aus unserer Schuld herausreden können. Und
das
geht am besten, wenn wir hinterher sagen können: "Das es so
gekommen
ist, das haben wir vorher ja nicht sehen können."
Wir belügen uns natürlich selbst. So viel, wie wir
heute sehen
können, haben Menschen vor uns noch nie gesehen. Jeder hat einen
Fernseher
und dieses Wort sagt es ja schon. Wir können in die Ferne sehen.
Wir
haben die Möglichkeit uns einen Überblick zu verschaffen,
gewinnen Einblicke
und wir wissen, was kommt, bevor es da ist.
Wir haben auch Autos und Geld, können umherreisen,
nachprüfen,
was auf den Ansichtskarten aus fremden Ländern abgebildet ist.
Aber
trotzdem. Wir sind ans Sehen gewöhnt, so daß selbst schon
das
Aufsehenerregenste mit der Zeit langweilig, gewöhnlich und
selbstverständlich
wird.
An einem Punkt sagen wir dann aber plötzlich: "Jetzt
ist genug.
Jetzt habe ich genug gesehen. Ich will meine Ruhe. Ich werde blind."
Und
da sind wir in der Situation, wie diese beiden Menschen in der
Nähe
von Jericho. Diese beiden Blinden, die sagen: "Wir wollen nichts sehen,
laß uns in Ruhe ..." und die auch deshalb Jesus nicht
nachfolgen
können.
Daß Jesus ihnen vielleicht helfen wird, die
schrecklichen Bilder
dieser Welt zu verstehen, daß er ihnen Kraft geben kann,
mit
dieser neuen und gefährlichen Unruhe zu leben, dazu fehlt ihnen
von
vornherein die Einsicht. Sie wollen auf jeden Fall blind bleiben. Sie
meinen,
das ist sicherer, als auf diesen Jesus zu setzten, der ihr gewohntes
Leben
durcheinander bringen kann.
Die Lebensgeschichte einer Frau, fällt mir dazu
ein, die
ich vor einigen Jahren kennengelernt hatte. Diese Frau konnte nach
einem
schweren Unfall nichts mehr sehen. Die Chancen standen sehr schlecht,
daß
eine Operation helfen würde und die Ärzte wollten den Versuch
nicht wagen.
Viele Jahre war diese Frau blind und sie hatte
sich mit ihrem
Schicksal abgefunden, hatte ihr Leben danach eingerichtet und es ging
ihr
auch ganz gut. Die Medizin hatte sich aber weiterentwickelt. Eine neue
Operationstechnik konnte vielleicht Hilfe bringen, konnte ihr
Augenlicht
vielleicht wieder gesund machen.
30 Jahre war diese Frau alt, damals als der Unfall
passierte. Mittlerweile
war die Zeit vergangen und sie ging auf die fünfzig zu. Und sie
hatte
Angst. Sie hatte Angst vor dieser Operation und nun nicht, weil etwas
schief
gehen konnte, sondern genau vor dem Gegenteil fürchtete sie sich.
Sie hatte Angst, daß sie wieder sehen konnte.
Vom Unfall waren häßliche Narben im Gesicht
zurückgeblieben.
Sie war älter geworden. Und wenn die Operation nun gelingt? Der
erste
Blick in den Spiegel, was würde sie sehen?
Die Frau versuchte die Operation hinauszuschieben. Sie
erfand alle möglichen
Gründe dazu und sie konnte auch mit niemandem so richtig
darüber
sprechen. Sie dachte: "Ein sehender Mensch kann einen blinden sowieso
nicht
verstehen."
In der Klinik kam sie dann mit einem Mann zusammen,
der die neue Operation
gut überstanden hatte. Und er sagte ihr: "Es ist schwer, wenn man
wieder sehen kann, aber die Welt steht mir nun offen und ich bin frei
geworden."
Die Frau wagte den Versuch. Die Operation glückte
und sie wurde
frei. Sie konnte sehen und einen neuen Lebensweg gehen, auch wenn der
erste
Blick in den Spiegel sehr schmerzhaft war.
|
Liebe Gemeinde, zurück zu unser falschen
Bibel-geschichte, die
beiden Blinden da in der Nähe von Jericho, die hatten auch Angst.
