Hauptseite.Archiv                      PageAutor: Pfarrer Zillmann    (31.12.2008)

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 Predigten und Andachten  2008

Inhalt

Predigt - Kinder des Lichts (1 Thess 5,1ff) 09.11.08 Superintendentin Hornschuh Böhm
Predigt -Über die Gier der Armen und Reichen  (Lk 12,16-21) 05.10.08  Pfr. Zillmann
Predigt - Tradition und Veränderung (Röm 13,14) 22.06.08 Pfr. Zillmann
Predigt - Gott hat sich versteckt  (Jes 54,7-10) 09.03.08 Pfr. Zillmann

weitere Predigten im Archiv
(Hinweis: Die Predigten sind teilweise geschrieben wie vorgetragen)

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  Predigt Kinder des Lichts  (1 Thess 5,1 ff) 09.11.08  Superintendentin Hornschuh-Böhm

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus, Amen.

„Ihr wisst, dass der Tag des Herrn so kommt wie ein Dieb in der Nacht...Ihr aber seid Kinder des Lichtes und des Tages. Wir gehören nicht zur Nacht und nicht zur Finsternis. Also lasst uns nicht schlafen, sondern wachen und nüchtern sein.“

Liebe Gemeinde,
diese Worte setzen ein unerhörtes Vertrauen in uns. Kinder des Lichts werden die genannt, zu denen der Text spricht. Mitten in einer dunklen, oft sehr dunklen Welt gibt es Kinder des Lichtes. Und damit sind wir angeredet. Was Paulus hier an die Gemeinde in Thessalonich schreibt, das gilt von allen Christen oder von keinem. Von allen Gemeinden oder von keiner. Er duldet keinen Zweifel: Wir sind Kinder des Tageslichtes.

Paulus tut so, als ob dagegen gar keine Einwände möglich wären. Und dabei liegen die Einwände doch auf der Hand. Heute, an diesem Tag, wo dieser beiden so verschiedenen Ereignisse gedacht wird: 70 Jahre Reichspogromnacht, 19 Jahre Fall der Berliner Mauer.

Natürlich gab es damals auch Lichtgestalten,  in jener dunklen Zeit vor 70 Jahren. Zum Beispiel eine wie der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, der unerschrocken in Worten und Werken den bedrängten und verfolgten Juden beistand.  Tieferschüttert von den Ausschreitungen des 9. November 1938 sagte er in einer Predigt am Tage danach: „Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, haben wir erlebt. Draußen brennt der Tempel, brennt die Synagoge. Das ist auch ein Gotteshaus.“ 

Und natürlich gab es viele Jahre später auch die Lichterketten in den Oktober- und Novemberwochen 1989, diese Kerzen, die mehr als alle Parolen die Herzen der Menschen auf den Straßen und Plätzen in Leipzig, Dresden, Wittenberg, Berlin und anderswo erreichten. Ja, es gab auch von Seiten der Christen und der Kirchen immer wieder Licht in dunkler Zeit, aber noch häufiger das mutlose Schweigen, das ängstliche Sich –Ducken, die mangelnde Verbundenheit der Kirche mit der Synagoge.

Der Apostel Paulus weiß das. Und trotzdem sagt er: Ihr seid Kinder des Lichtes. Macht er der Gemeinde und seinen Lesern damit nur billige Komplimente? Oder was ist das für ein seltsames Licht, dem wir zugehören, obwohl wir doch oft genug im Dunkeln tappen? Was ist das für ein merkwürdiger Tag, dem wir zugehören, obwohl die finstere Nacht immer wieder über uns herein bricht? Nicht nur in großen historischen Zeiten mit großen geschichtlichen Ereignissen, sondern auch in ganz alltäglichen, persönlichen Situationen werden wir am hellerlichten Tag von dunklen Stunden überfallen. Stunden, in denen der Abgrund, der in uns wohnt, über uns Herr wird: Stunden der belastenden Erinnerungen, der Trauer, der Angst, des Zornes, der Scham – trotz des strahlend sonnigen Tages um uns herum.

