Hauptseite.Archiv                                PageAutor: Pfarrer Zillmann

Kirchen-Gemeinde im Internet:
Willkommen in der Kirche

Predigten und Andachten 2002

Inhalt

Jahreslosung 2003 - 1.Samuel 16,7 (Mensch mit Herz) 01.12.02 Pfr. Zillmann
Predigt 2. Advent   Lukas 21, 25-33 (Apokalypse) 08.12.02 Pfr. Rochusch
Predigt   1. Joh 2,17 (Was ist Gottes Wille?) 27.10.02   Pfr. Zillmann
Andacht Monatsspruch Oktober 2002 (Offb 3,2) 19.09.02 Pfr. Rochusch
Predigt (Wir bauen uns einen besseren Gott. Ex 32,1-14) 05.05.02 Pfr. Zillmann
Festpredigt (30 Jahre Kirche - Jes 58,1-9)  10.02.02 Pfr. Rochusch
Jahreslosung 2002 - Jes 12,2 (Heilig Abend -Vertrauen) 24.12.01 Pfr Zillmann
Jahreslosung 2001 (Weisheit und Erkenntnis) Pfr. Zillmann
 

weitere Predigten im Archiv
(Hinweis: Die Predigten sind teilweise geschrieben wie vorgetragen)

.

.

    Jahreslosung 2003   1.Samuel 16,7 (Mensch mit Herz) 01.12.02 Pfr. Zillmann

Liebe Lesergemeinde, wer Geburtstag hat, bekommt etwas geschenkt. Als Jesus Christus geboren wurde, gab es auch Geschenke. In unserer Bibel steht die Weihnachtsgeschichte von den drei Weisen, oder den drei Königen aus dem Morgenland, die dem Geburtstagskind Geschenke bringen. Neben dieser biblischen Geschichte gibt es noch viele weitere Legenden zur Geburt Jesu. Eine dieser weiteren Geschichten, ist die Erzählung vom vierten König. Sie kann sowohl als Weihnachtgeschichte als auch als Beispiel für die Jahreslosung gelesen werden.

  "Im Slawenland erzählt man, dass nicht drei sondern   v i e r   Könige auf dem Weg waren, um den neugeborenen König zu ehren. Der vierte König kam  aus dem kalten Norden.  Auf seinem weiten Weg  sah er viel Elend. Er konnte nicht vorbeigehen ohne zu helfen. Er hatte als Geschenk für den König der Welt drei funkelnde Edelsteine im Gürtel.

Als er eines Tages ein ausgesetztes Kind fand, kaufte er mit einem der Edelsteine einen Platz im Waisenhaus für das Kind. Einer Mutter mit vielen Kindern verhalf er mit der Weggabe des zweiten Steines dazu, daß sie nicht aus dem Haus  hinausgeworfen wurde. Und einem Manne, der den König beleidigt hatte und deswegen in die Verbannung geschickt werden sollte, erwarb er mit dem dritten Stein die Freiheit. Dann gab er, um Not und Leid zu mildern, sein Ross, seinen Mantel und seinen Schmuck. Und als er nichts mehr zu geben hatte als seine eigene Kraft, tat er Arbeit für andere, pflegte Kranke und duldete Strafen für andere.

So kam er um viele Jahre später im heiligen Land an. Alt und Müde, ohne Geschenke, doch voller innerer Freude trat er durch die Tore Jerusalems. Da war ein großes Gewimmel. Er wurde einfach mitgerissen und stand plötzlich vor einem Mann, der am Kreuze starb. Über ihm stand geschrieben: Jesus von Nazaret - König der Juden.  Und der Sterbende schaute gerade auf ihn mit gütigem Auge.

Da kniete der vierte König nieder und sagte: "Herr, endlich bin ich da, wohl mit leeren Händen, aber mit reichem Herzen." -  "Ich weiß," sprach der Herr am Kreuz,  "doch alles, was du den Geringsten unter den Menschen getan hast, das hast du mir getan." Und er hieß den vierten König die Hände falten und ließ sterbend drei Blutstropfen in sie fallen. Dann neigte der Herr das Haupt und starb. Als aber der vierte König seine Hände aufmachte, um nach den Blutstropfen zu sehen, da waren es drei köstliche rote Edelsteine geworden."


.

    Predigt 2. Advent   Lukas 21, 25-33 (Apokalypse) 08.12.02 Pfr. Rochusch
 

Worte Jesu Christi: Und es werden Zeichen sein an Sonne und Mond und Ster-nen. Auf der Erde werden Nationen in Ratlosigkeit verfallen. Das Meer und die Wassermassen werden toben, während die Menschen verschmachten vor Furcht. Sie warten auf die Dinge, die über den Erdkreis kommen, denn die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden. Und dann werden sie den Sohn des Men-schen kommen sehen in einer Wolke mit Macht und großer Herrlichkeit. Wenn aber diese Dinge anfangen zu geschehen, so blickt auf und hebt eure Häupter em-por, weil eure Erlösung naht.

Und Jesus Christus sprach ein Gleichnis zu ihnen: Seht den Feigenbaum und alle Bäume; wenn sie ausschlagen, so erkennt ihr von selbst, dass der Sommer nahe ist. So erkennt auch ihr, wenn ihr dies geschehen seht, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch, dass dieses Geschlecht nicht vergehen wird, bis alles geschehen ist. Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.

Gedanken:
1)  Die apokalyptischen Bilder und Gedanken sind wahrscheinlich keine Originalworte Jesu. Sie sind Bilder der damaligen Zeit, in denen sich die Menschen mit Ahnungen, Erfahrungen, Er-lebnissen auseinandersetzen. Sie haben auch – wie Menschen in allen Zeiten – gefragt, ob dramatische Weltereignisse ein Hinweis auf eine großartige Veränderung der Welt sind, eine Ankündigung auf ein göttliches Handeln.
So zu fragen, setzt voraus, dass die Menschen Gott als den Handelnden in dieser Welt glauben, dass sie nicht glauben, dass die Welt sich selbst überlassen sei in ihrer Existenz und Entwicklung. Auch wir Menschen sind nach diesem Glauben nicht uns selbst überlassen, sondern entwickeln uns in Relation zu diesem Gott. Nur die Art des Gottesglaubens in der Apokalypse ist unterschiedlich: Die einen beobachten und erwarten ein zerstörerisches, strafendes Handeln Gottes, die anderen sehen in den Zerstörungen die Kraft des Bösen und erhoffen von Gott ein das Böse beendendes, die Welt rettendes Handeln und deuten die Zeichen sogar so weit, dass sie den „Endkampf“ des Bösen gegen den guten Gott glauben, erkennen zu können.

2)   Wahrscheinlich ist nur das Gleichnis vom Feigenbaum von Jesus Christus formuliert. Er will auf die unmittelbare Nähe des Reiches Gottes hinweisen, zum Glauben einladen und zur Bereitschaft, Gottes Handeln zu erwarten und anzunehmen. Der Feigenbaum ist ein symbol-trächtiger Baum in den warmen Breitengraden Israels. Bei uns wäre es wohl das Schnee-glöckchen, das mit seinem zarten Blühen mitten im Schnee alle Jahre wieder als erster Frühlingsbote gedeutet wird. Hört man das Gleichnis vom Feigenbaum so, dann wird klar, dass die Christen apokalyptische Bilder und Gedanken als Andeutung und Aussage des Trostes gehört und benutzt haben: „Erhebet eure Häupter“, „Das Reich Gottes ist nahe“, „Meine Worte werden nicht vergehen.“ Können wir den Trost nachempfinden?

3)  Apokalyptische Gedanken sind „moderne“ Gedanken, intellektuelle Auseinandersetzung, weil Menschen jeder Generation die Zeichen ihrer Zeit zu deuten versuchen. So denken auch wir über die Katastrophen unserer Zeit nach: Kriegsnachrichten, der Öltanker und die Ölpest im Atlantik, der Waldbrand in Australien usw., usw. Allerdings verstärkt die moder-ne Berichterstattung in den Medien das Gefühl der Intensität von Katastrophen. Frühere Generationen haben einfach nicht so viel erfahren. Und bei früheren Generationen waren auch logischerweise nicht so viel Menschen betroffen, weil es nicht so viele Menschen gab. Darum ist wohl das deutlichste Zeichen einer Veränderung der Welt das dramatische An-wachsen der Weltbevölkerung, die alle einzelnen Natur- oder Umweltereignisse beachtenswert macht.

