Hauptseite.Archiv                          PageAutor: Pfarrer Zillmann    (01.01.2004)

Kirchen-Gemeinde im Internet:
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 Predigten und Andachten 2003

Inhalt

Andacht Jahreslosung 2004 (Mk 13,31 - Gottes Wort)  Pfr. Zillmann
Predigt Mt 4,17 (Lk 17,20-21)  (Reich Gottes) 09.11.03  Pfr. Zillmann
Andacht Kreissynode 1. Joh 4,16 (Backofen der Liebe) 25.10.03 Superintendent Gutjahr
Predigt Hiob 2,10 (Gut und Böse) 17.09.03 Pfr. Rochusch
Andacht Ps 78,3-4 (Lebensweisheiten) 20.07.03 Pfr. Zillmann
Predigt Joh 20,19-29 (Das Leben als Labyrinth) 27.04.03 Pfr. Zillmann
Predigt Joh 19,16-30 (Jesus stirbt) 18.04.03 Pfr. Rochusch
Predigt Mk 12,1-12 (Man muß sich verantworten können) 16.03.03 Pfr. Zillmann
Jahreslosung 2003 - 1.Samuel 16,7 (Mensch mit Herz) 01.12.02 Pfr. Zillmann
 

weitere Predigten im Archiv
(Hinweis: Die Predigten sind teilweise geschrieben wie vorgetragen)

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   Andacht Jahreslosung 2004  (Mk 13,31 - Gottes Wort)  Pfr. Zillmann
 

Jesus Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen;
meine Worte werden aber nicht vergehen.
(Mk 13,31 Jahreslosung 2004)

Zwischen Himmel und Erde gibt es viele gesprochene und geschriebene Worte. Allerdings sind sie manchmal schon vergangen und überholt, bevor die Druckerschwärze getrocknet ist und der Wetterbericht die Nachrichten beendet hat. Der eine sagt dies und der andere das.

Manche Menschen, die politische Verantwortung tragen,  schaffen es sogar an einem Tag gleich mehrere Meinungen zu haben. Die Reformen vom Vormittag sind dann bereits abends neu reformiert und es kommt beim interessierten Zuhörer schnell Verdruss auf.

Aber mit den eigenen Worten, die wir im Laufe des Jahres oder der Jahrzehnte gesprochen haben, ist es nicht anders. Da müssen wir ehrlich sein.  Wenn wir sie aufgeschrieben hätten,  all unsere kleinen und großen Vorsätze, die nicht eingelösten Zusagen und Versprechen, die Behauptungen und Vermutungen, die Zweifel und Ängste, die Fragen und Bitten - wenn wir sie aufgeschrieben hätten, würden wir merken, wie leer und vergänglich sie doch oftmals waren und sind.

Nicht umsonst spricht man heute von einer Inflation der Worte - im privaten, aber auch im öffentlichen Bereich bis hin zur Politik. Dagegen sagt Jesus: "Meine Worte werden aber nicht vergehen ..."

Dass Worte schnell vergessen sind, hat er somit als Problem erkannt. Und ob seine Worte ewig bleiben, ist in erster Linie eine Glaubensfrage. Aber dass sie schon 2000 Jahre Bestand haben und immer noch aktuell sind, ist eine Tatsache, die uns zuversichtlich stimmen sollte.

Es gibt also doch Worte, die länger halten als der Schnee von gestern. Wir sollten sie darum als kleinen Schatz hüten und weitersagen. Gerade in einer Zeit, wo wir nach festen und beständigen Wahrheiten suchen, können solche Worte eine große Hilfe sein.

"Ich gebe dir mein Wort." sagen wir zu anderen, wenn wir unseren Aussagen Nachdruck verleihen wollen. Gott hat uns auch sein Wort gegeben. Wir sollten ihn ernst nehmen, denn alles andere kommt und geht und ist unbeständig, wie das Wetter nach den letzten Nachrichten.


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   Predigt Mt 4,17 (Lk 17,20-21)  (Reich Gottes) Gemeindeversammlung 09.11.03 Pfr. Zillmann
 

Die ersten Worte, die uns von Jesus überliefert sind; die ersten Worte, mit denen er seine Predigten beginnt, lauten:

"Ändert euren Sinn, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen." (Mt 4,17)

Diese Worte fassen seine Botschaft zusammen und sie begründen sie. Sie stehen also nicht umsonst am Anfang. Sie sind gewissermaßen das A und O, aus dem dann alles andere folgt. Und solch ein Satz ist es wert, daß wir ihn uns gut einprägen. "Ändert euren Sinn, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen."

Wenn dieser Satz nun so wichtig ist, wie ich behaupte, dann hat er in unserer christlichen Geschichte auch viele Veränderungen erlebt, wurde umgedeutet oder gar umgedreht.

Im schlichten Volksglauben lautet er dann: "Ein guter Mensch tut Buße, damit er in den Himmel kommt." So gesagt, hat er lange Zeit die Gemüter bewegt; hat Menschen in ihrer Frömmigkeit geprägt und andere - gerade deshalb auch - vom Glauben abgebracht.

"Böse Menschen sind dem Teufel verfallen.", heißt er dann, und: "Wer seine Sünden bekennt, sie abbüßt, kann dem Satan entkommen und wird nach dem Tode in den Himmel aufgenommen."

Das ist eine einfache und auch recht einprägsame Glaubenshaltung. Auch Menschen, die nicht an Gott glauben, ist sie bekannt. Und für viele ist es die erste Äußerung, die sie überhaupt vom christlichen Glauben und von Kirche mitbekommen; meistens durch den Fernseher, in Spielfilmen, Büchern oder bei Gesprächen im Verwandten- und Bekanntenkreis. Sie ist prägend für Generationen von Menschen. Sie ist prägend für Kirche und Glauben schlechthin.

Mal abgesehen vom mittelalterlichen Weltbild, daß uns für unsere heutigen Probleme selten Hilfe gibt, steht hinter solch einem Glauben auch eine echte Gefahr. Er stellt nämlich die christliche Botschaft geradezu auf den Kopf. Ursache und Wirkung werden leichtsinnig vertauscht.

Jesus sagt ja nicht: Ändert euren Sinn, damit das Reich der Himmel herbeikommt. Also nicht: Wir müssen uns ändern, damit dann, damit durch unser Tun das Reich Gottes beginnt. So als ob alles in unseren Händen läge und wir nur das richtige und das gute zu tun hätten und wir belohnt würden, mit dem Reich der Himmel, mit dem Reich Gottes.

Nein, genau umgekehrt hat er es gesagt. Erst beginnt das Reich Gottes, bricht gewissermaßen in diese Welt hinein. Und wenn wir dieses Reich Gottes wahrnehmen, was das auch sein mag, wenn wir davon eine Ahnung bekommen, wenn es unser Lebensgefühl trägt und auszeichnet, dann - und erst dann - werden wir unsere Sinne ändern, unser Leben anders leben.

Nun herrscht ja weithin die Meinung: "Also mit bestem Willen, vom Reich Gottes in dieser Welt habe ich noch nichts gemerkt. Eher leben wir schon in einer gottverlassenen Welt. Und Zeichen, daß es mal irgendwie besser wird, kann ich nicht entdecken. Und ganz besonders trübe sieht es in der Kirche aus. Wann und wie soll denn da das Reich Gottes kommen? "

Diese gängige Meinung ist alt, mindestens 2000 Jahre alt. Und als Jesus sie hörte, da antwortete er: "Das Reich Gottes kommt nicht mit erkennbaren Zeichen; man wird auch nicht sagen: Siehe,   h i e r   ist es! oder:   D a   ist es! Nein, das Reich Gottes ist mitten unter euch, oder inwendig in euch,  - so ihr euch selbst erkennt." (Lk 17,20f)
( ...entos umwn estin - intra vos est; ... eautous gnwsesJai    aus Gnostische Apokryphen, Thomasevangelium )

"Schön und gut, aber trotzdem sehe ich nichts." Diese Meinung haben auch Große Leute vertreten. Albert Schweitzer zum Beispiel, den ja sicher die meisten kennen werden und von dem wir sagen würden, er sei ein vorbildlicher Christ gewesen.