Was für ein Licht kann dieser Finsternis standhalten? Welcher Tag lässt sich von solch einem Dunkel nicht verdrängen? Eines dürfte klar sein: Das Licht, das wir anzünden, ist es nicht. Ein Tag, den wir beginnen und gestalten, ist es nicht. Unserem Tag folgt regelmäßig wieder die Nacht. Unsere Lichter haben nur eine sehr begrenzte Lebensdauer. Das ist gewiss.

Aber da ist noch ein anderes Licht, das nicht verlöscht. Es gibt noch einen anderen Tag, der nicht vergeht. Das ist der Tag des Herrn. Die Helligkeit dieses Tages wird aller Finsternis der Welt entgegen gesetzt. Das ist der Tag, zu dem wir gehören. Wenn wir aber Kinder dieses Tages sind, dessen Licht der Finsternis der Welt entgegen gesetzt ist, dann sind wir selbst dem Dunkel dieser Welt entgegen gesetzt.  Dann sollen wir als Kinder des Lichtes die Dunkelheit dieser Welt durchbrechen.

Wie ist das möglich? Wie können wir Helligkeit in die Welt, und zwar in unsere allernächste Mitwelt hinein tragen? Paulus sagt zunächst einmal, wie es nicht geht. Es gab und gibt ja immer wieder Versuche, zu berechnen, wann der Tag des Herrn kommt.  Der Tag der Ankunft Gottes bei uns. Die Propheten warteten auf diesen Tag. Und zur Zeit des Paulus gab es viele Menschen, die sich so für den Termin dieses Tages interessierten, dass sie darüber die Gegenwart vergaßen.

Schon Jesus  - wir haben es vorhin in der Lesung des Evangeliums gehört - hat solche Spekulationen und solche geistlichen Kunststückchen scharf verurteilt. Denn wenn man die Ankunft Gottes erst einmal auf einen Tag in der Zukunft berechnet und fest gelegt hat, dann braucht man jetzt, in der Gegenwart, nicht mehr mit Gott zu rechnen. Dann tut man bestenfalls noch das Eine oder Andere dafür, um diesen Jüngsten Tag noch etwas zu beschleunigen.  Aber dann setzt man selbst die Zeiten fest, die zu erwarten sind: Tausend Jahre...Wir kennen das. Eine biblische Zeit, für sich in Anspruch genommen von Machthabern, die die Zeit missbrauchten.

Wir rechnen uns die Zukunft selber aus. Gott beunruhigt dann nicht weiter. Er ist eingeplant, er ist verrechnet, er ist in unseren Interessen verplant. Gott aber lässt sich nicht verplanen. Seine Geschichte und sein Weg mit uns sind offen. Was kommen wird und wann er kommen wird, das lässt sich weder ausgrenzen noch berechnen noch planen. Er kommt in seine Welt, die ihre Pläne ohne ihn macht, zu seiner Zeit wie ein Dieb in der Nacht: unangemeldet, plötzlich und heimlich.

Deshalb gilt es, wachsam und nüchtern zu sein. Und mit dieser Wachsamkeit und Nüchternheit Helligkeit zu verbreiten in einer schläfrigen Welt. Paulus setzt voraus, dass wir das können. Er spricht von uns als den Kindern des Lichtes. Wir gehören also bereits jetzt zu der Zeit, die von Gott bestimmt ist, von ihm geplant wird. Wir gehören schon jetzt zu der Zeit, die täglich mit Gott rechnet. Wir haben Zeit, viel Zeit, in erster Linie Zeit für Gott.

Die Lichter des Advent, die – wieder zu früh! - hier und da  in unseren Straßen aufleuchten, mahnen zur Wachsamkeit in einer Welt, die von Gott nichts mehr erwartet, weil sie aufgehört hat, ihn selbst zu erwarten. „Wir leben so überraschungsfest“, hat das ein katholischer Theologe, Johann Baptist Metz, diesen Zustand einmal genannt. Überraschungsfest....Ein tiefsinniges Wort.