4)  Ohne  Frage bringt uns Menschen auch das Miterleben des Sterbens eines geliebten Menschen in der Familie und all die sich daraus ergebenden Aufgaben und Veränderungen zu den Interpretationen, die der Apokalyptik ganz ähnlich sind. Trauer und Weltuntergangsstimmung haben in der Gefühlswelt große Ähnlichkeit. Und für den/die Verstorbene/n glau-ben wir, dass der Tod die Erfahrung des Neuen ist wie für die Welt das Weltende = Gottes Handeln. Aber auch hier sind Menschen von der Angst erfüllt, dass der Tod Strafe des Bö-sen oder Gottes für das Böse im Menschen ist wie die Zerstörung der Welt als Strafe für die Welt und alle Menschen gedacht wird.

5)  Christliche Apokalyptik will trösten mit der Verkündigung der Auferstehung, mit der Botschaft von Advent, mit dem Warten auf Gottes Handeln in der Geburt Jesu Christi zu Weih-nachten, mit dem Warten auf den wiederkommenden auferstandenen Christus. Wir dürfen die kleinen tröstenden Zeichen der Adventszeit (Kerzen, Lieder, Geschenke usw.) genießen, weil sie uns die Nähe und Liebe Gottes anzeigen.        Ihr Pfr. Rochusch



.

    Predigt   1. Joh 2,17 (Was ist Gottes Wille?) 27.10.02Pfr. Zillmann
 
 

Liebe Gemeinde, wir beten in jedem Gottesdienst das Vaterunsergebet. Die dritte Bitte lautet: Gottes Wille soll geschehen im Himmel und auf der Erde.

Wenn ich an Gott glaube, dann kann ich diese Bitte gut nachsprechen. "Gottes Wille soll geschehen ..." diese Aussage finden wir in allen Religionen. Und in allen Religionen entdecken wir dann auch das Problem bei dieser Bitte: "Was ist eigentlich der Wille Gottes ? - Was will Gott? Wer kann mir sagen, oder wie kann ich erkennen, was Gott will?"

Der Predigttext für den heutigen Sonntag ergänzt diese Bitte noch, er geht noch ein Stück weiter. es heißt im 1.Johannesbrief 2,17 (GN):
 

"Die Welt vergeht, und mit ihr die ganze Lust und Gier.
Wer aber tut, was Gott will, wird ewig leben. "
Liebe Gemeinde, ewiges Leben ist eine feine Sache, jedenfalls wenn man gesund ist; Und Gottes Wille tun, ist sicher auch OK, stehe ich doch dabei auf der guten Seite. Und wenn ich etwas gutes mache und dafür sogar noch reich belohnt werde, dann ist mein Interesse geweckt, hier werde ich genauer hinhören.

Es tun sich aber auch gleich Gegensätze und Verstrickungen auf. So einfach ist das ja mit dem ewigen Leben nicht. Davor stehen die großen Hürden, die mich meistens zu Fall bringen. Und drei dieser großen Hürden will ich im Zusammenhang mit Gottes Wille näher betrachten.

Da steht zum einen Gottes Wille gegenüber der Wirklichkeit - die manchmal recht trüb aussieht; der Lauf der Dinge, wo wir manchmal den Eindruck gewinnen, es geht alles nur bergab.

Da ist zum anderen Gottes Wille gegenüber unseren eigenen Wünschen. Was habe ich persönlich eigentlich noch zu melden. Gottes Wille - schön und gut, aber was ist denn mit meinen Anliegen, Träumen und Sehnsüchten

und das dritte: Gottes Wille gegenüber unserem Tun. Was soll ich machen - das ist die große Frage. Ich will ja Gottes Wille tun, aber wohin soll ich denn gehen, nach links oder vielleicht nach rechts,  und bin ich nicht doch schon ganz schön müde, um überhaupt irgendwas zu machen.?

Die Briefe des Johannes haben verschiedene Aspekte für unser heutiges Christsein. Wir könnten darüber nun viel nachdenken und nachlesen. Als Beschränkung sollen deshalb diese beiden letzten Sätze des Predigttextes stehen: "Die Welt vergeht, und mit ihr die ganze Lust und Gier. Wer aber tut, was Gott will, wird ewig leben. " (1. Joh 2,17)

Nun, zur ersten Feststellung: Die Welt vergeht, und mit ihr die ganze Lust und Gier. da kann man sicher zustimmen und es mit einfachen Worten sagen: "Alles -  hat einmal ein Ende."

Gerade was Menschen geschaffen haben und sei es auch, wie sie meinen, für die Ewigkeit geschaffen haben - alles vergeht einmal. Große Werke und Bauten, Schönheit und Anmut, Ehrgeiz und Ruhm, Zuneigung (Liebe) und Wohltätigkeit, Lust und Gier, alles ist eben eitel haschen nach Wind - letztendlich ist es vergessen und vom Winde verweht.

Das darf uns natürlich nicht trübsinnig machen. Es gibt ja so eine Stimmung - das erleben wir auch immer dann persönlich, wenn es uns schlecht geht: "Es hat ja alles doch keinen Sinn." sagen wir dann. Wenn wir Misserfolge haben, sei es nun in der Schule, auf Arbeit, Misserfolge im Leben und mit der Gesundheit; diese trübe Stimmung ist dann ganz schnell da: "Für wen und was strenge ich mich eigentlich an - in meinem Leben?" Und diese trübe Stimmung übertragen wir schnell auf unseren Glauben und meinen, wenn die Wirklichkeit so mies ist, dann ist Gottes Wille ja wohl auch ganz mies? Die Welt ist schlecht, also ist Gott schlecht. Mir geht es dreckig, also schlussfolgere ich scharf:  "...kann ja Gott kein lieber Gott sein."

Das ist dann die erste Verstrickung, in die wir geraten. Die Wirklichkeit ist eben nicht Gottes Wille und wir können aus der Wirklichkeit auch nicht Gottes Wille ablesen wollen.

Woran erkennen wir aber dann Gottes Wille? Im Vaterunsergebet heißt es sinnigerweise: "DEIN Wille geschehe ..." Noch einmal und ganz deutlich "DEIN Wille geschehe ...".  Manchmal wäre es uns lieber, wenn da stehen würde: "Lieber Gott, MEIN Wille geschehe, - ... MEIN Wille geschehe; ich möchte gern dies und das haben; möchte dieser oder jener sein; so und nicht anders soll es laufen, mit dem Geld, mit der Freundschaft, mit der Gesundheit."

Gottes Wille und unsere Wünsche sind die zweite Verstrickung in die wir geraten. Die kleine Karikatur, die sie auf dem Predigtzettel sehen, lässt ein Stück von diesem Problemkreis sichtbar werden.
 

Beten
Lieber Gott, 
lass meinen Willen geschehen, 
hilf mir - aber so, dass alle denken, 
ich hab es selber gemacht.
 
Lieber Gott, lass meinen Willen geschehen, hilf mir - aber so, dass alle denken, ich hab es selber gemacht. Diese besondere Bußfertigkeit, wäre gegenüber einem Weihnachtsmann angebracht, gegenüber Gott kann sie schnell verlogen und heimtückisch werden.

Und von da kommen wir dann auch gleich in die dritte Verstrickung mit Gottes Wille. Wenn der Mann  da am Bettrand betet: Gott hilf mir, das und das zu tun, dann ist das ja noch halbwegs in Ordnung. Oftmals geschieh es aber bei unseren Wünschen, dass wir uns und unsere Person vollkommen zurücknehmen. Nicht 'Gott hilf mir' sondern " ... mach du mal lieber Gott. Ich bin so klein, ich bin so schwach, ich bin so jung, ich bin so alt..." und so weiter  und so fort. "Lieber Gott, mach du mal." Wir ergeben uns dem Schicksal, dem angeblichen Willen Gottes, weil wir selber zu faul sind, irgendwas in unserem Leben zu bewegen.

Wir haben es dann natürlich gut. Der Schuldige ist nachher wieder der liebe Gott, wir halten uns da raus, wir können ja sowieso nichts machen.

Im Predigtext steht, ganz verkürzt gesagt und wenn wir jetzt mal diese Verstrickung mit Gottes Willen weglassen, es steht ganz verkürzt da: "Wer etwas tut, wird ewig Leben", oder anders:  "Wer etwas anfängt in seinem Leben, wird eine gute Zukunft haben."

Es geht also nicht um das Erdulden, oder gleichgültige Hinnehmen von Wirklichkeit, sondern es geht dem Schreiber im Johannesbrief darum, diese Wirklichkeit zu überwinden und es besser zu machen, vielleicht diese Wirklichkeit besser zu machen, als sie ist, sie zu gestalten.