Albert Schweitzer hat mal zu diesem Jesuswort: "Ändert euren Sinn, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen." , er hat dazu gesagt: Jesus hat sich in diesem Fall einfach geirrt. Gottes Reich ist so ferne, wie eh und je. Und Albert Schweitzer hat die Konsequenz gezogen, hat dieser Welt, hat seiner bürgerlichen Karriere einfach den Rücken gekehrt und ist in den Urwald abgewandert. Da also, fernab von allem heuchlerischen Christentum, wollte er den Heiden zeigen, was wahre christliche Nächstenliebe bedeutet. - Und es ist ihm auch gelungen.

Liebe Gemeinde, wenn wir nun meinen, unsere Welt ist eine gottverlassene Welt, dann bleibt uns als Ausweg natürlich immer auch der Urwald. Aber wo gibt es heute noch richtigen Urwald? Wo gibt es heute noch abgeschiedene Klöster, in denen wir vor dieser Welt fliehen könnten?

Und es ist ja auch nicht jedermanns Sache, seine Tasche zu packen und in den Busch zu ziehen. Vor diesen Mühen scheuen wir uns und gestehen dann eher ein: "Na, so schlecht ist es nun auch wieder nicht. Man kann's schon aushalten." Und daß wir es aushalten, sehen wir ja, denn sonnst wären wir ja hier nicht versammelt.

Aber trotzdem. Was hat es nun auf sich, mit dem Reich Gottes oder mit dem Anbrechen der Himmel? Ich möchte dazu drei Richtung darlegen, wie wir uns das Reich Gottes, oder das Verständnis von diesem Reich verbauen können.

1.) Es geht nicht, wenn wir das Reich Gottes nur irgendwo im Jenseits suchen, als eine Art von himmlischen Schlaraffenland, in dem es nichts Lästiges gibt, keine Anstrengungen, kein Leid, kein Tod.
2.) Wir verstehen es falsch, wenn wir es spiritualisieren. Also auf deutsch gesagt: wenn wir es völlig vom materiellen Leben abtrennen, als käme es nur innerlich im Herzen vor und hätte mit äußeren Dingen nichts zu tun.
3) Und drittens dann: Das Reich Gottes kann ich nicht für mich alleine, also nur für meine Person, individualisieren und dann aus der Welt meiner Mitmenschen herausnehmen. Ich darf nicht sagen: "Reich Gottes ist mein eigenes, ungetrübtes und inniges Verhältnis zu Gott. Es betrifft nur mich, weil ich fromm bin. Und andere geht es überhaupt nichts an, weil sie es auch gar nicht beurteilen können."
Das mag alles etwas theoretisch klingen, aber diese drei Richtungen beschreiben auch ganz klar bestimmte Typen von Menschen.
  • Es gibt da den Träumer, der mit seinem Leben nicht klarkommt. Er zieht sich zurück, vereinsamt und meint, nach dem Tode wird alles wieder gut.
  • Und es gibt den christlichen Tatmenschen, der genau das Gegenteil macht und sich in die Nächstenliebe hineinstürzt, um einen guten Platz im Himmel zu ergattern.
  • Und es gibt den selbstsüchtigen Menschen, der mit aller Ellenbogenkraft seine Welt aufbaut. Tagsüber läßt er Gott einen guten Mann sein und jeden Abend sagt er immer wieder dasselbe: "Mein Gott, ich weiß, ich habe gesündigt, aber es hat wenigstens Spaß gemacht."
Liebe Gemeinde, jeder hat von diesen christlichen Typen etwas in sich, der eine mehr der andere weniger. Und oft hängt es auch von der Lebenssituation ab, welche Richtung wir gerade bevorzugen. Gefährlich wird es, wenn wir ins Extrem verfallen: Nur die eine oder nur die andere Richtung gelten lassen, weil wir meinen, die Zeichen richtig erkannt zu haben.

"Das Reich Gottes kommt nicht mit erkennbaren Zeichen;"  sagte Jesus, "man wird auch nicht sagen: Siehe,   hier   ist es! oder:   Da   ist es! Nein, das Reich Gottes ist mitten unter euch, oder inwendig in euch,  - so ihr euch selbst erkennt."

Ich sehe daher dieses Reich der Himmel, nicht nur rein jenseitig, nicht nur rein geistig und nicht nur rein persönlich. Für mich ist Reich Gottes schlicht und einfach ein Hoffnungsbild. Das Gute im Menschen. Ein Hoffnungsbild, das die Richtung meines Lebens bestimmt, in der ich Erfüllung erwarten kann.

Andere Wörter fallen mir dazu ein: Reifer werden, glücklich sein, Menschlichkeit, oder vielleicht auch ganz einfach "heil sein". Das ist eine Lebenshaltung, die von innen kommt. Manchmal ist sie verschüttet und manchmal erkennen wir sie ganz deutlich. Dann merken wir: Gott meint es gut mit uns. Wir sind OK. Und das ohne unsere Verdienste, einfach nur so.

Und dann und nur dann kann ich das wichtigste Gebot unseres Handels war werden lassen. Liebe dich selbst, um andere lieben zu können.

Das Reich Gottes ist uns geschenkt. Es ist inwendig in uns. Wir erkennen es, indem wir uns so annehmen wie wir sind. Und es wirkt nach außen, wenn wir das Gefühl haben: Ich bin OK. - Du bist OK. - Ich hab dich gern. Ich helfe dir.

Um noch einmal auf Albert Schweitzer zurückzukommen. Er hatte anders gedacht als ich. Er war der Meinung, Jesus hätte sich bei dieser entscheidenden Sache geirrt. Die Person Albert Schweitzer ist damit zu einem Paradox geworden. Er selber hat nicht an das Reich Gottes mitten unter uns geglaubt und er selber hat dann mit seiner Persönlichkeit Zeichen gesetzt, eben für dieses Reich. Mit seinem Leben hat er seinen eigenen Glauben widerlegt.
Albert Schweitzer ist zu einem Vorbild von tiefer Menschlichkeit, nicht nur für uns Christen, geworden. Er hat ein Stück Himmel in unsere Welt geholt. Nun, manche sagen, er war ein humanistischer Träumer. Für mich bestätigt er aber mein Hoffnungsbild, bestätigt er, was Jesus sagt: "Das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen."

Liebe Gemeinde, um das abschließend zu sagen, es ließen sich leicht noch mehr Beispiele finden. Und wichtig sind nicht die großen berühmten Persönlichkeiten, sondern vielmehr die kleinen Spuren von Liebe und Vertrauen im täglichen Leben; sei es nun zwischen zwei Menschen, in der Familie oder zwischen Menschen, die sich überhaupt nicht kennen.

Auf solche Dinge müssen wir eben einfach mehr aufpassen. Ja, vielleicht sollten wir sie auch suchen, denn sie können uns Mut machen, damit wir nicht immer alles gleich schwarz sehen, damit wir auch Vorbilder haben, wie wir es machen können, um Reich Gottes sichtbar werden zu lassen.

Auf solche Zeichen der Liebe müssen wir achten. Nicht sie selbst sind Reich Gottes, aber sie bestätigen, das dieses Reich in uns ist. Sie zeigen, daß unser Leben einen Sinn hat, einen Sinn für die Ewigkeit. Denn so hat es Jesus gesagt: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.

AMEN                                09.11.03 Pfr. Zillmann


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    Andacht Kreissynode 1. Joh 4,16  (Backofen der Liebe) 25.10.03 Superintendent Gutjahr
 

„Und wir haben erkannt und geglaubt
die Liebe, die Gott zu uns hat.
Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott und Gott in ihm.“

1. Johannes 4,16

Wer ist dieser Gott, zu dem wir uns bekennen?

auf der Akademietagung in Bad Boll Ende April dieses Jahres erzählte die Theologin Dorothee Sölle von einem kurzen Gespräch mit ihrer 6jährigen Enkelin. – Wenige Stunden nach diesem Vortrag, das wissen wir heute, ist Dorothee Sölle gestorben. – Ich habe den Text von einem Tonbandmitschnitt aufgezeichnet.

Dorothee Sölle erzählt: Ich lese meinem Enkelkind Märchen von Andersen und Grimm vor, am Sonntag aber aus einer Kinderbibel. Plötzlich sagt das 6jährige Kind zu mir: „Ja, Gott, - ob’s den eigentlich gibt, - das weiß man ja nicht so genau.“ Ich habe dann nur gesagt: „Nein, das weiß man wirklich nicht so genau. Beweisen kann man das nicht, aber es gibt einen tollen Mann in der Kirche, der hieß Martin Luther, und der hat mal was Schönes gesagt: Gott -, das ist ein Backofen voll Liebe.“ Ich, so erzählt D. Sölle weiter, habe so etwas noch nie erlebt. Dieses Kind war so hin von dieser Metapher. Es sagte: „Ein Backofen, - voller Liebe, - ein richtiger Ofen, - der wärmt?!“

Bilder prägen oft mehr als viele Sätze.