Sie wollten in ihrer Ruhe nicht gestört werden. Es sollte alles
beim
alten bleiben. Sie hatten keine starken Nerven, um das wirkliche Bild
dieser
Welt zu verkraften. Und vor allen Dingen hatten sie kein Vertrauen,
daß
ihnen Jesus weiterhelfen würde. Sie waren eben, so sagen wir es
heute,
sie waren Kleingläubig.
Ihr Glaube reichte nur von der Hand in den Mund, denn das
war ihre blinde
Welt, von der Hand in den Mund. Wenn sie genug zu essen hatten, wenn
sie
warm gekleidet waren, dann war ihre Welt in Ordnung. Und sie
wollten
nicht sehen, das Elend der anderen Menschen. Sie wollten nicht
belästigt
werden mit den Problemen von Fremden. Und sie wollten keine Antwort
geben
müssen, wenn die anderen geschrien hätten: Warum helft ihr
uns
nicht.
Und Jesus hatte kein Mitleid und berührte ihre Augen
nicht und
die Blinden blieben da, wo sie waren und folgten ihm nicht nach.
Ich möchte Ihnen jetzt den richtigen Bibeltext
vorlesen. Vielleicht
ist er durch die anfangs erzählte Gegendarstellung, jetzt
deutlicher
zu verstehen. Die wahre Geschichte mit Jesus geht so:
Als sie Jericho verließen und
die Scharen
von Menschen ihm folgten, saßen zwei Blinde am Wege. Die schrien,
als sie hörten, daß Jesus vorbeiging: Herr, Sohn Davids! Hab
Erbarmen mit uns! Aber die Menschen wurden zornig und befahlen ihnen zu
schweigen. Da schrien die beiden noch lauter: Herr, Sohn Davids! Hab
Erbarmen
mit uns! Und Jesus blieb stehen, rief die beiden zu sich und fragte:
Was
soll ich tun? Was wollt ihr von mir? Sie sagten: Wir wollen, daß
unsere Augen sich öffnen. Und Jesus hatte Mitleid und
berührte
die Augen. Da blickten die Blinden auf und folgten ihm nach. (Mt
20,29-34)
Liebe Gemeinde, wir sollten immer wieder in unserem Leben
versuchen,
uns diese Bitte der Blinden zu eigen zu machen, uns dieser Bitte
anzuschließen
und sie auszusprechen: "Herr, wir wollen, daß unsere Augen sich
öffnen."
Und wenn wir diesen ersten Schritt gemacht haben, dann wird Jesus
Christus
uns weiterführen, - bei uns sein -, durch die Höhen und
Tiefen
unseres Lebens.
Es hat natürlich seinen Vorteil, wenn man blind ist und
wenn man
das Schlechte in der Welt nicht sehen muß. Aber es hat auch einen
ganz entscheidenden Nachteil. Das Gute in der Welt und das Gute
in unserem eigenen Leben, das können wir dann nämlich auch
nicht
sehen.
Wer die Augen vor der Wirklichkeit verschließt, kann
sich sein
Leben schönreden. Vor Krankheit und Tod werden die Augen
geschlossen,
bei Versagen und Schuld wird weggeguckt. Und das gute im Leben, das
wirklich
gute, daß wir ja auch tagtäglich erfahren, das wird zur
Gewohnheit,
zur Selbstverständlichkeit und wir bemerken es kaum noch.
Jesus Christus möchte uns Menschen, mit seinem Leben
und mit seinem
Vorbild aus diesem Dilemma heraushelfen. Das ist für mich
eigentlich
die Kernaussage dieser Wundergeschichte. Er möchte, daß
unsere
Augen offen und wachsam sind, um die Wahrheit zu erkennen, das Gute und
das Schlechte in dieser Welt und in unserem ganz persönlichen
Leben
zu sehen und - anzunehmen.
Und wenn wir das können und wollen, dann werden wir
auch das
Gute vom Schlechten unterscheiden können. Dann werden wir
Maßstäbe
finden, die uns das Gute tun lassen und uns vor dem Schlechtem
bewahren.
Er ist dann sinnbildlich an unserer Seite und er gibt uns mit seiner
Lehre
Hilfe dazu.