Überraschungen machen unsere Pläne zunichte. Sie werfen den wohl kalkulierten Terminkalender über den Haufen. Sie zwingen uns, Ereignisse zur Kenntnis zu nehmen, die wir nicht mehr im Griff haben. Meistens Ereignisse, die uns erschrecken: der Brief mit der viel zu hohen Rechnung, die Diagnose des Arztes mit schrecklicher Aussicht...Überraschungen  zeigen uns, dass wir nicht die Herrscher über unsere Zeit sind.

Als in jener Nacht vor 19 Jahren die Berliner Mauer fiel, war auf dieses Ereignis niemand vorbereitet, trotz aller Sonntagsreden zur ersehnten und erwünschten Wiedervereinigung. Wirklich ernsthaft mit ihr gerechnet und  sie erwartet hat jedenfalls von westlicher Seite niemand mehr. Das hat sich in den Monaten danach gerächt.

Überraschungsfest leben, das ist ein anderes Wort für gottlos leben. Wo von der Zukunft, von der Zeit, die Gott macht, nichts mehr erwartet wird, wo er vielleicht nur als Störenfried und wie ein Dieb in der Nacht wahr genommen wird, da wird es dunkel in der Welt. Da regiert der eigene Plan. Da wird nur noch für die eigene Zukunft gesorgt. Da wirft der menschlich- allzumenschliche Egoismus seine Schatten auf die Welt.  Schatten, die den Blick auf den Nächsten verdunkeln.

Wie oft hat die Kirche aus Sorge und Angst um sich selbst und um ihre eigene Zukunft sich mit politischen Machthabern arrangiert, um sich Frieden und Sicherheit garantieren zu lassen. Vor 70 Jahren, vor 20 Jahren. Aber eine Kirche, die auf solche Absicherungen baut, hat aufgehört, eine Kirche in der Zeit Gottes zu sein.  Eine solche Kirche ist  zu einer überraschungsfesten Kirche geworden.

Der Glaube aber hofft auf den Tag der Ankunft Gottes, auf die Überraschungen, die er noch für uns bereit hält. Der Glaube ist offen nach vorn. Und es werden keine schrecklichen, sondern wunderbare Überraschungen sein. Der Tag des Herrn ist ein Tag des Heils, nicht des Schreckens.  Darauf gehen wir zu.
 
Wir sind Kinder des Lichtes. Botschafter der Ankunft Gottes. Die wahren Lichterketten und Adventskerzen in dieser Welt. Von Gott entzündet. Ihr seid das Licht der Welt, sagt Jesus. Darum:  Lasst euer Licht leuchten! Amen.

Beate Hornschuh – Böhm
Superintendentin des Kirchenkreises Reinickendorf



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  Predigt Über die Gier der Armen und Reichen  (Lk 12,16-21) 05.10.08  Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde, heute ist Erntedanktag und dieser Erntedanktag hat meistens drei wichtige Themen.

Zum einen werden wir daran erinnert, dass es uns eigentlich doch allen recht gut geht und dass wir deshalb auch mal dafür richtig Gott sei Dank sagen können.

Zum anderen sollten wir vorsichtig sein, weil nämlich - wenn es einem gut geht - dies auch alles mal ein Ende haben wird und dass Reichtum auch sehr gefährlich ist, dass Geld allein nicht glücklich macht.

Und daraus nun, aus diesen beiden Einsichten entsteht die dritte Erkenntnis: Es ist wichtig, dass wir von unserem Reichtum, von unserem relativen Reichtum will ich mal sagen, auch anderen Menschen etwas abgeben können.

Eine typische Bibelstelle ist immer die Geschichte vom reichen Kornbauern. Jesus erzählte sie seinen Freunden.

Lk 12,16-21

»Ein reicher Bauer hatte eine besonders gute Ernte gehabt. 'Was soll ich jetzt tun?' überlegte er. 'Ich weiß gar nicht, wo ich das alles unterbringen soll!  Ich hab's', sagte er, 'ich reiße meine Scheunen ab und baue größere! Dann kann ich das ganze Getreide und alle meine Vorräte dort unterbringen und kann zu mir selbst sagen: Gut gemacht! Jetzt bist du auf viele Jahre versorgt. Gönne dir Ruhe, iss und trink nach Herzenslust und genieße das Leben!'