„Gott, das ist ein glühender Backofen der Liebe!“ so die genaue Formulierung M. Luthers. Die Menschen mit viel Liebe, in Liebe, aus Liebe heraus gebackene, knusprige, wohlriechende, wohlschmeckende Brote! Ein, wie ich meine, schönes und tiefsinniges Bild. Gott als Bäcker, der ein Brot nach dem anderen aus seinem Backofen der Liebe herausholt, jedes behutsam auf den Tisch legt, liebevoll  betrachtet und dann weitergibt. Brote können sehr unterschiedlich sein. Sie können sehr unterschiedlich aussehen, beschaffen sein, schmecken. Manche haben eine harte Kruste, manche eine weiche... Sehr unterschiedlich können die Brote sein..., so unterschiedlich eben auch wie wir Menschen...

Ja, ein wunderschönes Bild: Gott, der Bäcker, der in einem glühenden Backofen voller Liebe Brote backt und sie dann ihrer Bestimmung übergibt, Brote nahrhaft und schmackhaft. „E r  hat uns gemacht und nicht wir selbst,“ so bekennen wir. Der Bäcker und der Backofen sind eins.

„Jeder Mensch“, so hat jemand mal gesagt, „ist ein einmaliger Liebesgedanke Gottes.“
Wir sind die von Gott mit viel Liebe gebackenen Brote, zum Gebrauch, besser gesagt: zum Verzehr bestimmt. Gottfried Keller erzählt von einem Brot, das nicht gegessen werden wollte... Es ist eine Geschichte, die besonders auch Kinder lieben. Immer, immer wieder musste ich sie den Vorschulkindern im Kindergarten erzählen.

Heute will ich sie aber lesen:

„Von dem Brot, das nicht gegessen werden wollte“

Es war einmal ein wunderschönes frisches Brot, braun und knusprig und herrlich duftend. Es lag In einer Bäckerei auf dem Regal, und alle anderen Brote bewunderten es. Das Brot dachte: „Ich bin das allerschönste Brot, das es je gegeben hat. Und ich soll verkauft werden und in so einer ollen Einkaufstasche verschwinden, um zerschnitten und aufgegessen zu werden? Das wäre doch jammerschade:

Wenn die Bäckersfrau ein Brot vom Regal nahm, dann duckte es sich geschickt zur Seite und blieb liegen. Da brauchte die Bäckersfrau eine Schachtel und zog unter dem Regal eine Schublade auf. Als sie sich umwandte, sprang das schöne Brot ? schwupp ? vom Regal in die Schublade. Die Bäckersfrau hatte nichts gemerkt und stieß die Schublade mit dem Fuß zu. „Ein Glück", dachte das Brot, „jetzt bin ich gerettet. Hier findet mich keiner."

In der Schublade lagen Tüten und alte Schachteln. Als die sich vom Schreck erholt hatten, raschelten und wisperten sie, tuschelten und knisterten: „Ach, was ist das doch für ein wunderhübsches Brot! So ein feines, braunes, knuspriges haben wir noch nie gesehen. Und wie das so herrlich duftet ? hm ? wie lecker das ist!" Sie drängten sich um das Brot, jede wollte ihm am nächsten sein.

Am nächsten Tag war die Begeisterung schon nicht mehr so groß. Die Tüten und Schachteln tuschelten schon wieder über andere Sachen. Und nach einer Woche war das Brot auch schon längst nicht mehr so schön. Seine knusprige Kruste wurde matt und welk, der frische Duft war verflogen.

Nach zwei Wochen fing das Brot an zu schimmeln. Die alten Tüten und Schachteln krochen angewidert in die hinterste Ecke und knisterten beleidigt: „Pfui, wie das stinkt! Eklig ist das, der Schimmel wird uns noch anstecken, widerlich. Wärst du doch bloß verkauft worden, du blödes Brot! Jetzt kommen wir deinetwegen alle um. O weh, o weh!"

Nach einem Monat zog die Bäckersfrau die Schublade wieder einmal auf, weil sie eine Schachtel brauchte. Entsetzt fuhr sie zurück: „Pfui Teufel, das ist ja widerlich, I gitt
I gitt l gittigitt! Wer hat denn das Brot in die Schublade gelegt? Wie das stinkt! Und die Tüten und Schachteln sind auch alle verschimmelt und verdorben.“ Sie zog die Schublade ganz heraus, trug sie weit von sich gestreckt nach draußen und kippte alles in die Mülltonne: „Weg mit dem ekligen Zeug!" Dann schrubbte sie die Schublade, immer noch vor sich hin schimpfend, gründlich aus. Der Schimmel von dem Brot, das nicht gegessen werden wollte, sollte nicht auch noch auf die anderen Brote kommen und sie verderben.

Wenn Brot nicht gegessen werden will, dann verdirbt es. Wenn Wein nicht getrunken werden will, wird er zu Essig. Wenn eine Kerze nicht brennen will, wird sie alt und nutzlos.
Ein Mensch, der nicht für andere leben will, verdirbt. Das ist ein Satz christlichen Glaubens.

Wenn Brot nicht gegessen werden will, dann verdirbt es. Wenn Wein nicht getrunken werden will, wird er zu Essig. Wenn eine Kerze nicht brennen will, wird sie alt und nutzlos.
Ein Mensch, der nicht für andere leben will, verdirbt. Das ist ein Satz christlichen Glaubens.

Wenn Brot nicht gegessen werden will, dann verdirbt es. Ein Mensch, der nicht für andere leben will, verdirbt. Das ist ein harter Satz.

Wir sind Gottes aus Liebe gebackene Brote, zum Gebrauch, besser gesagt: zum Verzehr bestimmt.

Der Gott der Bibel traut dem Menschen sehr viel zu. Der Mensch ist Gottes Stellvertreter auf Erden, Mitarbeiter und Freund Gottes. Weil er aus Liebe gewollt und geschaffen worden ist, kann und soll er in Liebe leben und Liebe weitergeben. Haben und Behalten allein schaffen kein Leben. (Das Brot beginnt zu stinken.) Nur für sich sein und möglicherweise bleiben wollen, nur bewundert und hofiert zu werden, das führt in den gesellschaftlichen Tod.

Leben ist Geben und Nehmen, Nehmen und Geben. Lebensfreude, Zufriedenheit, Sinn bekommt unser Leben nur im Teilen. Nur bei sich zu bleiben und bleiben zu wollen, ist kurzsichtig und letztlich tödlich.

Nach dem Zeugnis der Bibel ist der Mensch ein Beziehungswesen. „Am Anfang war Beziehung,“ sagt Martin Buber. Ein Mensch, der verschuldet oder unverschuldet aus den Beziehungsfeldern in unserem Zusammenleben herausfällt, leidet früher oder später darunter, nicht gesehen, nicht beachtet, nicht besucht, nicht gebraucht zu werden. Es beginnen – denken wir noch einmal an das Brot in der Geschichte – Zersetzungsprozesse. Der Mensch, der sich nur um sich selbst sorgt, schafft es immer weniger, Brücken zu anderen zu schlagen.

Er beginnt, sich immer mehr um sich selbst zu drehen, ja, er beginnt, Selbstgespräche zu führen.

Nur, wenn wir uns mitteilen und miteinander teilen, wird unser Leben gelingen und wird auch unser Leben Spuren im Leben anderer hinterlassen: Jesus hat uns gesagt und vorgelebt, dass Gott Liebe ist. (Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt,....) Die Liebe ist Ursprung, Grund und Ziel unseres Lebens als einzelne und als Menschheit auf dieser Erde. Beweisen können wir das nicht, nur bezeugen, bekennen.

Der Theologe Helmut Gollwitzer hat sinnvolles, erfülltes Leben folgendermaßen beschrieben:

   „Erfülltes Leben ist Leben,
   das nicht um sich selbst kreist,
   das in offenen Beziehungen
   zu anderen gelebt wird,
   das sich von anderem Leben
   in Anspruch nehmen lässt,
   das Liebe gibt,
   das geliebt wird,
   weil es Liebe gibt.“
Wir kommen aus dem „glühenden Backofen der Liebe“, aus dieser Herrlichkeit Gottes, die in uns liegt. Wir wurden gebacken bzw. geboren, um diese Herrlichkeit, diese Liebe auf die Welt zu bringen (Nelson Mandela).