Eine Modeerscheinung unserer Zeit ist ja dann dieses Wort "Selbstverwirklichung". Lassen sie sich dieses Wort mal auf der Zunge zergehen. "Selbstverwirklichung" Ich will die Wirklichkeit so gestalten, dass sie meiner innersten Sehnsucht entspricht.
Dass unsere Wünsche sehr schnell mit unserem Leben in Konflikt geraten, hatte ich schon erörtert, denn es geht nicht darum, dass mein Wille geschehe sondern, dass Gottes Wille geschehe. Nur so wird die Zukunft gut.

Natürlich haben wir immer Wünsche, und Träume und Sehnsüchte, deshalb sind wir ja Menschen, Damit uns diese Wünsche, Träume, und Sehnsüchte aber nicht auffressen, müssen wir uns vom Gang der Dinge, besonders von den Misserfolgen immer wieder belehren lassen.

Der Wille Gottes ist somit nicht ein einziges Ding, nicht ein einziges Wort, nicht ein einziges Ziel, sondern der Wille Gottes ist, wenn ich es mal aus menschlicher Optik sagen soll, der Wille Gottes wird in einem Menschen, in dem Vorbild Jesus Christus sichtbar, in seiner ganzen komplexen Erscheinung: "Dein Wille geschehe hier auf Erden." Und da sind wir Menschen schon angefragt, dass Gute zu tun und den Nächsten zu lieben.  Das sagt der Bibeltext dann auch ganz deutlich in den folgenden Versen und Kapiteln.

Vor Übertreibung muss an diesem Punkt aber auch gewarnt werden. Der Wille Gottes ergibt sich nicht automatisch aus dem, was in der Bibel steht. In der Bibel steht vieles drin. Menschenwort und Gotteswort verhalten sich genau so kompliziert zueinander wie Menschen Wille und Gottes Wille. Deshalb möchte ich davor warnen, alles wortwörtlich zu nehmen, was man so in heiligen Schriften ließt.

Liebe Gemeinde, es fehlt nun noch der dritte Aspekt beim Tun und Erkennen des Willen Gottes. Jesus hat es im Vaterunsergebet angesprochen: "Gottes Wille geschehe auf Erden und im Himmel." Ich möchte diesen Himmel mal ganz einfach gleich setzen mit dem Wort aus dem Johannesbrief, mit dem "ewig Leben" um damit bloß eine Richtung deutlich zu machen, eine Bewegung, die zu etwas hin führt. Der Wille Gottes 'will' ja etwas.

Ich werde nun nicht lang und breit  erklären, was ein Himmel sein könnte. Soviel soll aber deutlich werden. Ein Himmel ist mehr als die Erde. Er ist mehr als die Wirklichkeit meiner selbst. Es ist eine Kraft da, von der ich weiß, dass sie zum Guten wirkt, auch unabhängig von dem, was ich als kleiner Erdenmensch tun kann. Es ist ein Wille da, der mich mit nimmt zum "Gut" dieser Welt. der den Himmel auf die Erde holt.

Und wenn ich das weiß und glaube, und wenn ich weiß und glaube, dass ich mein bestes da-zu geben kann, dass ich teilhabe an diesem Geschehen, an diesem Heilsgeschehen, dann kann ich auch Risiken eingehen, kann mich aufopfern, kann Jesus als Vorbild gelten lassen und werde ihm nachfolgen, und das dann aber von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Liebe Gemeinde, das ist eine wichtige Glaubenssache und so lautet die richtig Bitte, der richtige Wunsch: Vater unser im Himmel, dein Reich komme, dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden.

Abschließend noch einmal zurück zur Ausgangsfrage. Was ist den nun der Wille Gottes? Lang und breit erzählen, was der Wille Gottes nicht ist, das hilft mir ja nicht weiter.

Nun, eine einfache und leichte Antwort lässt sich nicht finden, das ist deutlich geworden. Der Wille Gottes ist sehr vielschichtig. Er berührt die Welt, er betrifft unser aller Leben und er ergreift mich ganz persönlich.

Jesus hat es versucht in einem Satz zusammenzufassen: Folge meinem Beispiel, das ich dir vorgelebt habe, richtig zu leben, folge mir nach, so wirst du Gott lieben und so wirst du deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. (1. Kor 11,1)

Liebe Gemeinde,  der Wille Gottes wird in dem Vorbild von Jesus Christus deutlich, dieses Vorbild zu erkennen und dann auf mein ganz konkretes Leben anzuwenden und umzudeuten, ist die ständige Aufgabe, die ich als Christ zu erledigen haben.
Schaffe ich das, dann wird der Satz aus dem Predigttext etwas sinnvoller: "Die Welt vergeht, und mit ihr die ganze Lust und Gier. Wer aber tut, was Gott will, wird ewig leben."

AMEN


.

   Andacht Monatsspruch Oktober 2002  (Offb 3,2) - 19.09.02 Pfr. Rochusch
 

Jesus Christus spricht: Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.
Offenbarung 3, 20
Das Bild, dass etwas „vor der Tür steht“, also in Kürze sich ereignen wird, ist ein häufig gebrauchtes Bild für Erwartungen und Veränderungen. Jetzt steht der Herbst vor der Tür mit seinen hoffentlich schönen sonnigen Tagen im Oktober und den vielleicht nebeligen und windigen Tagen im November. Jetzt stehen große Ereignisse vor der Tür, denken Sie an das Erntedankfest oder ein Weinfest oder eine Herbstreise oder einen Geburtstag oder auch wieder einen traurigen, sich alljährlich wiederholenden Erinnerungstag an einen verstorbenen Menschen und der Gang zum Friedhof?

Vielleicht denkt mancher Mensch bei dem, der vor der Tür steht, an den „Sensenmann“, den nahen Tod eines kranken Menschen. Gerade in dieser Bedeutung wurde das Bild oft gebraucht. Er klopft an und holt unerbittlich ab. Genau dazu jedoch haben die Christen dieses Wort Jesu Christi überliefert. Nicht der Sensenmann steht vor der Tür, sondern Jesus Christus selbst  Wer an ihn glaubt und auf sein Rufen hört, der wird im Augenblick des Sterbens hereingebeten in das ewige Leben, in dem Jesus Christus das Hochzeitsmahl der Ewigkeit vorbereitet hat und es mit ihm feiern wird. So ist dieses Wort sicherlich ursprünglich gemeint. Es verkündigte die neue Wirklichkeit, die durch Jesus Christus und seine Auferstehung für alle Menschen vorhanden ist und alles hinter sich lässt, was wir sonst so angstvoll über das Sterben und Todsein denken. Der auferstandene Christus lädt uns ein, mit ihm das Mahl er Ewigkeit zu feiern.

Dieses Wort von Jesus Christus ist von den Christen sicherlich auch in vielen anderen Situationen erzählt worden. Auch dann, wenn ein schönes Ereignis vor der Tür stand, haben sie gesagt, dass Jesus Christus der Einladende ist, weil er uns durch unser Leben führt und die schönen Ereignisse erleben lässt. Und Christen haben gewusst, dass das fröhliche Feiern bei gutem Mahl in Geselligkeit dazugehört. Mehr noch: Sie sind hingegangen zu den Menschen, haben angeklopft und mit der Verkündigung alles mitgebracht, was zum Feiern notwendig war. Sie haben missioniert und dann mit den gläubig gewordenen Menschen die neue Freude, das neue Leben gefeiert. Und sie haben geglaubt, dass Jesus Christus selbst auf diese Weise zu den neuen Geschwistern gekommen ist.

Wie spricht dieses Wort uns in diesen Monaten an? Hören wir das Klopfen Jesu Christi an unserer Tür? Oder haben wir ihn längst hineingebeten in unsere Wohnung, in unser Leben, feiern wir längst das Mahl mit ihm? Laden wir im Namen Jesu Christi andere ein zum Glauben und zur fröhlichen Gemeinschaft der Christen? Und helfen wir mit, die von Christus für das Mahl mitgebrachten Gaben aufzubereiten, indem wir den Tisch festlich decken und das Haus schmücken? Wann kommen Sie zum Abendmahl in unseren Gottesdienst?