Aber Gott sagte zu ihm: 'Du Narr, noch in dieser Nacht werde ich dein Leben von dir zurückfordern! Wem gehört dann dein Besitz?'«  Und Jesus schloss: »So steht es mit allen, die für sich selber Besitz anhäufen, aber bei Gott nichts besitzen.«  Lk 12,15  Darum: »Gebt acht! Hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn der Mensch lebt nicht aus seinem Besitz, auch wenn der noch so groß ist.«

Liebe Gemeinde, diese Geschichte ist allgemein bekannt und das schöne ist, sie gilt für alle Zeiten. In die Situation eines Bauern können wir uns heute nicht mehr so recht rein versetzen, weil wir ja eben in einer Stadt leben, aber für den Begriff Scheune könnten wir auch sagen: Das ist mein Taschengeld auf dem Sparbuch, das ist mein Aktiendepot bei der Bank, meine Lebensversicherung oder das sind meine Rentenpunkte bei der Rentenversicherung. Jeder versucht etwas zurückzulegen, um ein ruhiges Leben führen zu können. Aber – und so sagt es ein Sprichwort ganz kurz – das letzte Hemd hat eben keine Taschen.

Hinzu kommt auch noch eine andere Erfahrung. Wenn man sich Schätze sammelt, dann werden sie von Dieben gestohlen und von Motten und Heuschrecken zerfressen. Nicht nur der Mensch an sich, sondern auch die Schätze dieser Welt, die er sammelt, sind nicht von Ewigkeit. Ewigkeit gibt es nur im Himmel. (Lk 12,33)

Wer in den letzten Tagen und Wochen die Finanzkrise in Amerika verfolgt hat, der findet hier ein exelentes Beispiel, für die Gefahren des Reichtums. Nun kommt gleich das Argument: "Was geht mich das  an? Ich bin ja nicht reich und Amerika liegt weit weg."  ...  Ja, das ist ja schön und gut, aber insgeheim oder auch manchmal ganz offen, da fänden wir es schon sehr nett, wenn wir ein klein bisschen mehr Geld hätten. Geld stinkt doch nicht und man muss ja nicht gleich übermütig werden.

Und dieser kleine Wunsch, der Seufzer, das leuchten in den Augen, "Ach wenn ich mal Millionär wäre, ja dann, dann würde ich so und so, dann wäre dies und jenes, ach wäre das schön – ein Traum!"

In den USA spielen sich dramatische Ereignisse ab. So richtig haben das die wenigsten bemerkt. Da zerplatzen die realen Träume, Existenzen werden vernichtet, Lebens-Entwürfe gehen den Bach runter. Riesige Geldmengen lösen sich in Luft auf. Unsere Welt, jedenfalls die Geld-Welt, die wird nicht mehr sein, wie früher und das wird auch ganz konkrete Auswirkungen für uns haben – für den kleinen Mann eben hier, für die kleine Frau eben dort. Ich will das gar nicht weiter ausmalen.

Die Schuldigen werden gesucht. Es sind natürlich immer die anderen, die gierigen Reichen, die Fabrikbesitzer, die Bankmanager mit ihren riesigen Gehältern, die Spekulanten und die Politbürokraten. Sie stecken alle unter einer Decke -   die da oben -   und der arme Steuerzahler muss wieder mal bluten.

Das ist natürlich eine sehr kindliche Weltsicht, aber sie ist einfach und einleuchtend, damit lassen sich Wählerstimmen gewinnen. So entsteht Sozialismus, so sind die Nazis nach der letzten Weltwirtschaftskrise an die Macht gekommen, so hat Stalin dann seine Arbeitslager gebaut.

Junge Menschen wissen kaum etwas davon und deshalb ist der Sozialismus – egal ob nach rechts oder nach links - auch so interessant für junge Menschen. Die da oben, die Reichen, sind die Bösen und wir hier, die jeden Euro dreimal umdrehen, wir sind die Guten. Ganz einfach.