Wir danken Gott dafür, dass wir leben können. Er hat uns bewahrt bis zum heutigen  Tag. Er hat uns den Glauben geschenkt, das tägliche Brot für Leib und Seele.

Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, und wir sind seine in Liebe , mit viel Liebe gebackenen Brote zum Gebrauch, besser gesagt, zum Verzehr bestimmt. Jesus freut sich, wenn wir Brote „angeknabbert“ oder „geteilt“, werden; er ist „das Brot des Lebens“, das Gott uns geschenkt hat.

Eberhard Gutjahr, Superintendent
 


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    Predigt Hiob 2,10 (Gut und Böse) 17.09.03 Pfr. Rochusch

Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse
nicht auch annehmen? (Hiob 2,10 Monatsspruch Oktober)
Sie, liebe Leser, werden wahrscheinlich mit dieser Äußerung des Hiob   nicht   einverstanden sein. In meiner Bibel, der Guten Nachricht, lautet der Vers etwas besser verständlich: „Wenn Gott uns Gutes schickt, nehmen wir es gerne an. Warum sollen wir dann nicht auch das Böse aus seiner Hand annehmen?“

Ich bin auch nicht mit dieser Ergebenheitshaltung einverstanden, die diese in einer wunderbaren Dichtung des Alten Testaments erfundene Gestalt ausspricht.  Ich stelle mir Gott – wie es viele Menschen tun – als die Kraft des Guten vor, von dem gar nichts Böses ausgeht oder verursacht wird. Ja, bei vielen Menschen geht dieser Gedanke so weit, dass sie von Gott das Gute ihres Lebensweges erwarten, und wehe dir Gott!, wenn das Gute nicht eintritt. Dann hat Gott versagt,   der  nach ihrer Meinung  doch verpflichtet ist,  uns  das Gute zu schenken.

So weit gehe ich in meinem Glauben nicht. Gott ist die Kraft des Guten, alles Gute kommt von ihm. Wir können das Gute von ihm erbitten, erhoffen, uns schenken lassen. Das Gute reicht von der Gesundheit bis zum Erfolg im Beruf und beim Hobby, vom sich ineinander Fügen der Ereignisse bis zum Glück, vom guten Einkommen bis zur Liebe eines anderen Menschen. Aber eine Pflicht Gottes, uns das Gute zu schenken, sehe ich nicht.

Der Monatsspruch lädt uns auf jeden Fall ein, darüber nachzudenken, ob und wie wir das Gute von Gott empfangen. Nehmen wir es überhaupt zur Kenntnis? Stellen wir den gedanklichen Zusammenhang zwischen Gutem und Gott her? Danken wir ihm?

Aber der zweite Teil macht mir Probleme. In meinem Glauben sind es fast immer die Menschen, die das Böse wollen, verursachen und einander zufügen. Nicht immer verursachen Menschen absichtlich das Böse, oft geschieht es aus Versehen und ungewollt, aber es geschieht durch Menschen. Die Spannweite reicht vom kleinen bösen Wort bis zum Krieg, vom Schmerz zufügen bis zum Töten. Gott hat uns Menschen, seine Geschöpfe so mit dem freien Willen zur selbstverantworteten Tat ausgestattet, dass wir das Böse tun können. Und faktisch tun wir es in reichlichem Maße oder stehen immer in der Gefahr, es zu tun, jeder Mensch gegen viele andere Menschen, wenn wir unseren Willen durchsetzen wollen, wenn wir unseren Vorteil erlangen wollen, wenn wir unsere Interessen verwirklichen wollen. Im Normalfall geht das immer irgendwie zum Nachteil des Anderen, und wir glauben uns dabei sehr oft im Recht.

Die einzige Ausnahme dieses Denkens sind für mich die Naturkatastrophen. Wenn ein Vulkan ausbricht und die heiße Masse die Landschaft und menschliche Ansiedlungen zerstört, dann sehe ich ursächlich auch nicht den einzelnen Menschen, der daran Schuld ist und das Böse, die Zerstörung gewollt hat.  Allerdings werden wir durch Naturwissenschaftler oft genug darauf aufmerksam gemacht, wie sehr das allgemein menschliche Fehlverhalten, die Ausbeutung der Natur, die Nichtbeachtung des natürlichen Gleichgewichts durch die Menschheit Ursache von Naturkatastrophen sein kann. Dann geben uns diese Äußerungen zu Denken. Gott jedoch ist nicht der Verursacher des Bösen, sondern die Natur wehrt sich gegen den Menschen und reagiert in ihrer Weise.

Nun geht es in diesem Monatsspruch dann auch um das Ertragen des Bösen. Auch bei dieser Aufforderung des Hiob werden viele Menschen protestieren. Dem Bösen, ob von Gott ursächlich gedacht oder von anderer Menschen verursacht, muss man Widerstand entgegensetzen, vor Gericht ziehen, zurückschlagen. Ertragen – nein danke! Ertragen und erleiden muss man es nur, wenn man sich nicht wehren kann, wenn man zu klein ist, wenn man dadurch nur noch mehr Böses provozieren würde.

Allerdings sagt die christliche Ethik, sich stützend auf das Ertragen des Leidens Christi, dass wir in der Nachfolge Christi auch Leid, Böses auf uns nehmen können. Hiob war insofern schon ein Mensch mit christlicher Erleidensethik, obwohl der Dichter und Erfinder dieser Gestalt Jesus Christus noch nicht kennen konnte. Für ihn kam dann auch das Böse von Gott. Für Christus geschah das Töten durch Menschen.

Aber mit der Frage, warum Gott das Sterben seines Sohnes Jesus Christus am Kreuz zugelassen hat und nicht verhindert hat, sind wir mit unserem christlichen Glauben ganz zentral bei dem, was Hiob noch in der Verantwortung Gottes glaubte. Unsere christliche Antwort, dass Gott in jedem Bösen, das geschieht, mitleidet, und jedes Böse eigentlich überflüssig ist.

Pfr. Rochusch


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    Andacht Psalm 78,3-4 (Lebensweisheiten) 20.07.03 Pfr. Zillmann

Was wir hörten und erfuhren, was uns die Väter erzählten,
das wollen wir unseren Kindern nicht verbergen.
(Monatsspruch September Psalm 78,3-4)
Diese Lebensweisheit aus dem Buch der Psalmen ist leicht verständlich. Erfahrungen werden von Generation zu Generation weitergegeben. Geschichten, die das Leben geschrieben hat, sind gute Ratgeber und werden gerne erzählt. Kindern und Jugendlichen möchten wir damit deutlich machen, wie das Leben so ist.

Nun geht es in dem Psalm aber nicht um normale Lebensweisheiten, sondern es soll GOTT gerühmt werden. Von seinen Wundern und von seiner Macht soll erzählt werden. So gesehen gestaltet sich die Absicht des Spruches doch schwieriger, als beim ersten Lesen angenommen.

Was haben uns eigentlich unsere Eltern von Gott erzählt? Und was erzählen wir unseren Kindern und Enkelkindern vom "Ruhm des Herrn"? Erleben wir nicht oftmals einen Abbruch von Traditionen und eine zunehmende Sprachlosigkeit, wenn es um Fragen des Glaubens geht?

ChristDiese sogenannte Sprachlosigkeit in Glaubensdingen scheint aber nicht erst eine Erscheinung unserer Zeit zu sein, sondern der Psalmist bemerkte schon vor Tausenden von Jahren, daß die Menschen nicht an Wunder und Allmacht glauben wollen, daß sie die guten Überlieferungen der Väter missachten und erst wenn es ans Sterben geht fragen sie wieder nach Gott.

Diese Lebenseinstellung ist uns gut bekannt. Was nutzt uns jetzt aber das Jammern über den Zeitgeist, wenn es doch schon immer so war, wie es ist? Sollten wir nicht viel gelassener und besonnener mit Glaubensfragen umgehen, als manche es tun, die mit wilden Bibelsprüchen erst ihren Nachbarn und danach die ganze Welt retten wollen?

Also, was wollen wir erzählen und nicht vor unseren Kindern verbergen - auf jeden Fall die Weisheit der Alten, die da meinten: Bleibt cool, regt euch nicht auf. Es gibt nichts Neues unter dieser Sonne!