Wenn Sie möchten, kommen wir auch gern zu Ihnen nach Hause, um dort das Abendmahl mit Ihnen zu feiern. Die gute alte Praxis des Hausabendmahls ist fast verschwunden aus unseren christlichen Gewohnheiten. Zu oft wurde im Bewusstsein der Menschen, wenn man den Pfarrer mit seinem Abendmahlskoffer an Bett eines kranken Menschen bat, der Sensenmann und nicht Jesus Christus eingeladen. Und dieses Missverständnis der Einladung Jesu Christi schieben wir gern weit von uns. Nein, Jesus Christus steht vor der Tür und möchte mit uns jede glückliche Gelegenheit des Lebens feiern. Er möchte immer wieder zu uns kommen und sich uns in Brot und Wein schenken.

Ihr Pfarrer Rochusch


.

   Predigt   (Ex 32,1-14: Wir bauen uns einen besseren Gott)    05.05.02 Pfr. Zillmann
 

Predigttext:

2.Mose 32,1-14  Der selbstgemachte Gott: das goldene Kalb
1 Das Volk Israel unten im Lager hatte lange auf die Rückkehr  von Mose gewartet. Als er immer noch nicht kam, liefen alle Männer bei Aaron zusammen und forderten: »Mach uns einen Gott, der uns schützt und führt! Denn was aus diesem Mose geworden ist, der uns aus Ägypten hier hergeführt hat - niemand weiß es.«
2 Aaron sagte zu ihnen: »Nehmt euren Frauen, Söhnen und Töchtern die goldenen Ringe ab, die sie an den Ohren tragen, und bringt sie her!« 3 Alle nahmen ihre goldenen Ohrringe ab und brachten sie zu Aaron. 4 Er schmolz sie ein, goss das Gold in eine Form und machte daraus das Standbild eines Jungstiers.
Da riefen alle: »Hier ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten hier hergeführt hat!«
5 Aaron errichtete vor dem goldenen Stierbild* einen Altar* und ließ im Lager bekannt machen: »Morgen feiern wir ein Fest für den HERRN!«
6 Früh am nächsten Morgen brachten die Leute Tiere, die als Brandopfer* dargebracht oder für das Opfermahl* geschlachtet wurden. Sie setzten sich zum Essen und Trinken nieder, und danach begannen sie einen wilden Tanz.
7 Da sagte der HERR zu Mose: »Steig schnell hinunter! Dein Volk, das du aus Ägypten hier hergeführt hast, läuft ins Verderben.
8 Sie sind sehr schnell von dem Weg abgewichen, den ich ihnen mit meinen Geboten gewiesen habe: Ein gegossenes Kalb haben sie sich gemacht, sie haben es angebetet und ihm Opfer dargebracht und gerufen: 'Hier ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten hier hergeführt hat!'«
Mose tritt bei Gott für sein Volk ein
9 Weiter sagte der HERR zu Mose: »Ich habe erkannt, daß dies ein widerspenstiges Volk ist. 10 Deshalb will ich meinen Zorn über sie ausschütten und sie vernichten. Versuche nicht, mich davon abzubringen! Mit dir will ich neu beginnen und deine Nachkommen zu einem großen Volk machen.«
11 Mose aber suchte den HERRN, seinen Gott, umzustimmen und sagte: »Ach HERR, warum willst du deinen Zorn über dein Volk ausschütten, das du eben erst mit starker Hand aus Ägypten herausgeführt hast?
12 Du willst doch nicht, daß die Ägypter von dir sagen: 'Er hat sie nur herausgeführt, um sie dort am Berg zu töten und völlig vom Erdboden auszurotten!' Lass ab von deinem Zorn, lass dir das Unheil leid tun, das du über dein Volk bringen willst!
13 Denk doch an Abraham, Isaak und Jakob, die dir treu gedient haben und denen du mit einem feierlichen Eid versprochen hast: 'Ich will eure Nachkommen so zahlreich machen wie die Sterne am Himmel; ich will ihnen das ganze Land, von dem ich zu euch gesprochen habe, für immer zum Besitz geben.'«
14 Da sah der HERR davon ab, seine Drohung wahrzumachen, und vernichtete sein Volk nicht.

Liebe Gemeinde,  der Hintergrund für unsere lange Predigtgeschichte ist folgender:
Die Menschen, die in Ägypten als Sklaven gelebt hatten wurden frei gelassen und konnten sich eine neue Heimat suchen. Sie zogen also los und suchten das gelobte Land, das Land, wo Milch und Honig fließen sollte. Der Weg wurde aber lang und länger, Durst und Hunger plagten die Menschen. Sie waren am Verzweifeln und wussten nicht ein noch aus. Mose war ihr Anführer. Und als sie an einen großen Berg kamen, so einen großen Berg, dessen Spitze in den Wolken des Himmels verschwand, sagte also Mose, er klettert da mal rauf, um zu sehen, wie es weitergehen soll.

Und Mose kam nicht zurück. Guter Rat war jetzt teuer. Der Anführer war weg, das Volk wusste nicht wohin und alles jammerte und klagte: "Da ging es uns in Gefangenschaft noch besser als jetzt. Gott hat uns verlassen." riefen sie. Und sehr schnell kam auch die Meinung auf: "Unser Gott taugt nichts. Wie kann er so etwas zulassen, was jetzt mit uns passiert. Wir brauchen einen neuen Gott. Wir brauchen einen Gott, der uns schützt und führt."

Die Geschichte geht dann weiter. Sie sammeln ihr ganzes Geld zusammen und bauen sich eine kleine Statue, ein kleines Kalb, um das die Menschen nun herumtanzen. Jetzt glauben sie und haben sie die Hoffnung, das alles in ihrem Leben besser wird.

Liebe Gemeinde, Menschen lieben einfache Verhältnisse, ob nun vor dreitausend Jahren oder heute, das ist ganz egal. Wir wollen kinderleichte Erklärungsmuster, einfache Verhältnisse, wo wir wissen, was gut und böse ist, wo wir wissen, was wir zu tun oder zu lassen haben. Dann sind wir auch bereit mal auf etwas zu verzichten, dann können wir auch mal hart zu uns selbst sein.

Aber - und das ist das große aber - meistens ist ja alles viel komplizierter, als es vorneweg versprochen wird. Nehmen sie zum Beispiel die Werbung. Alles ist bunt und schön, alles geht spielend leicht, aber so vorsichtig man auch ist, immer mal wieder fällt man auf falsche Versprechen herein und glaubt dem schönen Schein. Hinterher wartet die Enttäuschung; mancher fühlt sich gar betrogen. Und Glück hat man im Unglück, wenn es nur um kleine Dinge geht. Waschpulver wäscht nicht so weiß, Margarine schmeckt nicht wie Butter und der Super-neue Video HiFi Recorder geht gleich nach einer Woche kaputt. Das steckt man leicht weg.

Wenn es dann aber um Lebensentwürfe geht, denen man blauäugig getraut hat, wird manch einer verzweifeln:

  • Was hat man sich doch für Mühe gegeben, alles fleißig gelernt, jede Bildungschance genutzt und nun doch Arbeitslos, schon jahrelang.
  • Oder: Großer Aktiencrash an der Börse und Inflation, alles Ersparte ist weg.
  • Schönheitsoperation misslungen - nach dem Unfall, es ist alles schlechter als vorher, die Schmerzen sind unerträglich.
  • Der geliebte Ehepartner, die Familie für die Ewigkeit, Kinder weggerannt - Ehepartner ebenfalls, die Einsamkeit ist nicht zum aushalten.
  • Es lassen sich viele solcher Beispiele finden und sie kennen sie auch alle. Da brauche ich jetzt gar nicht schwarz malen. Wenn Lebensentwürfe kaputt gehen und nicht so eintreten, wie wir sie uns ausgemalt haben, dann kommen schnell die gleichen Reaktionen, wie in unserer alten biblischen Geschichte.

    Alles jammerte und klagte: "Da ging es uns früher noch besser als jetzt. Gott hat uns verlassen." riefen sie.
    Und sehr schnell kam auch die Meinung auf: "Unser Gott taugt nichts. Wie kann er so etwas zulassen, was jetzt mit mir passiert. Wir brauchen einen neuen Gott. Wir brauchen einen Gott, der uns schützt und führt."

    Liebe Gemeinde, wir würden heute nicht mehr auf die Idee kommen, ein Kalb aus Gold zu bauen und dann da wild rumzutanzen. Damit ist uns nicht zu helfen. Eher tanzen wir auf einer Automesse schon um den neuen Mercedes herum und versuchen dadurch glücklich zu werden.

    Den meisten hilft es auch nicht, wenn sie enttäuscht aus der Kirche austreten und das Geld für Greenpeace oder Kinderdörfer spenden. Das hält meistens nur zwei drei Jahre an, und dann ist das alte Dilemma da.