Aber zurück zum Bibeltext. Der ist nicht so einfach.   Jesus sagt:  "Gebt acht! Hütet euch vor jeder Art von Habgier!"    Und diese Jacke – liebe Gemeinde - müssen wir uns jetzt anziehen. Die ist für uns bestimmt. Die Jacke für den kleinen Mann. Denn wir sind im innersten unserer Seele nicht anders, als die da oben, wir sind nicht die besseren Menschen.

Es ist immer der kleine Wunsch, das bisschen-mehr-haben wollen, als die anderen, diese sogenannten Privilegien.

"Ach wie schön wäre es, wenn ich mehr Taschengeld hätte, als mein Mitschüler. Ach wie schön wäre es, wenn ich doch endlich ein neues Handy hätte, eine größere Wohnung, ein besseres Auto, warum wird denn das Arbeitslosengeld nicht erhöht, warum ist die Rente nur so niedrig? Warum ist alles nur so teuer?"

Und dann dieser kleine Wunsch, der Seufzer, das leuchten in den Augen, "Ach wenn ich mal Millionär wäre, ja dann, dann würde ich so und so, dann wäre dies und jenes, ach wäre das schön – ein Traum!"

Wir versuchen diesen Traum auch zu verwirklichen, jeder mit seinen Mitteln. Und dann passiert es, dass am Monatsende die Handyrechnung nicht bezahlt werden kann, na ja meine Mutter wird es schon richten. Und dann passiert es, dass am Monatsende, dass Konto der armen Mutter bereits in den roten Zahlen ist, na ja die Bank hält ja noch ein paar Tage still. Ich hab ja einen Überziehungskredit.

Und dann werden die Raten für den neuen Fernseher nicht mehr bezahlt. - "Geht ja nicht  - wird ja alles teurer, - das Leben, - kann ich ja nichts dafür." Und das Auto ist bereits zu Schrott gefahren. Und mit dem Hauskredit hat man sich auch vollkommen verkalkuliert. Schulden über Schulden.

Und auch wenn man nicht verschuldet ist, dann ist man nicht besser dran, im Gegenteil. Wohin mit dem ganzen Geld? Ich will noch mal an den reichen Kornbauern aus unserer Geschichte erinnern. Das war ja sein Problem, dass er so viel hatte. Wenn man Geld hat, dann wird es ganz kompliziert.

"Was, Nur 3% auf dem Sparbuch Zinsen ??? das ist ja fast schon Diebstahl. Nur 5% auf Bundesanleihen – mit mir machen die das nicht. Ich will 7% für Derivate. Ach liebe Bank, habt ihr nicht Zertifikate?  -  14% gibt es da, von Lehman Brother. Das wäre was für mich, um meine kleine Rente aufzubessern."

Liebe Gemeinde, und wer von diesen Bankgeschäften und Spekulationen keine Ahnung hat, der geht ins Zentrum in die Lotto Annahme, spekuliert mit ein paar Euro dann auf die besagte "wenn ich mal wär  ein Millionär". Und er meint dann, na ja ich bin ja nicht Schuld, an der ganzen Finanzmisere. Ich will ja nur ein bisschen Glück.

Jesus sagt: "Gebt acht! Hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn der Mensch lebt nicht aus seinem Besitz, auch wenn der noch so groß ist."

Liebe Gemeinde, als Kind habe ich immer wahnsinnig gern Comics gelesen und natürlich besonders die Geschichten von Onkel Dagobert. Dagobert Duck, seine Neffen und seine ganze Verwandtschaft verkörpern alle Klischees und moralische Spielregeln des Kapitalisten.

Und meine Erkenntnis heutzutage: Wir sind alle irgendwie kleine Dagoberts oder wollen manchmal so sein wie er, jeder in seinem Lebensbereich, und jeder mit seinen Möglichkeiten.

Dagobert Duck ist fleißig, zielstrebig und sparsam. Er hat seinen Reichtum mit ehrlichen Mitteln angehäuft. Vom bettelarmen Schuhputzer, als Kind, da hat er seinen ersten Kreuzer verdient, bis hin zum Glück, als er in Alaska Gold gefunden hatte und mit diesem Gold hat er dann in Dawson-City eine Bank gegründet und ist der reichste Mann der Welt geworden.