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    Predigt Joh 20,19-29 (Das Leben als Labyrinth) 27.04.03 Pfr. Zillmann
 

Liebe Gemeinde, die Geschichte des heutigen Predigtextes führt uns in die Zeit kurz nach Ostern. Jesus war gekreuzigt und alle glaubten, er sei tot. Einige waren aber anderer Meinung und so geht die Erzählung so:
24 Als Jesus kam, war Thomas, genannt der Zwilling, einer aus dem Kreis der Zwölf, nicht dabei gewesen.
25 Die anderen Jünger erzählten ihm: »Wir haben den Herrn gesehen!«
Thomas sagte zu ihnen: »Niemals werde ich das glauben! Da müsste ich erst die Spuren von den Nägeln an seinen Händen sehen und sie mit meinem Finger fühlen und meine Hand in seine Seitenwunde legen - sonst nicht!«
26 Eine Woche später waren die Jünger wieder im Haus versammelt, und Thomas war bei ihnen. Die Türen waren abgeschlossen. Jesus kam, trat in ihre Mitte und sagte: »Frieden sei mit euch!«
27 Dann wandte er sich an Thomas und sagte: »Leg deinen Finger hierher und sieh dir meine Hände an! Streck deine Hand aus und lege sie in meine Seitenwunde! Hör auf zu zweifeln und glaube!«
28 Da antwortete Thomas: »Mein Herr und mein Gott!«
29 Jesus sagte zu ihm: »Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Freuen dürfen sich alle, die mich nicht sehen und trotzdem glauben!«
Soweit diese kurze Ostergeschichte. Sie ist die typisch biblische Erwiderung, wenn jemand sagt: "Ich glaube nur, was ich auch sehen und anfassen kann!"

Thomas war ein Freund von Jesus. Er hat an Jesus geglaubt. Dieser Jesus war sein Meister und Lehrer und in allen Lagen des Lebens sein Vorbild und Führer. Ihm ist er nachgefolgt, bis zu diesem bitteren Tag, an dem Jesus getötet  wurde. Eine Welt ist damit für Thomas zusammengebrochen. Das weiß er. Was kann man jetzt noch tun und auf was soll man jetzt noch seinen Glauben setzen? Die Geschichten, die seine anderen Freunde erzählen, daß Jesus lebt und die Sache also nicht zu Ende ist, daß es doch eine neue und bessere Welt geben wird, an solche Geschichten kann er nicht glauben.

Der Thomas könnte gut ein Mensch unserer Zeit sein. "Ich glaube nur an das, was ich auch sehen und anfassen kann!" Großes Gerede und Phantasien sind nicht seine Welt. Er ist ein realistischer Mensch. Liebe Gemeinde, damit ist er uns sympathisch. So einfach blind an irgend etwas glauben, das liegt uns modernen Menschen ja auch nicht. Wir brauchen klare Beweise, vernünftige Tatsachen, damit wir wissen, was in unserem Leben wichtig ist, damit wir wissen, wo es lang zu gehen hat auf unserem Lebensweg.

Natürlich kommt nun das große ABER: "Ja schon, aber warum sind oftmals gerade die unglücklich, die am meisten wissen? Warum verzweifeln besonders die modernen und aufgeklärten Zeitgenossen am Sinn des Lebens? Warum gibt es gerade in den hochtechnisierten und wissenschaftlich geprägten Gesellschaften so viele Selbstmorde?" Ist nicht ein gewisser Glaube, ein gewisses Vertrauen doch ganz wichtig, damit ich meinen Lebensweg sicher und zuversichtlich gehen kann? Brauche ich nicht besonders an den Wendepunkten meines Lebens, in den Krisensituationen auch ein Ziel, daß mir Hoffnung gibt?

"Ich glaube nur an das, was ich auch sehen und anfassen kann!" so hat es der Thomas gesagt und Jesus hat ihm geantwortet: »Nun gut, du glaubst, weil du mich gesehen hast. Aber freuen dürfen sich alle, die nicht sehen und trotzdem glauben!«

Liebe Gemeinde, zwischen diesen beiden Lebenshaltungen sind wir immer wieder hin und hergerissen. Der Glaube an Gott und der Zweifel gehen Hand in Hand. Wir leben unser Leben. Wir glauben, daß es gut wird und zweifeln gleichzeitig, ob es uns gelingen wird, das Gute zu behalten.

Jesus hat zu seinen Freunden gesagt - und das mal ganz verkürzt gesagt - "Folgt mir nach und ihr werdet glücklich sein." Solange er mit seinen Freunden zusammen war, haben sie seine Aufforderung auch wörtlich genommen und daran geglaubt. Nach seiner Hinrichtung ging das aber nicht mehr so einfach und die Zweifel setzten ein.

In dieser Situation stehen wir heute auch. Wo sind die Beweise, wo sind die Sicherheiten, in welche Richtung sollen wir denn gehen, um ihm nachzufolgen. Ist nicht unser Leben wie ein Labyrinth? Wo ist Ausgang und Eingang und was ist das Ziel?

IrrgartenBei diesem Bild vom Labyrinth möchte ich kurz bleiben. Sie haben auf dem Predigtzettel ein kleine Zeichnung von solch einem Labyrinth. Ein Labyrinth kann vielleicht unser Leben widerspiegeln mit all seinen Verwinkelungen, Prüfungen, Verzögerungen, unvorhergesehenen Ereignissen.

Das älteste, kilometerlange Labyrinth kann man heutzutage noch auf Kreta finden. Es war so wichtig und gewaltig, daß man es neben den Pyramiden zu den alten Weltwundern zählte. Die antike Sage berichtet, daß in der Mitte des Labyrinths der Tod, in Form eines Minotaurus eines schrecklichen Ungeheuers, lauerte. Und dreist wenn man im Zentrum des Labyrinths angelangt war und den Tod besiegt hatte, kam man trotzdem nicht wieder ins Leben hinaus, da man in den Gängen umherirrte und verdurstete.

Die Christen haben später dieses Bild vom Labyrinth aufgenommen und umgedeutet. Jesus Christus ist am Karfreitag in dieses Labyrinth, in diese Todesspirale hinabgestiegen, um den Tod zu besiegen. Er hat dann alle dort ebenfalls eingeschlossenen Menschen heraus ans Licht geführt. Er kannte den Weg nach draußen, er wusste wo der rote Faden war und alle, die ihm nachfolgten waren gerettet.

In ganz alten Kirchen, die so bis zum 9 Jahrhundert gebaut wurden (Chartres), in ganz alten Kirchen finden sie noch solche Labyrinthe. An der dunkelsten Stelle, meistens in der Krypta, musste man auf Knien rutschen, um nach endlosen 200 m wieder rauszukommen. Später gab es dann nur nach Mosaikdarstellungen und in der Mitte des Mosaiklabyrinths stand das Wort Kirche.

Die Erbauer dieser Gotteshäuser meinten, daß die Kirche den Menschen auf seinem Lebensweg, der ja immer auch ein Todesweg ist, auffangen und befreien kann. Durch die Kirche musste man durch, um aus dem dunklen Irrwegen des Lebens herauszufinden.

Liebe Gemeinde, die kleine Zeichnung greift dieses Thema auf. Sie können sich beim Betrachten natürlich ihr eigenes Teil dabei denken. Als ich das Bild das erste mal sah, fand ich es gar nicht so gut und dachte, der Zeichner meint "Na, ja früher oder später kommen sie alle mal zur Kirche". Aber das wäre zu kurz gedacht. Die Kirche ist hier nur Mittel zum Zweck. Sie sollte den Glauben festigen, daß zum Schluß, auch wenn uns unser Leben wie ein Irrweg durchs Labyrinth erscheint, und wir ständig am Sinn des Lebens zweifeln, daß zum Schluß doch alles gut wird und man den richtigen Weg ins Licht findet.

Liebe Gemeinde, um das abschließend zu sagen und zu ergänzen. Symbolisch kann man hier für die Kirche auch die Taufe einsetzen. Da wir ja heute in unserem Gottesdienst ein Kind taufen, soll darauf besonders hingewiesen werden. Mit der Taufe gehört man zu Jesus Christus und er wird dann bei den Verwinkelungen, Prüfungen, Verzögerungen, die uns auf unserem Lebensweg begegnen, immer bei uns sein.