    Und einen neuen Gott suchen oder gar einen neuen Gott bauen? Fragen über Fragen. Wo dein Herz ist, ist auch dein Gott. Hat Jesus gesagt. Ist es der Wohlstand, ist es der Ehepartner, die Kinder vielleicht, die Gesundheit, die Arbeit die uns Erfüllung bringt? Liebe Gemeinde, wo schlägt unser Herz am lautesten, was ist uns am wichtigsten? Auf was könnten wir - auf was würden wir auf keinen Fall verzichten?

    Die Menschen, die da am Fuße des Berges standen und dann um das goldene Kalb herumtanzten, hatten ähnliche Fragen und sie hatten auch für sich eine Antwort gefunden.

    Wir machen uns einen Gott, der uns gehört.
    Wir machen uns einen Gott, der auf uns hört.
    Wir machen uns einen Gott, den alle sehen können.
    Wir machen uns einen Gott, den auch ihr alle seht.
    Wir machen uns einen Gott, der uns satt macht.
    Wir machen uns einen Gott, der uns in Ruhe lässt.
    Tanz ums goldene KalbSo ähnlich haben sie vielleicht gerufen und gesungen. Das kleine Bild auf dem Predigtzettel, dieser Holzschnitt zeigt das ganz deutlich. Wir machen uns von Gott ein Bild und dann hat er so zu sein, wie wir ihn brauchen.

    Als Mose vom Berg zurückkam und die Menschen da so sah, wie sie begeistert und hoffnungsvoll tanzten, da war er sprachlos. Da stand das Bild des neuen Gottes und was hatte ER, MOSE zu bieten, womit wollte er dem Volk Glück bringen: Mit einer Erzählung von einem unsichtbaren Gott, den er auf einen Berg getroffen hatte, der nichts weiter konnte als Spielregeln und Gebote aufstellen?

    Liebe Gemeinde, die Geschichte ist ellenlang in unserer Bibel, ich kann das jetzt nicht alles erzählen. Der Mose wird wütend, die ganze Mühe, die er sich mit den 10 Geboten gemacht hatte scheinen nun umsonst zu sein. Er schmeißt die Tafeln auf den Boden. Sie gehen kaputt. Es gibt dann noch einen Kampf im Lager, es gibt Tote und wieder Freudentänze; Mose muß die Gebote noch einmal holen und es wird ein Bund mit den Menschen geschlossen. Zum Schluß ist alles wieder gut.

    Das was hier eigentlich aufeinanderprallt, was hier eigentlich das Alte und das Neue darstellt ist nur schwer auszumachen. Wenn wir diese Geschichten lesen oder sie gar in Filmen, in modernen Spielfilmen sehen, dann sind die Bilder doch so beeindruckend, daß der Sinn der dahinter liegt, oftmals verschüttet wird. Die Mosesgeschichten geben immer einen guten Hollywoodfilm ab, aber was sie uns heute sagen können, ist manchmal sehr dunkel. Die Frage ist, was soll diese Geschichte.

    Theologisch kann ich das leicht sagen:
    Naturanbetung und ethischer  Monotheismus stoßen aufeinander.

    Das ist natürlich schwer zu verstehen. Etwas einfacher ausgedrückt:
    Die Menschen müssen sich immer entscheiden zwischen den Fleischtöpfen in Ägypten und den 10 Geboten.

    Oder noch anders ausgedrückt:
    Nicht das was man hat ist wichtig,
    sondern wie man lebt das ist wichtig

    Die Götzenbilder unseres Wohlstandes treten jetzt an gegen die Spielregeln des Lebens. Die Geschichte mit Mose wird symbolisch für die Geschichte der Menschen. Das ist ein Wettkampf auch für jeden einzelnen von uns - bis heute.

    Es kommt nicht darauf an, was man hat, sondern es kommt immer darauf an was man ist. Es kommt nicht darauf an, ob wir etwas besitzen, etwas haben, sei es nun Geld, Familie, Arbeit oder einen lieben Gott, möglichst goldglänzend für alle sichtbar: ".. schaut mal her, das ist mein Gott", sondern es ist wichtig, daß wir nicht arm dran sind im Leben, daß wir andere Menschen auch lieb haben können, daß wir arbeiten, weil es uns Spaß macht, das wir glauben, daß diese Welt gut ist, weil es einen Gott gibt.

    Nicht das, was man hat ist wichtig, Liebe Gemeinde, sondern wie man lebt das wird wichtig.
    Um nicht mehr - aber auch um nicht weniger geht es in dieser Geschichte. Die Götzenbilder unseres Wohlstandes treten jetzt an gegen die Spielregeln des Lebens.

    Und wie wichtig solche Spielregeln sind, ganz einfache, das hat der Amoklauf des Schülers in der Erfurter Schule gezeigt. Auch wenn wir ganz unten sind, auch wenn uns alles genommen wird, was wir haben und der Hass unerträglich wird, heißt es immer noch: Du sollst nicht töten.

    Manche tanzen natürlich lieber um ein goldenes Schulgebäude herum, gleichsam als goldenes Kalb unserer modernen Welt. Da hat man mehr davon, weil wir meinen damit unserer Ausbildung, unserer Kariere unserem Wohlstand, unserem Leben zu dienen. Aber wie leicht kann da mal eine Sicherung durchbrennen: "Ich schaffe es nicht, ich spiele nicht mehr mit."

    Und in diesem Moment taucht dann der Mose auf, kommt mit seinen komischen Steintafeln vom Berg: "Leute macht euch nicht verrückt. Ich habe was besseres."

    Und ganz einfach sind die Spielregeln, Spielregeln fürs Leben, damit wir Menschen gut miteinander auskommen.
    Jesus hat es dann ganz kurz zusammengefasst. und das soll abschließend gesagt sein. Wir sollen nicht unseren selbstgemachten Götzenbildern, unseren Wunsch- und Zerrbildern hinterherlaufen sondern er sagt:

    »'Liebe deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit deinem ganzen Verstand!'  Dies ist die größte und wichtigste Lebensregel.
    Aber gleich wichtig ist ein zweite: 'Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!' In diesen beiden Geboten ist alles zusammengefasst, was das Gesetz und die Propheten* fordern.« (Mt 22,37-40)
    Liebe Gemeinde und wenn wir uns daran halten, dann geht es uns gut und alles andere fällt uns von alleine zu.

    AMEN


    .

       Festpredigt   (30 Jahre Kirche - Jes 58,1-9)  10.02.02 Pfr. Rochusch
     

    Hat unser Gottesdienst denn einen Sinn?
    Jesaja 58, 1-9
     
    Der HERR sagt: »Rufe, so laut du kannst! Lass deine Stimme erschallen wie eine Posaune! Halte meinem Volk, den Nachkommen Jakobs, ihr Unrecht und ihre Vergehen vor! Sie fragen mich Tag für Tag, warum ich sie solche Wege führe. Wie ein Volk, das sich an das Recht hält und meine Gebote befolgt, fordern sie von mir, dass ich zu ihrer Rettung eingreife, und wünschen sich, dass ich ihnen nahe bin. 'Was für einen Sinn hat es,' jammern sie, 'dass wir Fasttage abhalten und deinetwegen Entbehrungen auf uns nehmen? Du beachtest es ja gar nicht!'
    Darauf sage ich, der HERR: Seht doch, was ihr an euren Fasttagen tut! Ihr geht euren Geschäften nach und beutet eure Arbeiter aus. Ihr fastet zwar, aber ihr seid zugleich streitsüchtig und schlagt sofort mit der Faust drein. Darum kann euer Gebet nicht zu mir gelangen. Ist das vielleicht ein Fasttag, wie ich ihn liebe, wenn ihr auf Essen und Trinken verzichtet, euren Kopf hängen lasst und euch im Sack in die Asche setzt? Nennt ihr das ein Fasten, das mir gefällt? Nein, ein Fasten, wie ich es haben will, sieht anders aus!
    Löst die Fesseln der Gefangenen, nehmt das drückende Joch von ihrem Hals, gebt den Misshandelten die Freiheit, und macht jeder Unterdrückung ein Ende! Ladet die Hungernden an euren Tisch, nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf, gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, etwas zum Anziehen, und helft allen in eurem Volk, die Hilfe brauchen!
    Dann strahlt euer Glück auf wie die Sonne am Morgen, und eure Wunden heilen schnell; eure guten Taten gehen euch voran, und meine Herrlichkeit folgt euch als starker Schutz. Dann werdet ihr zu mir rufen, und ich werde euch antworten; wenn ihr um Hilfe schreit, werde ich sagen: 'Hier bin ich!'“


    Einen solchen Text aus Anlass des Jubiläumsgottesdienstes für unser Gemeindezentrum zu predigen, kommt wie vor wie die Quadratur des Kreises. Nichts am Predigttext löst unmittelbar eine Assoziation aus, die das Jubiläum zur Sprache bringen lässt. Der ganze Predigttext ist als eine Gottesrede berichtet, die den Propheten Jesaja beauftragt, dem Volk eine warnende Begründung für erlittenes Unheil  anzusagen. Es ist bedeutungslos, wenn wir überlegen, um welches Unheil es sich handelt. Das Wort Gottes sagt, dass Gott der Verursacher des Nicht-Wohlergehens ist. Das ist eine allgemeinprophetische Interpretation der damaligen gesellschaftlichen Situation, auch von anderen Propheten bekannt.