Dann sind wir nicht mehr kleingläubig, müssen
nicht mehr egoistisch
sein, sondern können offen sein für das was kommt und das was
nicht kommt.
Abschließend noch ein bekannter Ausspruch von Jesus: Das
sage ich euch, damit ihr in mir Frieden habt. sagte er, In der Welt
habt
ihr Angst, aber beunruhigt euch nicht. Ich habe die Welt
überwunden.
(Jh 16,33) Und wenn ihr bei dem bleibt, was ich euch
gesagt habe, seid ihr wahrhaftig meine Freunde und werdet die Wahrheit
erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen. (Jh 8,31).
Amen
|
Predigt Jes. 1,1-13 Berufung Pfr.
Braukmann
Neulich laß ich folgendes Stellenangebot:
"Suchen
ltd. Mitarbeiter mit Verkaufserfahrung für ein Unternehmen, das in
seinem Bereich unangefochtener Marktführer ist."
Wir erwarten:
- Verkaufserfahrung
- Konfliktfreudigkeit
- Mißerfolgsstabilität bei garantiertem Mißerfolg
- nicht demotivierbar
- aus großbürgerlichen Verhältnissen
- Fähigkeit zur Vermarktung eines Produktes, das niemand will
- Rechenschaftspflicht direkt gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden
Wir bieten:
- Lebensstellung
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist zwar schwierig, aber wer
würde
sich schon auf solch eine Stelle bewerben?
Ich habe dies „Stellenanzeige“ übrigens nicht in der FAZ/Manager
Magazin/Tagesspiegel gefunden, sondern im Buch des Propheten Jesaja.
Jesaja berichtet über seine Berufung zum Propheten Textlesung:
Jes. 6,1-13 (GN)
1 Es war in dem Jahr, als König
Usija starb.
Da sah ich den Herrn; er saß auf einem sehr hohen Thron. Der Saum
seines Mantels füllte den ganzen Tempel.
2 Er war umgeben von mächtigen
Engeln. Jeder
von ihnen hatte sechs Flügel; mit zweien bedeckte er sein Gesicht,
mit zweien den Leib, zwei hatte er zum Fliegen.
3 Die Engel riefen einander zu:
»Heilig, heilig, heilig ist der
HERR,
der Herrscher der Welt, die ganze Erde
bezeugt
seine Macht!«
4 Von ihrem Rufen bebten die Fundamente
des Tempels,
und das Haus füllte sich mit Rauch.
5 Vor Angst schrie ich auf: »Ich
bin verloren!
Ich bin unwürdig, den HERRN zu preisen, und lebe unter einem Volk,
das genauso unwürdig ist. Und ich habe den König gesehen, den
Herrscher der Welt!«
6 Da kam einer der mächtigen Engel
zu mir
geflogen. Er hatte eine glühende Kohle, die er mit der Zange vom
Altar
genommen hatte.
7 Damit berührte er meinen Mund und
sagte:
»Die Glut hat deine Lippen berührt. Jetzt bist du von deiner
Schuld befreit, deine Sünde ist dir vergeben.«
8 Dann hörte ich, wie der Herr
sagte: »Wen
soll ich senden? Wer ist bereit, unser Bote zu sein?«
Ich antwortete: »Ich bin bereit,
sende
mich!«
9 Da sagte er: »Geh und sag zu
diesem Volk:
'Hört nur zu, ihr versteht doch nichts; seht hin, soviel ihr
wollt,
ihr erkennt doch nichts!'
10 Rede zu ihnen, damit ihre Herzen
verstockt
werden, ihre Ohren verschlossen und ihre Augen verklebt, so daß
sie
mit ihren Augen nicht sehen, mit ihren Ohren nicht hören und mit
ihrem
Verstand nicht erkennen. Ich will nicht, daß sie zu mir umkehren
und geheilt werden.«
11 »Wie lange soll das dauern,
Herr?«
fragte ich.
Der HERR antwortete: »Bis die
Städte
zerstört sind und die Häuser leerstehen und das ganze Land
zur
Wüste geworden ist.
12 Ich werde die Menschen fortschaffen,
und das
Land wird leer und verlassen sein.