Sehen kann man das natürlich nicht. Aber wie hat es Jesus zu seinem Freund gesagt: "Freuen dürfen sich alle, die nicht sehen und trotzdem glauben!« und in Erweiterung dazu der Taufspruch aus dem alten Testament , wo Gott spricht: "Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte." (Jer 31,3)
Das Leben ist manchmal wie ein Labyrinth, liebe Gemeinde, aber der Glaube ist dann wie ein roter Faden, der uns vor dem Tod retten kann.

AMEN


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    Predigt Joh 19,16-30 (Jesus stirbt) 18.04.03 Pfr. Rochusch
 

Text:
Da lieferte Pilatus ihnen Jesus aus und gab ihn frei zur Kreuzigung. Die Soldaten übernahmen Jesus. Er trug selber sein Kreuz aus der Stadt hinaus, bis zum so genannten Schädelplatz – auf Hebräisch heißt er Golgota. Dort nagelten sie Jesus ans Kreuz und mit ihm noch zwei andere, den einen links, den anderen rechts und Jesus in der Mitte.

Pilatus ließ ein Schild am Kreuz anbringen; darauf stand: »Jesus von Nazaret, der König der Juden«. Der Ort, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nicht weit von der Stadt entfernt, deshalb lasen viele Juden diese Aufschrift. Sie war in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache abgefasst.

Die führenden Priester sagten zu Pilatus: »Schreib nicht: 'Der König der Juden', sondern dass dieser Mann behauptet hat: 'Ich bin der König der Juden.'« Pilatus sagte: »Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.«

Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz genagelt hatten, nahmen sie seine Kleider und teilten sie in vier Teile. Jeder erhielt einen Teil. Das Untergewand aber war in einem Stück gewebt und hatte keine Naht. Die Soldaten sagten zueinander: »Wir wollen es nicht zerreißen; das Los soll entscheiden, wer es bekommt.« So traf ein, was in den Heiligen Schriften vorausgesagt war: »Sie haben meine Kleider unter sich verteilt. Mein Gewand haben sie verlost.« Genau das taten die Soldaten.

Nahe bei dem Kreuz, an dem Jesus hing, standen seine Mutter und deren Schwester sowie Maria, die Frau von Klopas, und Maria aus Magdala. Jesus sah seine Mutter dort stehen und neben ihr den Jünger, den er besonders lieb hatte. Da sagte er zu seiner Mutter: »Frau, er ist jetzt dein Sohn!« Und zu dem Jünger sagte er: »Sie ist jetzt deine Mutter!« Von da an nahm der Jünger sie bei sich auf.

Jesus wusste, dass nun alles zu Ende gebracht war. Aber damit die Voraussagen der Heiligen Schriften vollends ganz in Erfüllung gingen, sagte er: »Ich habe Durst!« In der Nähe stand ein Gefäß mit Essig. Die Soldaten tauchten einen Schwamm hinein, steckten ihn auf einen Ysopstängel und hielten ihn Jesus an die Lippen. Jesus nahm davon und sagte: »Jetzt ist alles vollendet.« Dann ließ er den Kopf sinken und gab sein Leben in die Hände des Vaters zurück.

Auslegung:

Ich möchte Ihnen danken, dass Sie mit mir gemeinsam über das Sterben Jesu Christi und die Bedeutung seines Todes für uns nachdenken möchten. Ich bin gestern durch eine kleine Anzeige in der Zeitung sehr erschreckt worden. Diese Anzeige drückt das Lebensgefühl so vieler Menschen in unserer Zeit aus, ein Lebensgefühl, das Leiden, Sterben und Tod beiseite schieben möchte, überspringen möchte und den Blick nur und ausschließlich auf die fröhliche Seite unseres Lebens richten möchte.

Die Anzeige lautet: "Wir laden alle Eltern und Kinder herzlich ein zum fröhlichen Ostereiersuchen am Karfreitag um 10.00 Uhr in die Wuhlheide." Außerdem wird in dieser Anzeige von den drei Osterfeiertagen gesprochen, womit auch der heutige Karfreitag einbezogen ist. Diese Anzeige ist für mich Ausdruck des Empfindens vieler Menschen in unserer Zeit ? leider!: Das Leid wird übersprungen. Die Passionszeit wird übersprungen. Es gibt schon seit Wochen Ostereier zu kaufen, und nach Ostern gibt es die Reste dann zum halben Preis.

Zu den Problemen unserer Zeit gehört, dass vom Osterfest als dem Frühlingsfest mit seinen drei Feiertagen gesprochen wird. Aber, darauf möchte ich mit dieser Einleitung aufmerksam machen: Es gibt keinen Frühling, dem nicht ein Winter vorausgegangen war und es gibt kein Osterfest, dem nicht die Passionszeit und der Karfreitag vorausgegangen sind.

Sie machen es richtig: Sie denken mit mir über das Sterben unseres Herrn Jesus Christus nach. Ich bin ganz sicher, dass wir über dieses Nachdenken ein viel besseres Verständnis für die in unserer Welt ja doch vorhandenen und nicht beiseite schiebbaren Schreckensmeldungen gewinnen, seien es Nachrichten aus dem Kriegsgebieten oder von Verkehrsunfällen oder vom Sterben in unserer unmittelbaren Umgebung, Familie, Freundschaft oder Nachbarschaft.

Wir können solchen Nachrichten nicht ausweichen, wir müssen uns damit auseinandersetzen und brauchen Kraft, gute, tragende, Sinn gebende Gedanken. Wir brauchen eine Stärkung unseres Glaubens. Darum richten wir heute den Blick auf den Tod dieses Einen. Darum bedenken wir das Sterben dessen, der zuletzt gesagt hat: „Es ist vollbracht!“. Warum hat dieser sterbende Jesus Christus nicht ein verzweifeltes „Ich kann nicht mehr“ ausgestoßen oder ein zorniges „Schluss jetzt“? Und was meint er mit diesem Wort? Was ist vollbracht durch seinen Tod?

Der Evangelist Johannes richtet unseren Blick auf diesen Einen, weil sein Sterben ein ganz besonderes, ein außergewöhnliches, ein einmaliges Sterben ist und von daher ein sehr bedeutungsvolles Sterben. Ich möchte Sie aufmerksam machen auf die Feinheiten der Erzählkunst des Evangelisten:

Da wird

1) der Weg vom Palast des Pilatus zur Hinrichtungsstätte in einem kurzen Satz notiert. Jesus trägt sein Kreuz allein. Keine Notiz davon, dass er schon auf dem Weg zusammenbricht, dass man ihm helfen muss, wie wir es aus den Berichten der anderen Evangelien kennen. Hier geht ein starker, kräftiger Jesus den Weg, den Siegesweg zum Kreuz. Hier geht unser Herr für uns den Weg durch das Leid.

2) heißt es ebenso kurz: „Sie kreuzigten ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber mitten darin.“ Hier werden die zwei anderen nicht als Verbrecher bezeichnet, hier wird Jesus nicht durch seine Sterbebegleiter disqualifiziert. Die beiden anderen rahmen ihn ein, erscheinen fast wie die engsten Freunde und Berater eines Königs, Jesus mitten unter ihnen. Auch ihr Tod ist in seinem Sterben aufgehoben.

3) streiten sich sehr heftig die Hohenpriester mit Pilatus über den Inhalt des Verurteilungsschildes. Wir wissen, dass man auf einer Tafel den Namen und die Begründung des Todesurteils notierte. Diese Tafel sagte es in allen drei damals wichtigen Sprachen: Hier stirbt der König, nicht irgendein Verbrecher. Pilatus will sich zwar mit diesem Befehl zur Textgestaltung an den Hohenpriestern rächen dafür, dass sie ihn vorher so sehr in die Enge getrieben haben und erpresst haben, aber Pilatus wird so unfreiwillig zum Zeugen und Bekenner der christlichen Grundwahrheit: Hier stirbt der König und Herr. Es wird öffentlich bekannt gemacht in allen Weltsprachen. Oder hat Pilatus doch etwas begriffen von der Würde dieses sterbenden Jesus Christus? Ist die Tafel seine Art der Verehrung?

4) erzählt Johannes davon, dass die Soldaten das ungenähte, von oben an gewebte Obergewand Jesu nicht zerstört haben, sondern wie um ein kostbares Etwas gewürfelt haben. Sie taten es und erfüllten damit ein Psalmwort. Wollte der Evangelist damit andeuten, dass es sich um ein Eingreifen Gottes handelte, wenn ein Schriftwort sich erfüllt? Die Menschen, die Jesus Christus töten oder die um sein Obergewand würfeln, sie sind nur Mittel und Werkzeug göttlichen Eingreifens. Menschen wollen töten und zerstören, aber Gott lässt den Tod Christi zu als Opfer für die Versöhnung aller Menschen, auch dieser Menschen.