    Jedoch stieß diese Interpretation wohl mehr oder weniger bei den Zeitgenossen immer wieder auf Unverständnis und Kritik  an Gott, am Glauben, am Propheten. Auch bei uns heutigen Menschen würde eine solche Interpretation auf Unverständnis stoßen. Im Unterschied jedoch zu uns heutigen Menschen machten die Zeitgenossen des Propheten - das wird aus den im Text aufgenommenen Zitaten der Menschen erkennbar - ihm und Gott den Vorwurf, dass sie nach ihrer Auffassung doch alles Erwartbare Gott gegenüber geleistet haben: Opfer, Gottesdienst, Fasten. Was will Gott denn noch mehr? Wenn er darauf so negativ reagiert, dann versteht man ihn nicht mehr.

    Wir modernen Menschen dagegen haben uns längst abgewöhnt, Gott als Ursache der täglichen kleinen und großen Missstände, Ärgernisse, Unzufriedenheiten, Katastrophen, Krankheits- und Leidenssituationen und was sonst noch alles zu nennen wäre, zu denken. Wir denken einfach nicht mehr an Gott. Bestenfalls kommt Gott noch in der spontanen Reaktion zum Ausdruck, wenn jemand auf den Bericht über ein Unglück sagt: „Ach du lieber Gott“ oder eine ähnliche Floskel gebraucht. Vielleicht - ja sicherlich - ist es ratsam, dass auch wir modernen Menschen Gott wieder mehr in unsere Gedanken einbeziehen und nach ihm und seinem Handeln in der Welt und für die Welt und für die Menschen fragen.

    Dann greife ich die Stichworte auf, dass die Zeitgenossen des Jesaja offensichtlich der Meinung waren, mit ihren Opfern im Gottesdienst und mit dem Fasten der Erwartung Gottes entsprochen zu haben. Wenn dem vom Propheten nun auch widersprochen werden muss, so setze ich mich doch erst einmal damit auseinander und erkenne, wie weit wir von diesem Denken entfernt sind. Tieropfer gibt es begründeter Maßen nicht in der christlichen Kirche, das soll auch nicht zur Diskussion gestellt werden. Wenn wir in der Kirche heute den Begriff  Opfer gebrauchen, dann als anderes Wort für die Kollekte. Und da können wir nun wirklich nicht mehr sagen, dass unser Opfer, unsere Kollekte reichlich und Gott wohlgefällig ist.

    Die Kirche allgemein und unsere Gemeinde im Besonderen leidet am für die Arbeit nicht mehr vorhandenen Geld, ob das nun durch nicht mehr fließende Kirchensteuern oder durch kümmerliche Kollekten, die die täglichen Gemeindeaufgaben finanzieren müssen, bewirkt wird, ist unwichtig. Auch der Gottesdienst als solcher, also der Gottesdienstbesuch ist dürftig, obwohl er doch - wenigstens nach Auffassung unserer Grundordnung - das „Zentrum des Gemeindelebens“ sein soll. Zu häufig entscheiden sich auch ganz liebe Christen am Sonntagvormittag gegen den Gottesdienstbesuch, tun dies ohne schlechtes Gewissen und machen etwas anderes.

    Ein Prophet Jesaja, der seinen Zeitgenossen widerspricht, würde uns heute sicherlich zu intensiverem Gottesdienstbesuch auffordern und nachdrücklich auf den Zusammenhang von mangelnder Gottesdienstpraxis und mangelhafter Lebensgestaltung und mangelhafter Gesellschaftsverantwortung aufmerksam machen. Nun will ich Ihnen, die Sie heute hier im Jubiläumsgottesdienst sind, keinen Vorwurf machen. Sie kennen jedoch alle das Problem, das aus Anlass des Jubiläums genannt werden muss: Dieses Gemeindezentrum Am Seggeluchbecken ist vor 30 Jahren so schön und so großzügig gebaut und gegründet worden, damit hier eine lebendige Gemeinde in erster Linie am Sonntag Gottesdienst feiert und auf dieser Grundlage innerhalb der Woche ein vielfältiges Gemeindeleben praktiziert.

    So und nur so und auch nur in dieser Reihenfolge ginge dann von dieser Gemeinde für uns Menschen hier im Märkischen Viertel, für jeden Einzelnen wie für uns gemeinsam ein Wohlergehen aus. Ich muss im Konjunktiv, also in der Wunschform reden, weil die Wirklichkeit der tatsächlichen Nutzung dieses Gemeindezentrums durch die Gemeindeglieder anders aussieht. Wenn ich mir den Propheten Jesaja heute hier in unserem Gottesdienst auftretend vorstelle, dann würde er sicherlich sagen: Leute, denkt doch mal darüber nach, ob eure noch so berechtigten Klagen, eure Unzufriedenheit, eure Unsicherheit, eure Ängste, eure Sorgen nicht doch etwas damit zu tun haben, dass ihr zu wenig den Gottesdienst und das Gemeindeleben sucht, dass ihr zu wenig praktizierende Christen seid. Vielleicht würden wir auf den Propheten hören.

    Und dann redet der Prophet im Namen Gottes über die Praxis des Fastens. Das ist der Grund, warum dieser Text heute am Sonntag vor der Passionszeit als Predigttext empfohlen wird. Die Passionszeit wird in alter christlicher Tradition als Fastenzeit verstanden. Stellen wir uns dieser Tradition und diesem Anliegen des Textes, dann müssen wir über das Fasten reden und sicherlich alle erkennen, dass Fasten bei uns ganz klein geschrieben wird, zu einem Fremdwort geworden ist. Ehrlich, wir gebrauchen das Wort doch nur, wenn es um das Abnehmen zu vieler Pfunde auf dem Körper geht. Es ist uns fremd geworden, dass Fasten einstmals als Glaubensäußerung verstanden worden ist, die uns zum intensiveren Nachdenken, Meditieren über die Glaubensinhalte, im Besonderen über den Leidensweg Jesu Christi, den er um unseres Wohlergehens willen gegangen ist, bewegen möchte. Nun hat ja auch der Prophet Jesaja im Namen Gottes klar und deutlich gesagt, dass das Fasten nicht die rechte Art und Weise ist, Gott zu dienen, bei Gott Wohlgefallen zu bewirken. Ich frage mich, wie stark solche Prophetengedanken im Laufe der Jahrhunderte dazu beigetragen haben, dass das Fasten als Glaubensäußerung zu einem Fremdwort geworden ist.

    Nun will ich dem Propheten in seinem Gotteswort folgen und den Rückgang der Bedeutung des Fastens nicht beklagen oder Sie gar zum Fasten in den nächsten Wochen auffordern. Auffordern möchte ich Sie zu dem, was der Prophet im Namen Gottes an die Stelle des Fastens setzt: „Löst die Fesseln der Gefangenen, nehmt das drückende Joch von ihrem Hals, gebt den Misshandelten die Freiheit, und macht jeder Unterdrückung ein Ende! Ladet die Hungernden an euren Tisch, nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf, gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, etwas zum Anziehen, und helft allen in eurem Volk, die Hilfe brauchen!“ Diese Worte sind eine klare Aufforderung zu sozialem, diakonischem Handeln. Das ist rechter Gottesdienst, das ist rechtes Fasten.