13 Und ist noch ein Zehntel übrig,
so wird
es ihnen gehen wie den Trieben, die aus dem Stumpf einer gefällten
Eiche oder Terebinthe wachsen: sie werden abgefressen!«
Der Stumpf aber bleibt, und aus dem
Stumpf wird
neues Leben sprossen zu Gottes Ehre.
I. Dem Heiligen begegnen
Jesaja, ein frommer, gebildeter, heiliger Mann seines
Volkes, aus besten
Verhältnissen stammend begegnet unvermittelt dem lebendigen Gott.
Nicht so wie andere Menschen vor ihm auch schon: heimlich, still und
leise.
Jesaja hat eine Vision.Eine Vision, mehr als einen Traum. Und in dieser
Vision sieht Jesaja Gottes Realität von Angesicht zu Angesicht.
Dabei
ist Jesaja kein religiöser Phantast, kein Spinner, der jetzt eben
auch noch träum Gott selbst begegnet zu sein.
Nein, er steht mit beiden Beinen fest im Leben. Und aus eben dieser
Sicherheit reiß ihn die Begegnung mit Gott heraus.
Heilig, Heilig, Heilig!
So hört Jesaja die Engel im Himmel den heiligen Gott anbeten.
Heilig,Heilig,Heilig, daß ist nicht irgendein Anbetungslied,
nicht ein beliebig austauschbarer himmlischer Dauerbrenner.
In diesem dreimal heilig wird Gott als der unaussprechlich heilige
Herr angebetet. Und weil dieser gewaltige Unterschied zwischen Gott und
den Wesen, die ER geschaffen hat, den Engeln und erst recht den
Menschen,
nicht zu beschreiben, nicht zu formulieren ist, deshalb fassen es
sogar die Engel im Himmel zusammen in den Heilig, Heilig, Heilig! So
wie
der Schall des Lobes Gottes zu uns Menschen durchdringt sind wir mit
eingeladen,
ja aufgefordert, in dem himmlischen Lobgesang Gottes, des Gottes
Israels
und des Vaters unseres Herrn Jesus Christus mit einzustimmen. Wenn wir
das tun stellen wir uns vereint mit den Engeln im Himmel an den Thron
Gottes
vor sein Angesicht, um Ihm allein die Ehre zu geben.
Vor diesem Angesicht des Heiligen Gottes bekennt Jesaja:
„Wehe mir ich vergehe.“
Da, wo Menschen Gott begegnen, da wo Gott Menschen begegnet, da stehen
sich radikal Heiligkeit und Unvollkommenheit gegenüber. Aber darin
beläßt uns Gott nicht. Nicht so wie manche Menschen sind,
die
andere klein und gering halten müssen, um selber heller zu
strahlen.
In der Begegnung mit Gott beseitigt Er die unüberbrückbare
Distanz.
ER, Gott, der Heilige, vergibt uns wendet sich uns zu, und schafft so
selbst
die Voraussetzung zu einer dauerhaften Beziehung.
Heilig, Heilig, Heilig!
Gott ist uns meist viel näher als der liebende Vater, als der
gute Hirte, der Freund...., alle diese Gottesvorstellungen gelten nach
wie vor, denn Gott stellt sich uns so vor, aber, das Heilig, Heilig,
Heilig,
ruft uns auch die Realität Gottes als des ganz Anderen, des
Unaussprechlichen
in Erinnerung, und mahnt uns so Gott nicht auf die Größe
eines
Übermenschen zu reduzieren.
Im Namen dieses heiligen Gottes haben wir Beate vorhin
gesegnet, diesem
unvergleichlichen Gott haben wir sie ans Herz gelegt. Das ist nicht nur
ein schönes Ritual, daß zur Rechtfertigung einer
Familienfeier
herhalten muß, es verändert, es prägt eine
Lebensrealität.
Beate begegnet darin dem Heiligen Gott selbst.
II. Der Bote und seine Botschaft
„Wen soll ich senden?“ Gottes Frage ist nicht nur eine
rethorische Frage!
Gott beruft, aber er zwingt nicht! Gottes Berufung kann unausweichlich
sein, immer wieder auf den Plan treten, aber Gott schleppt keinen
Menschen
in Ketten hinter sich her.