Und 5) wird berichtet, dass unter dem Kreuz die Mutter Jesu und der Jünger Johannes stehen. Ich versuche mir, diese Szene vorzustellen. Wie groß wird das Kreuz gewesen sein, drei Meter, fünf Meter hoch? Auf jeden Fall war Jesus Christus erhöht worden über alle hinweg, die dabei waren. Alle, die unter dem Kreuz standen, mussten aufblicken zu ihm und ihn so verehren, wenn sie sich nicht abgewendet und den eigenen Problemen zugewendet hatten wie die Soldaten.

Die beiden aber, Maria und Johannes, die zum sterbenden Jesus Christus aufblicken, sie erhalten von ihm die kraftvollen, tröstenden, stärkenden und in die Zukunft weisenden Worte: Das ist dein Sohn, das ist deine Mutter. Jesus Christus der Gekreuzigte ordnet die Gemeinschaft der Christen und gründet die Kirche. Vom Gekreuzigten und Sterbenden werden Worte überliefert, die neues Leben, neue Hoffnung, neue Zukunft begründen im Miteinander der zum Kreuz aufblickenden und glaubenden Christen.

Es bewahrheitet sich der Wochenspruch dieser Woche, der am Anfang des Johannesevangeliums steht und sich wie ein Bogen bis zur Kreuzigung spannt: „Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ Wir sind eingeladen, wie Maria und Johannes aufzublicken zum Gekreuzigten und in ihm den Herrn zu erkennen, der Zukunft und Gemeinschaft und Vergebung schenkt..

Und, um den Gedankenkreis zu schließen, nehme ich noch einmal die am Anfang geäußerten Sorgen auf und möchte antworten: Wir Christen brauchen das Leid und den Tod nicht beiseite zu schieben und zu überspringen. Im Nachdenken über das Sterben dieses einen besonderen Menschen entdecken wir so viele Aspekte des Glaubens, dass wir getröstet werden, dass wir Kraft und Zuversicht erhalten. Wir können, von Christus her gestärkt, uns dem Leid zuwenden, es aushalten und im Tragen überwinden, denn Christus trägt das Leid der Welt.


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    Predigt Mk 12,1-12 (Man muß sich verantworten können) 16.03.03 Pfr. Zillmann
 

Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Markusevangelium. Es ist das Gleichnis von den bösen Weinbergspächtern. Dieses Gleichnis ist eines von vielen, mit denen Jesus versucht, seinen Zuhörern klar zu machen, wie man mit anderen Menschen umzugehen, wie man mit anderen Menschen zu leben hat - Und es versucht zu erklären, wie dieses Leben  bewertet werden wird, einmal von den anderen Menschen, mit denen wir zusammen leben und dann zum anderen auch von Gott.
1 Dann wandte sich Jesus mit einem Gleichnis an sie. Er sagte:
»Ein Mann legte einen Weinberg an, machte einen Zaun darum, baute eine Weinpresse und errichtete einen Wachtturm. Dann verpachtete er den Weinberg und verreiste.
2 Zur gegebenen Zeit schickte er einen Boten zu den Pächtern, um seinen Anteil am Ertrag des Weinbergs abholen zu lassen.
3 Die Pächter aber verprügelten den Boten und ließen ihn unverrichteter Dinge abziehen.
4 Der Besitzer schickte einen zweiten, dem schlugen sie den Kopf blutig und behandelten ihn auf die schimpflichste Weise.
5 Da schickte er einen weiteren Boten. Den brachten sie sogar um. Und so machten sie es noch mit vielen anderen, die er schickte: Die einen wurden misshandelt, die anderen umgebracht.
6 Schließlich blieb ihm nur noch sein eigener Sohn, dem seine ganze Liebe galt. Den schickte er zu den Pächtern, weil er sich sagte: 'Vor meinem Sohn werden sie Respekt haben.'
7 Aber die Pächter sagten zueinander: 'Das ist der Erbe! Wir bringen ihn um, dann gehört seine Erbschaft, der Weinberg, uns!'
8 So töteten sie ihn und warfen die Leiche aus dem Weinberg hinaus.
9 Was wird nun der Besitzer des Weinbergs tun? Er wird selbst kommen, die Pächter töten und den Weinberg anderen anvertrauen.
10 Ihr kennt ja wohl die Stelle in den Heiligen Schriften, wo es heißt:
'Der Stein, den die Bauleute als wertlos weggeworfen haben,
ist zum Eckstein geworden.
11 Der Herr hat dieses Wunder vollbracht,
und wir haben es gesehen.'«
12 Die führenden Priester, die Gesetzeslehrer und die Ratsältesten hätten Jesus gerne festgenommen; denn sie merkten, daß das Gleichnis auf sie gemünzt war. Aber sie hatten Angst vor der Menge. So ließen sie ihn unbehelligt und gingen weg.  (Mk 12,1-12)
Liebe Gemeinde, eigentlich ist die Geschichte ganz einfach. Was die Leute, diese Pächter da machen ist eine große Sauerei. Sie betrügen, sind raffgierig, sie sind hinterhältig und gewalttätig, sie wollen sich bereichern und schrecken dabei nicht mal vor Mord und Totschlag zurück. Das man so etwas nicht machen darf ist klar. Man muß keine besondere Ethik- oder Moralvorstellung besitzen, um zu erkennen: Hier geschieht Unrecht, diese Pächter des Weinberges sind böse Menschen. Und wenn wir uns dann selbst betrachten, sagen wir natürlich, so etwas würde ich nicht machen, jedenfalls nicht so mit Mord und Totschlag, wie das hier in der Geschichte abläuft.

Dieses Gleichnis will natürlich mehr sagen und ausdrücken, als nur eine Moralpredigt zu sein und deshalb wird es nun doch in einer besonderen Weise für uns wichtig, kann zum Nachdenken anregen. Die handelnden Personen sind im übertragenen Sinne zu sehen. Der Weinbergbesitzer ist dann Gott und wir Menschen, jeder einzelne von uns, sind dann die Pächter, die diesen Weinberg, also Gottes Welt, also unser eigenes Leben, bewirtschaften, unser Leben eben leben.

Jetzt bekommt die Geschichte eine andere Richtung. Wir haben unser Leben geschenkt bekommen. Und wir sind nicht die Herren darüber. Und wir sind auch nicht die Herren dieser Welt. Und wir müssen Rechenschaft geben können, über unsere Früchte, über den Erfolg und Misserfolg unseres Lebens.

Und da an dieser Stelle ist der Knackpunkt, wo die Meinungen doch sehr schnell auseinandergehen. Meistens denken wir nämlich nicht so, sondern meinen im Stillen oder sprechen es sogar aus: "Was soll das alles - mit diesem Gerede von Herr und Knecht. Wozu an Gott glauben, wenn ich mein Leben doch sehr gut selbst meistern kann. Dankbar sein? sich verantworten müssen? Vor Gott? - Nein nicht mit mir. Wer stark ist braucht keinen Gott."

Die Frage ist also, machen wir das, was ein überirdischer Gott von uns will, oder bringen wir die Früchte, die ein Gott von uns fordert? Oder anders ausgedrückt, hören wir auf die Botschaften, beachten wir die Boten, die zu uns geschickt werden, um Rechenschaft zu fordern? Lassen wir Jesus in unseren Weinberg hinein, Lassen wir Jesus in unser Leben kommen?

Viele sagen an dieser Stelle - genau wie in unserer Geschichte - wir brauchen keinen Herren mehr, wir brauchen keinen Gott mehr. In der Bibel heißt es dann: Schließlich blieb ihm nur noch sein eigener Sohn, dem seine ganze Liebe galt. Den schickte er zu den Pächtern, weil er sich sagte: 'Vor meinem Sohn werden sie Respekt haben.'    7 Aber die Pächter sagten zueinander: 'Das ist der Erbe! Wir bringen ihn um, dann gehört seine Erbschaft, der Weinberg, uns!' Unser Leben nehmen wir von nun ab in die eigene Hand.