    An dieser Stelle möchte ich mich mit der Auffassung des Fastens im Islam, also der Menschen, die auch unter uns leben, auseinander setzen. Im Fastenmonat Ramadan ist es ihnen nach dem Koran untersagt, zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu essen und zu trinken. Wir hören immer wieder einmal davon und im Religionsunterricht, den ich zu erteilen habe, gehört auch die Vermittlung von Grundkenntnissen des Islam zum Unterrichtsinhalt. Fasten soll, so sagt es der Koran, alle Muslime, arme und reiche, wenigstens einmal im Jahr einen Monat lang auf die gleiche Stufe stellen. Auch die Reichen sollen merken, dass es mit weniger geht, dass andere weniger haben. Und sie sollen besonders in diesem Monat von ihrem Reichtum abgeben. Das Almosengeben ist wie das Einhalten der Fastenregel im Ramadan eine der fünf Grundverpflichtungen im Islam. Und wer von uns einmal in der Zeit des Ramadans in ein muslimisches Land gereist ist, der hat erfahren, wie sehr dort das Fasten das tägliche Leben prägt.

    Was uns Christen an dieser Glaubenshaltung des Islam stört, was wir für falsch halten, ist, dass der Zusammenhang von vorhandener Armut und Bekämpfung durch Fasten und Almosengeben als immer existierend angesehen wird. Gerade auch mit Worte des Propheten Jesaja hat sich bei uns das Denken über Zusammenhänge von Armut und deren Bekämpfung verändert. Wir haben längst den sozialen Wohlfahrtsstaat, die sozialgerechte Gesellschaft entwickelt und wir formen und prägen sie immer weiter. Wir sind noch lange nicht am Ende, wir sind noch lange nicht zufrieden. Das Glück, das Sattsein, die Zufriedenheit sind noch lange nicht überall eingekehrt, gegenüber dem Islam haben wir jedoch erkannt, dass Fasten und Almosengeben nichts für eine soziale und gerechte Gesellschaft bewirken.

    Fasten ist also heute weder eine überzeugende christliche Glaubensäußerung noch ein Weg, soziale Gerechtigkeit im christlichen Verständnis zu bewirken. Einziger Weg ist in der Tat das, was der Prophet Jesaja bereits empfohlen hat: das sozial-diakonische Engagement. Ich bin überzeugt, dass unsere Gesellschaft hier vom Christentum gelernt hat und geprägt worden ist, dass wir in unserer heutigen Zeit Not und Elend viel besser und wirksamer bekämpfen als alle früheren Generationen, und dass unsere Kirche nach wie vor viel Diakonische Arbeit leistet unter sich immer wieder verändernden Bedingungen. Der Einsatz der Kirche in der Diakonie ist und bleibt notwendig, „Not wendend“ im wahrsten Sinn des Wortes. Und das ist dann auch rechter Gottesdienst im Sinn des Propheten.

    Wenn ich diesen Gedanken auf unser Jubiläums-Gemeindezentrum Am Seggeluchbecken anwenden darf, dann kann ich daraus nur folgern, dass dieses Gemeindezentrum für die Menschen hier im Märkischen Viertel ein Zentrum der Verkündigung der Liebe Gottes und ein Zentrum der praktischen Umsetzung dieser Liebe in den Lebensalltag der Menschen sein soll. Hier muss hörbar, erfahrbar und erlebbar werden, dass Gott uns liebt, dass seine Liebe unser aller Wohlergehen will und dass von diesem Zentrum dann auch Wohlergehen auf die anderen Menschen unserer Gesellschaft ausstrahlt. So frage ich, ob sich hier in diesem Gebäude Menschen treffen möchten, die durch eine vergleichbare Belastung geprägt sind und die im Gespräch miteinander und durch Beratung untereinander sich helfen.

    Eine Gruppe haben wir schon: den Kreuzbund. Aber ich kann mir auch denken, ja ich wünsche es mir, dass sich hier zum Beispiel auch blinde Menschen treffen oder vielleicht deutschstämmige Menschen aus Russland oder eine Mutter-Kind-Gruppe oder eine Gruppe ehrenamtlicher Hausbesucher, oder eine Gruppe Rollstuhlschieber oder, oder, oder. Für sie wie für alle wollen wir ein offenes Gemeindezentrum sein, eine lebendige Gemeinde. Und, um über den Gedanken des Propheten hinauszugehen, kann ich mir auch vorstellen, dass sich in unserem Gemeindezentrum Menschen treffen, die schon glücklich und zufrieden sind und die ihre im Glauben begründete Zufriedenheit miteinander teilen. Wir tun dies schon im neubegründeten Chor, den Sie heute gehört haben, und sicher auch in der Bibelstunde. Aber auch da sind andere Varianten denkbar.

    Erwarten Sie bitte, wenn ich so dazu einlade, nicht von uns wenigen Mitarbeitern, dass wir noch mehr Gruppen leiten und organisieren können. Das schaffen wir nicht mehr. Aber ich kann einladen, sich selbst zu organisieren, dabei wollen wir helfen. Und dann erfüllen wir den rechten Gottesdienst. „Dann“ - um ein letztes Mal den Propheten zu zitieren: - „strahlt euer Glück auf wie die Sonne am Morgen, und eure Wunden heilen schnell; eure guten Taten gehen euch voran, und meine Herrlichkeit folgt euch als starker Schutz. Dann werdet ihr zu mir rufen, und ich werde euch antworten; wenn ihr um Hilfe schreit, werde ich sagen: 'Hier bin ich!'“
    Amen.


    .

       Jahreslosung 2002  (Heilig Abend - Vertrauen)   24.12.01 Pfr. Zillmann
     

    Liebe Gemeinde, spätestens wenn die Weihnachtszeit da ist, die Tage lang und länger werden, wenn die Lichter im Dunkeln glitzern, und wenn alle emsig mit Einkaufen und Vorbereitungen zu tun haben, spätestens zur Weihnachtszeit wissen wir: Es ist wieder ein ganzes Jahr, ein ganzes Lebensjahr vergangen. Und wir wundern uns immer wieder, wie die Zeit so vergeht. Was wollte ich nicht noch alles machen? Was habe ich mir nicht alles vorgenommen. Wollten wir nicht etwas ganz wichtiges erledigen – in diesem Jahr? Und nun? Die Zeit ist vergangen - ganz plötzlich - das Jahr ist vorbei wie ein Windhauch, so scheint es.

    Alle Jahre wieder – ist das so. Und je Älter man wird, um so schneller scheint die Zeit zu rennen. Und dann hat man auch immer wieder das Gefühl, dass dieses Jahr besonders wichtig war. Ist nicht gerade in den letzten 12 Monaten außergewöhnlich viel passiert? Im persönlichen Leben: Ich bin wieder ein Stück gewachsen, wieder älter geworden, noch eine Krankheit ist dazu gekommen, Geld verloren – Geld gewonnen. Ist nicht viel passiert - in der Familie, in der Schule, auf der Arbeit, bei den Nachbarn? Neue Menschen kennengelernt, alte verloren oder weggestorben, Liebe und Hass, Glück und Unglück – Jeder von uns könnte da jetzt viel erzählen. Und in der großen weiten Welt – waren nicht die Katastrophen der letzten Monate besonders schrecklich, die Kriege besonders gefährlich und die Weltsituation gerade in diesem Jahr außerordentlich bedenklich?

    Liebe Gemeinde,  "Alle Jahre wieder..." könnte man sagen. Zu Weihnachten stellt sich oft und regelmäßig solch eine komische Stimmung ein, eine Mischung von rührseliger Freude und tiefer Traurigkeit. Das Leben ist schön, aber ich glaube die Welt geht unter. Wer kann mir jetzt helfen?

    In diese Stimmung kommt nun die Weihnachtsbotschaft hinein. Etwas fromm natürlich, abstrakt und theologisch, Worte aus alten Büchern und Zeiten: "Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen;" heißt es dort "er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt. Dieses Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind." (Lk 1,78-79a)

    Nun, wer im Dunkeln sitzt, freut sich über ein Licht. Das ist klar. Wer alles dunkel und grau sieht, dem kann ein kleiner Farbtupfer das Leben verschönern. Und wer depressiv in die Zukunft blickt, der braucht einen Hoffnungsschimmer, um nicht vollkommen zu verzagen, der braucht einen Anker, an dem er Halt findet. Wenn es einem gut geht, dann vergessen wir schnell die schlechten Tage, die da waren und noch kommen werden. Aber wenn es uns schlecht geht, dann tun wir ganz erstaunt und lamentieren: "Das hätte ich nicht gedacht, warum gerade ich?"