„Hier bin ich, sende mich!“ so antwortet Jesaja selbst auf
die Frage
Gottes. Ob er sich zu diesem Auftrag gemeldet hätte, wenn er
gewußt
hätte von welcher Art seine Botschaft sein würde? Eine
müßige
Frage - Jesaja nimmt den Auftrag an im Vertrauen auf die Aus- und
Zurüstung
Gottes.
Aber eine Frage drängt sich an dieser Stelle doch
auf: Warum
sendet Gott überhaupt einen Botschafter los, wenn er doch von
vorne
herein genau weiß: Keiner wird auf ihn hören, der Ruf zur
Umkehr
wird verhallen, dem Gebot „Ich bin der Herr dein Gott“ wird keine
Rechnung
mehr getragen. Warum also? Vielleicht deshalb weil Gott zwar die
besserwisserische
Verstocktheit unserer Herzen kennt, Er aber nicht schuldig werden will
und kann, indem Er uns den Ruf zur Umkehr vorenthält.
Eine andere Frage kann man auch an den Inhalt der Botschaft
stellen.
Kann der, der eine solche Botschaft verkünden läßt und
sie dann auch noch Realität werden läßt, überhaupt
heilig sein? Ja, so versuche ich zu antworten, Er kann sein Gericht
verkünden,
gerade weil er der Heilige ist. Gott ist Gott und der Mensch ist
Mensch,
Er ist der Schöpfer wir seine Geschöpfe, machen wir nicht den
Fehler Gott nach unseren menschlichen Vorstellungen beurteilen zu
wollen.
Wir können sein Handeln eben oft nicht einmal verstehen,
geschweige
denn beurteilen. „Wer bist du Mensch...“
Die Berufung Gottes an einen Menschen, Gericht zu
verkünden ist
in diesem Maß höchst selten. Und Gott spricht diese Berufung
in prägnanter Weise persönlich aus. Wer sich also darin
gefällt
Bote des Gerichtes zu sein, der muß sich fragen lassen, ob dies
denn
auch seine konkrete Berufung ist und nicht nur ein Weg
persönlicher
Wut über unerträgliche Umstände Ausdruck zu verleihen.
Ein
Botschafter des Evangeliums wird das Gericht Gottes nicht verschweigen,
aber da ist das Hauptthema die Frohe-Botschaft und nicht die
Droh-Botschaft.
III. Herr wie lange?
Jesaja gefällt sich nicht in dieser Rolle, er findet
keinen Gefallen
am Untergang, wird nicht zum „Todesengel“. Er leidet als Bote mit den
Empfängern
der Botschaft. Die Nachricht, die er an das Volk Gottes zu
überbringen
hat ist nahezu unaussprechlich,
aber die Realität zu der sie wird steht ihr in nichts nach! Da
wo Jesaja fragt: Herr wie lange?
Bin ich versucht zu fragen: Herr, warum?
Ich verstehe nicht warum Gott so handelt, aber ich
spüre, ich muß
es auch nicht verstehen, kann es vielleicht gar nicht. Die Heiligkeit
Gottes
macht mich nicht mundtot, lehrt mich aber zu vertrauen, auch
angesichts
des Unaussprechlichen.
Ich glaube, d.h. ich bin überzeugt: Hier regiert nicht
diktatorische
Willkür, hier regiert das Recht, Gottes Recht.
„Herr, wie lange?“
Gott gibt uns das Recht zu fragen, er gibt uns das Recht zu
klagen.
Gott läßt sich von uns Menschen fragen, erlaubt uns ihn zu
hinterfragen,
weil er den Dialog mit uns will nicht einen erbarmungslosen Gehorsam.
Eine christliche Predigt über dieses Wort, noch dazu
eine deutsche
Predigt darf, so finde ich, zweierlei nicht verschweigen:
Sie darf nicht verschweigen, daß es eine Versuchung gibt eigenes
zerstörerisches Handeln mit der Legitimation Gottes zu versehen
und
damit an der Heiligkeit Gottes und seines Willens schuldig zu werden.
Gottes
Arm ist lang genug, er braucht keine verlängerten Arme. Zweitens
darf
nicht verschwiegen werden, daß es die Versuchung gibt fehlende
persönliche
Courage, Mut und Widerstand hinter der Frage zu verstecken: Hat nicht
Gott
selbst die Vernichtung seines Volkes beschlossen und wir tun oder
dulden
doch nur sein Werk?