Das wir uns als normale Menschen meistens auf die eigenen Leistungen verlassen ist klar. Da könnte man hunderte von Beispielen anführen. Und solange es uns gut geht, solange wir tatkräftig unser Leben meistern, sind wir bestrebt, überhaupt nicht an den Besitzer des Weinberges, also an Gott, zu denken.

In einem kleinen Witz kommt dieses Verhalten, dieses allgemeine Denken, gut zum Ausdruck:

Ein Mann kaufte sich ein Haus mit einem völlig verwilderten Garten. Viele Jahre arbeitete er darin unermüdlich und der Garten wurde wunderschön. Eines Tages kam der Pfarrer vorbei und sagte: Wahrhaftig, das ist ein Wunder, was Gott in seiner Güte - mit ein wenig menschlicher Hilfe - aus einem Garten machen kann.

Gewiss, Herr Pfarrer, sagte der Mann, sie hätten den Garten aber mal sehen sollen, als der liebe Gott noch alles alleine machte.

Liebe Gemeinde, der Humor in dieser Geschichte spiegelt auf jeden Fall unser Fühlen im alltäglichen Leben wieder. Wir Menschen machen etwas, und nicht Gott. Und meinen: Da kommt höchsten Unkraut bei heraus. Die Geschichte aus der Bibel dagegen will uns vor dieser Lebenshaltung warnen. Irgendwann kommt nämlich der Besitzer des Weinberges wieder und verlangt Rechenschaft. Und so heißt es zum Schluß der Geschichte: und die Menschen hatten gemerkt, daß er sie mit diesem Gleichnis gemeint hatte.

Ob wir das auch merken, daß wir nicht die Herren unseres Lebens sind, sondern nur die Pächter und das wir dem eigentlichen Herren, daß wir Gott etwas schuldig sind? Welche Früchte liefern wir mit unserem Leben ab? Und wenn wir schon bereit sind, auf die Boten zu hören, welche Früchte sind denn überhaupt gefragt, bei Gott?

Liebe Gemeinde, die Antwort darauf würde sicher Thema einer eigenen Predigt sein. Eines ist jedenfalls bei Gott nicht gefragt. Mit Betrug und Raffgier, mit Gewalt und Skrupellosigkeit verliert man letztendlich all das, was man im Leben  gewinnen will.
Ein kleiner erster Schritt in die richtige Richtung wäre vielleicht der, daß wir als Menschen ganz einfach dankbar sind, dankbar sind für unser Leben, dankbar vielleicht für die vielen Jahre, die wir bisher leben konnten.

Das hört sich jetzt wenig an, aber wenn dieses Gefühl, daß wir unser Leben nicht uns selbst verdanken, zu einem  Umdenken führt, dann haben wir schon viel gewonnen. Dann sind wir offen, auf das zu hören was uns die jeweiligen Boten, des Weinbergbesitzers sagen wollen.

Eines wird aus dieser Geschichte auch deutlich. Der Besitzer des Weinberges ist sehr geduldig. Er versucht es immer wieder und wieder, hat eine Engelsgeduld und erst ganz zum Schluß, als auch sein Sohn nichts ausrichten kann, kommt die Frage: Was wird jetzt sein? Wird jetzt Rache genommen?

Die Geschichte bleibt halb offen, wahrscheinlich wird er kommen und den Weinberg wegnehmen und ihn anderen geben. Aber an dieser Stelle erzählt Jesus ein merkwürdiges Psalmwort: "Der Stein, den die Bauleute als wertlos weggeworfen haben, ist zum Eckstein geworden."

Es ist nun schwierig auch noch diese Geschichte in die erste hineinzudeuten, deshalb abschließend und mit anderen Worten so gesagt.

Der Sohn ist der Gesandte, der Beauftragte in höchster Vollmacht. Er ist derjenige, mit dem sich der Hausvater gleichsetzt. Und der Tod diese Gesandten ist die Urschuld des Menschen, das Streben Gott nicht ernst nehmen zu wollen, Gott einfach zu töten, ihn ans Kreuz zu nageln, oder einfach nur in Gedanken zu verneinen. Und so hört man dann: "Uns kann kein Gott helfen. Gott ist doch schon lange Tod. Wir Menschen sind die Herren der Welt. Ich bin der Herr meines Lebens und lasse mir da nicht reinreden."

Wir machen an dieser Stelle gerne die Rechnung ohne den Wirt. Wir stellen da natürlich nicht so große philosophische Erörterungen an, aber die kleinen Witze verraten uns doch. Wie hieß es in dem Witz: Gewiss, Herr Pfarrer, sagte der Mann, sie hätten den Garten aber mal sehen sollen, als der liebe Gott noch alles alleine machte.

Die Geschichte, die Jesus erzählte, bekommt ihren richtigen Schluß aber erst durch sein eigenes Leben, durch seinen eigenen Tod und vor allen Dingen durch seine Auferstehung, was sich jeder auch darunter vorstellen mag, das sei mal dahingestellt.

Wir Menschen bekommen also immer wieder eine Chance. Selbst wenn wir Gott, und sei es nur in unseren Gedanken, umbringen. Das Ende ist trotzdem offen. Denn das, was wir Menschen verneinen oder verwerfen wird zum Neuanfang, zum Eckstein.

Ein kleiner erster Schritt in die richtige Richtung ist wiegesagt der, daß wir als Menschen ganz einfach dankbar sind, dankbar sind für unser Leben, dankbar vielleicht für die vielen Jahre, die wir bisher leben konnten. Und diese Dankbarkeit ist für manchen schon viel - schon fast ein kleines Opfer.

AMEN


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    Jahreslosung 2003   1.Samuel 16,7 (Mensch mit Herz) 01.12.02 Pfr. Zillmann
 

Liebe Lesergemeinde, wer Geburtstag hat, bekommt etwas geschenkt. Als Jesus Christus geboren wurde, gab es auch Geschenke. In unserer Bibel steht die Weihnachtsgeschichte von den drei Weisen, oder den drei Königen aus dem Morgenland, die dem Geburtstagskind Geschenke bringen. Neben dieser biblischen Geschichte gibt es noch viele weitere Legenden zur Geburt Jesu. Eine dieser weiteren Geschichten, ist die Erzählung vom vierten König. Sie kann sowohl als Weihnachtgeschichte als auch als Beispiel für die Jahreslosung gelesen werden.
"Im Slawenland erzählt man, dass nicht drei sondern   v i e r   Könige auf dem Weg waren, um den neugeborenen König zu ehren. Der vierte König kam  aus dem kalten Norden.  Auf seinem weiten Weg  sah er viel Elend. Er konnte nicht vorbeigehen ohne zu helfen. Er hatte als Geschenk für den König der Welt drei funkelnde Edelsteine im Gürtel.

Als er eines Tages ein ausgesetztes Kind fand, kaufte er mit einem der Edelsteine einen Platz im Waisenhaus für das Kind. Einer Mutter mit vielen Kindern verhalf er mit der Weggabe des zweiten Steines dazu, daß sie nicht aus dem Haus  hinausgeworfen wurde. Und einem Manne, der den König beleidigt hatte und deswegen in die Verbannung geschickt werden sollte, erwarb er mit dem dritten Stein die Freiheit. Dann gab er, um Not und Leid zu mildern, sein Ross, seinen Mantel und seinen Schmuck. Und als er nichts mehr zu geben hatte als seine eigene Kraft, tat er Arbeit für andere, pflegte Kranke und duldete Strafen für andere.

So kam er um viele Jahre später im heiligen Land an. Alt und Müde, ohne Geschenke, doch voller innerer Freude trat er durch die Tore Jerusalems. Da war ein großes Gewimmel. Er wurde einfach mitgerissen und stand plötzlich vor einem Mann, der am Kreuze starb. Über ihm stand geschrieben: Jesus von Nazaret - König der Juden.  Und der Sterbende schaute gerade auf ihn mit gütigem Auge.

Da kniete der vierte König nieder und sagte: "Herr, endlich bin ich da, wohl mit leeren Händen, aber mit reichem Herzen." -  "Ich weiß," sprach der Herr am Kreuz,  "doch alles, was du den Geringsten unter den Menschen getan hast, das hast du mir getan." Und er hieß den vierten König die Hände falten und ließ sterbend drei Blutstropfen in sie fallen. Dann neigte der Herr das Haupt und starb. Als aber der vierte König seine Hände aufmachte, um nach den Blutstropfen zu sehen, da waren es drei köstliche rote Edelsteine geworden."


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Ev.Kirche Am Seggeluchbecken in Berlin-Reinickendorf
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