    Wenn die Zeiten sich wenden, und die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel ist so eine Zeit, wenn die Zeiten sich wenden, dann stoßen Gegensätze aufeinander, zwei Gefühle vielleicht und ringen darum, ausgelebt zu werden. Freude und Traurigkeit, zum Beispiel – Unruhe in der Seele und Frieden im Herzen gleichzeitig, Neid und Genügsamkeit, Lachen und Weinen in der selben Minute. Der Blick geht zurück und er geht nach vorne. Und die Weihnachtsbotschaft sagt jetzt klar:    Hinten ist es dunkel und vorne ist es hell.

    "Nun, eine schöne Botschaft." mag mancher sagen "Sie ist vielleicht heute einleuchtend, aber was ist morgen, im Alltag, im kommenden Jahr 2002, wenn die Gefühle geschmolzen sind, wie der letzte Schnee des Winters?"

    Liebe Gemeinde,  die Jahreslosung für das nächste Jahr ergänzt an dieser Stelle die Weihnachtsbotschaft gut und deshalb möchte ich auch beide Texte hier in einen Zusammenhang bringen.

    Der biblische Spruch, und diesem Spruch werden sie im nächsten Jahr noch öfters begegnen, der biblische Spruch für das Jahr 2002 lautet: "Ja, GOTT ist meine Rettung; IHM will ich vertrauen und niemals verzagen." (Jes 12,2) "Nun, eine schöne Botschaft." mag mancher wiederum sagen "Gottvertrauen. Alles klar. Schön wäre es ja." Und dann höre ich im Unterton einen wichtigen, lässigen Satz: "Wer's glaubt, wird selig."

    Ja, genau das ist es. Das meint der Jahresspruch. In diesem ständigen Zweifel unserer Vernunft, in diesem ständigen Zwiespalt der Gefühle, sind wir innerlich aufgewühlt, hin und hergerissen. "Wer's glaubt, wird selig." Das schafft jetzt das Vertrauen, das Licht im Dunkeln zu seh'n, das Ende des Tunnels zu erkennen.

    Liebe Gemeinde,  so was kann man natürlich nicht erklären und ich möchte ihnen da nichts aufschwatzen, denn dieser Glaube wird einem geschenkt und nicht erklärt, geschenkt und nicht bewiesen, geschenkt wird der Glaube durch Geist. Entweder man glaubt oder man glaubt nicht. Das ist ganz einfach.

    Unsere Zeit liegt nun, - wenn man denn glaubt – unsere Zeit liegt in Gottes Händen, Unser Leben ist aufgehoben in seiner Ewigkeit. Das allein schafft Vertrauen für die Zukunft, die auch ein Stückchen was von Ewigkeit enthält. Und dann ist das vergangene Jahr plötzlich ein ganz normales Jahr gewesen. Alle Jahre wieder, immer das gleiche. Das vergangene Jahr war nicht das wichtigste. Und die Zeit rennt auch nicht schneller als sonst. Ein kindliches Gemüt müsste man haben, dann lebt man immer im hier und jetzt und kann sich seines Lebens freuen.

    In diesem Sinn möchte ich Ihnen noch eine kleine Geschichte mitgeben in das Weihnachtsfest und in das neue Jahr - eine Geschichte vom Vertrauen und Nicht-Zweifeln:
     

    Stellen Sie sich einen Weihnachtsmarkt vor. Über den Marktplatz ist ein Hochseil gespannt. Und der Platz ist voller Menschen, die dicht zusammengedrängt stehen, um das Kunststück zu sehen.
    Denn jetzt balanciert ein Hochseil-Artist über das Seil:
    Ohne Netz und mindestens zehn Meter über dem harten Boden schiebt er eine Schubkarre durch den Himmel. Klein wirkt er so weit da oben und mit der Karre etwas komisch - aber man sieht ihn lächeln, doch niemand lächelt zurück. Still staunt die Menschenmenge auf dem Marktplatz. Schritt für Schritt geht der Artist auf seinem schmalen Weg. Manchmal macht er eine kleine Pause; dann geht es weiter. Endlich erreicht er das Ende des Seils: Begeisterter Applaus bricht aus; das Seil schwankt ein wenig.

    Schnell macht sich der Artist auf den Rückweg - und erreicht wieder sein Ziel: Der ganze Platz jubelt. “Zugabe!”, rufen die Zuschauer, “noch einmal, bitte.”

    Da gibt der Artist ein Zeichen, und die Menge verstummt. “Wer von euch kommt mit?" fragt der Artist, “wen darf ich in meiner Karre über das Seil fahren?”    Niemand antwortet; der Marktplatz bleibt still, sehr still.

    Dann hört man eine Kinderstimme: “Ich komme mit”; Ein kleiner Junge klettert aufs Seil und setzt sich in die Karre. Die Fahrt beginnt: erst hin - und dann auch wieder zurück.

    Als das Kind aus der Karre klettert, zögert die Menge ein wenig, aber dann dröhnt der Applaus noch lauter über den Platz. Und alle stürzen sich mit ihren Fragen auf das Kind: “Warum hast du da mitgemacht? Wie konntest du das wagen?”
    Das Kind antwortet: “Ja, was habt ihr denn geglaubt? Der da oben ist doch mein Vater!”


    Nun - Liebe Gemeinde,  ich wünsche allen ein gesegnetes Weihnachtsfest mit dem Spruch der Jahreslosung:

    "Gott ist meine Rettung; ihm will ich vertrauen und niemals verzagen." (Jes 12,2)

    AMEN


    .

      Jahreslosung 2001 (Weisheit und Erkenntnis) Pfr. Zillmann
     

    In Christus liegen verborgen alle Schätze
    der Weisheit und der Erkenntnis.
    (Kolosser 2,3)

    Liebe Lesergemeinde, die im Jahresspruch verwendeten Worte Weisheit und Erkenntnis sind gute Worte, sie sind wie Gold und Edelstein. Niemand möchte darum von anderen als unreif oder dumm bezeichnet werden. Weisheit und Erkenntnis fallen uns aber nicht von alleine zu. Sie sind eben Schätze, die scheinbar erst gehoben werden wollen.  Aber können wir erfolgreiche Schatzsucher sein, indem wir mühselig und fleißig Wissen ansammeln und dann sagen: "Ich bin nun weise." ?

    SchatzsucheIm Alten Testament fragt schon Hiob: "Wo ist ihr Ort? Wo kommt die Weisheit her? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt?" Und nach langem Grübeln und schweren Schicksalsschlägen in seinem Leben, sagt er dann: "Nur Gott, sonst niemand, kennt den Weg zu ihr. Er ganz allein weiß, wo die Weisheit wohnt."

    Diese Überlegung ist umstritten. Gerade in einer Zeit, in der mit Mikroskop und Fernrohr, mit wissenschaftlichen Theorien und Computerprogrammen, nach den Edelsteinen der Weisen gesucht wird, entrüstet sich mancher:  "Ich lass mir beim Schatzsuchen doch nicht die Landkarte stehlen und die Schippe aus der Hand nehmen. Selbst ist der emanzipierte Mann und die emanzipierte Frau – emanzipiert von Gott!"

    Diese Befreiung und Unabhängigkeit ist aber oft Hochmut und der wissenschaftliche Kollaps folgt auf dem Fuß. Moderne Beispiele kennt jeder. Die Alten hatten ihren Turmbau zu Babel und es folgte der Schluß: "Den HERRN ernst nehmen ist der Anfang aller Erkenntnis. Wer ihn missachtet, verachtet auch Weisheit und Lebensklugheit."

    Wir plagen uns im alltäglichen Leben nun nicht mit Erkenntnistheorien herum, aber wir wollen doch wissen, was für unser persönliches Leben wichtig ist, wie es gut wird, wie es sinnvoll bleiben kann. Eine Antwort liegt im Jahresspruch. Lebensklugheit liegt bei Jesus Christus – in seiner Menschlichkeit – in seiner Größe.

    Es macht natürlich Mühe, diesen oft verborgenen Schatz zu heben und dann auch noch auf sein eigenes Leben anzuwenden. Aber wenn es ge-lingt, dann können wir mit einfachen biblischen Worten sagen: Den HERRN stets ernst zu nehmen, das ist Weisheit. Und alles Unrecht meiden, das ist Einsicht.      Ihr Pfarrer Zillmann

    .

    Hauptseite Archiv  (c) 2002-2004   Mail Pfarrer Zillmann

    Ev.Kirche Am Seggeluchbecken in Berlin-Reinickendorf
    Pfarrer Peter Zillmann, 13435 Berlin-Märkisches Viertel, Finsterwalderstr. 68


    >/div>