Hüten wir uns vor diesen Versuchungen!
Die Berufung Jesajas als Prophet des Gerichtes Gottes
über sein
Volk wird uns wohl immer ein Stück fremd bleiben.
Und doch handelt Gott durch diese Berufung ernsthaft und real. Jesaja
empfängt seinen unaussprechlichen Auftrag direkt aus dem Mund des
heiligen Gottes und übermittelt uns so ein Hauch des Heilig,
Heilig,
Heilig.
Und das fordert uns dazu auf Gott nicht klein zu machen, ihn
nicht zu
reduzieren auf Menschenmaß zu reduzieren. Denn man kann Gott auch
deshalb nicht verstehen, weil man ihn nicht als Gott ernst nimmt.
Lassen
wir uns mit hineinnehmen in die Anbetung vor der Heiligkeit Gottes wenn
wir als christliche Gemeinde im Gottesdienst das dreimal Heilig singen,
denn es ist nicht nur ein Teil irgendeiner alten Liturgie: die Engel im
Himmel singen es uns vor.
Schließlich bleibt noch die eindringliche Frage:
„Herr, wie lange?“,
die uns bis in diesen Gottesdienst hinein wissen läßt:
Gottes Gericht ist schrecklich, aber es ist nicht hoffnungslos nicht
endlos. Wer würde den heiligen Gott denn ernsthaft fragen wollen:
Herr wie lange willst du uns noch lieben?
Sein Zorn ist begrenzt, seine Liebe und Barmherzigkeit ist ewig!
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Monatsspruch Lukas 10,27 (Februar 2001, Gebot der
Liebe)
Pfr. Beermann
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit
ganzem Herzen
und aus ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken,
und:
Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.
Liebe
Lesergemeinde, mit dem im Monatsspruch für Februar genannten wichtigen
Gebot will Gott uns zeigen, wie sehr er uns liebt und für sich
beansprucht. In unserer Liebe, unserer Hingabe, unserem Vertrauen, in
allem
sollte eine durchsichtige Auslieferung unserer selbst an den Willen und
den Dienst Gottes zum Ausdruck kommen.
Von ganzem Herzen - mit unserem Sehnen, unseren
Gefühlen; von ganzer
Seele - mit unserem Lebenseifer, mit unserem Willen; mit all unserer
Kraft
- mit unserer ganzen Hingabe; mit all unseren Gedanken sollen wir uns
Gott
nahen: über diese Liebesfähigkeit kommen wir zum Leben - zu
einem
sehr viel breiteren, tieferen, höheren Leben.
Sicher, zu lieben, wie es uns dieses Gebot sagt, ist ein Wagnis
von einer ganz besonderen Art. Nicht wenige Menschen haben Angst vor
ihrer
Sehnsucht und Liebe, weil sie sie wie eine elementare Kraft erleben,
der
sie schließlich ausgeliefert sind. Vielleicht empfinden wir alle
ähnlich, wir haben eine gewisse Scheu davor, dass diese
Gefühle
etwas mit uns machen könnten, was wir nicht wollen. Oder wir haben
Angst vor Mißbrauch. Gottes Liebe aber macht nicht blind, sondern
sehend.
Wir sehen tiefer als es die äußeren Umstände
zulassen,
wir lassen uns nicht blenden und brauchen auch keine dickeren
Brillengläser.
Wir werden zur Liebe aufgefordert, und indem wir uns intensiver
hineinbegeben
in diese Liebe, nehmen wir uns aus der oberflächlichen Ordnung
unseres
Lebens heraus. Wir brauchen diese starken Gefühle, um
einen
Weg aus uns selbst heraus zu finden, zu Gott und zum anderen hin. Auch
brauchen wir diese Liebe, die Seiten in uns selbst kennen zu lernen,
die
wir allein nicht entdecken würden. Wir haben ein Innenleben, an
das
wir selbst nur schwer herankommen. Ein Beispiel dafür ist, dass
wir
uns zuweilen in eine Seite eines anderen verlieben, die eine verborgene
Seite von uns selbst ist, wir davon aber nichts wissen.
Die Liebe hat ein unglaublich spannendes und erfinderisches
Wesen. Gott
erwartet viel von uns, er erwartet unsere vollkommene Hingabe. Je mehr
wir uns ausliefern, desto stärker wird die verwandelnde Wirkung
sein,
die dann von unserem Leben ausgeht.
Die Gesetze der Logik und des Verstandes beherrschen nicht
mehr alles,
Wunder sind wieder möglich. Wir haben verborgene Schätze in
uns.
Durch das Gebot der Liebe kann Gott diese Schätze in uns ans Licht
bringen. Wir leben nicht umsonst und jede Tat unserer Liebe wird ein
Stück
neues Leben möglich machen. Aus einer Verletzbarkeit entsteht
Nähe,
nach der sich alle Menschen sehnen.
Das eigentliche Geheimnis des Lebens ist die Liebe,
und solange
wir auf dem Weg der Liebe bleiben , sind wir - in jeder Hinsicht - in
Sicherheit,
wir erleben wahrhaft Geborgenheit.
Ihr Meinhard Beermann
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Jahreslosung 2001 (Weisheit und Erkenntnis) Pfr. Zillmann
In Christus liegen verborgen alle Schätze
der Weisheit und der Erkenntnis.
(Kolosser 2,3)
Liebe Lesergemeinde, die im Jahresspruch verwendeten Worte
Weisheit
und Erkenntnis sind gute Worte, sie sind wie Gold und Edelstein.
Niemand
möchte darum von anderen als unreif oder dumm bezeichnet werden.
Weisheit
und Erkenntnis fallen uns aber nicht von alleine zu. Sie sind eben Schätze,
die scheinbar erst gehoben werden wollen. Aber können wir
erfolgreiche
Schatzsucher sein, indem wir mühselig und fleißig Wissen
ansammeln
und dann sagen: "Ich bin nun weise." ?
Im
Alten Testament fragt schon Hiob: "Wo ist ihr Ort? Wo kommt die
Weisheit
her? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt?" Und nach langem
Grübeln
und schweren Schicksalsschlägen in seinem Leben, sagt er dann:
"Nur
Gott, sonst niemand, kennt den Weg zu ihr. Er ganz allein weiß,
wo
die Weisheit wohnt."
Diese Überlegung ist umstritten. Gerade in einer Zeit,
in der mit
Mikroskop und Fernrohr, mit wissenschaftlichen Theorien und
Computerprogrammen,
nach den Edelsteinen der Weisen gesucht wird, entrüstet sich
mancher:
"Ich lass mir beim Schatzsuchen doch nicht die Landkarte stehlen und
die
Schippe aus der Hand nehmen. Selbst ist der emanzipierte Mann und die
emanzipierte
Frau – emanzipiert von Gott!"
Diese Befreiung und Unabhängigkeit ist aber oft Hochmut
und der
wissenschaftliche Kollaps folgt auf dem Fuß. Moderne Beispiele
kennt
jeder. Die Alten hatten ihren Turmbau zu Babel und es folgte der
Schluß:
"Den HERRN ernst nehmen ist der Anfang aller Erkenntnis. Wer ihn
missachtet,
verachtet auch Weisheit und Lebensklugheit."
Wir plagen uns im alltäglichen Leben nun nicht mit
Erkenntnistheorien
herum, aber wir wollen doch wissen, was für unser
persönliches
Leben wichtig ist, wie es gut wird, wie es sinnvoll bleiben kann. Eine
Antwort liegt im Jahresspruch. Lebensklugheit liegt bei Jesus Christus
– in seiner Menschlichkeit – in seiner Größe.
Es macht natürlich Mühe, diesen oft verborgenen
Schatz zu
heben und dann auch noch auf sein eigenes Leben anzuwenden. Aber wenn
es
ge-lingt, dann können wir mit einfachen biblischen Worten sagen:
Den
HERRN stets ernst zu nehmen, das ist Weisheit. Und alles
Unrecht
meiden, das ist Einsicht. Ihr
Pfarrer
Zillmann
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Ev.Kirche Am Seggeluchbecken in
Berlin-Reinickendorf
Pfarrer Peter Zillmann, 13435
Berlin-Märkisches
Viertel, Finsterwalderstr. 68
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