Er lebt in Entenhausen und seine drei Lieblingsbeschäftigungen sind nach wie vor: Geld verdienen, Geld zählen und - in  Geld  baden!  "Wenn's ums Geschäft geht, muss die Moral auch schon mal auf der Strecke bleiben!" hat er gesagt und seine  Sparsamkeit nimmt dann Züge extremsten Geizes an.

Onkel Dagobert kommt nett daher, schauen sie sich die zwei Bilder an, er kommt nett daher, man kann ihn lieb haben, aber er kann auch ganz böse werden, wie gesagt: "Wenn's ums Geld geht,  hört die Freundschaft auf."

Gier   Gier

Der Geiz und die Gier sind die Ursachen der Finanzkrisen. Natürlich kann man die Spielregeln ändern. Man kann Zertifikate verbieten, man kann die Börse abschaffen, man kann das Lottospielen verbieten, man kann den Zinseszins verbieten. Ja, manche wollen sogar das Geld abschaffen.

Mit diesen gesellschaftspolitischen Maßnahmen, mit diesen revolutionären Gedanken werden aber nicht Geiz und Gier aus der Welt geschafft, sondern im Gegenteil. Sie werden ungezügelt losgelassen. Neid und Missgunst folgen und das Ende war immer eine Katastrophe.

Nun was machen wir daraus. Noch mal ganz zum Anfang zurück. Der Erntedanktag, und das sagt ja schon der Name hat etwas mit Dank zu tun. Wenn wir es schaffen, mal in uns zu gehen, wenn wir es schaffen, mal jeder so für sich, zu sagen: "Eigentlich, eigentlich geht es mir doch ganz gut, Gott sei dank, ich muss nicht hungern - ich muss nicht frieren." Wenn wir Gott sei Dank sagen können, dann ist schon viel gewonnen. Und oftmals geht es einem dann auch wirklich besser.

Zu den üblichen Bibelgeschichten am Erntedanktag möchte ich zum Abschluss noch eine aus den Weisheitsbüchern des Alten Testaments vortragen.  Reichtum kann gefährlich sein, dass wissen wir. Die Schlussfolgerung kann aber nun nicht sein, das Armut etwas gutes ist. Armut ist genau so gefährlich.

Und so liegt die Weisheit mal wieder in der goldenen Mitte und das Gebet geht folgendermaßen:

Zweierlei bitte ich von dir, Gott, das wollest du mir nicht in meinem Leben verweigern: 
- Falschheit und Lüge lass ferne von mir sein;
- lass mich nicht Arm und lass mich nicht Reich sein; 
lass mich aber mein Teil Speise dahinnehmen, das du mir beschieden hast. Ich könnte sonst, wenn ich zu satt würde, dich verleugnen und sagen: Wer ist denn Gott? Oder wenn ich zu arm würde, dann könnte ich stehlen und dich verfluchen. (Spr. 30,7)

Darum lieber Gott: lass mich nicht Arm und lass mich nicht Reich sein.

Und dass von Ewigkeit zu Ewigkeit AMEN



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  Predigt Tradition und Veränderung  (Röm 13,14) 22.06.08  Pfr. Zillmann

 "Zieht den Herrn Jesus Christus an." (Röm 13,14)

Liebe Gemeinde, manche Leute wechseln ihre Meinung, wie andere ihre schmutzige Wäsche und manche Menschen ändern ihre Gesinnung, wie andere ihre Kleidung der jeweiligen Mode anpassen.

So ausgedrückt klingt das schlecht.

Besser hört es sich so an:   Nur wer sich ändert, kommt im Leben weiter und kann den Zeitgeist verstehen. Wir wollen flexibel sein und uns dynamisch anpassen können, an andere Lebensumstände, Arbeitsstellen und Währungen, an andere Menschen, Meinungen und Glaubensinhalten.

In der Kirche gehen die Uhren oft anders. Hier hat das Wort Tradition einen hohen Stellenwert. Es soll bewahrt werden, was gut ist. Das Neue wird darum nachhaltig und lange geprüft, so daß zum Schluß nur noch Eingeweihte im "Neuen" etwas Neues entdecken können. So werden wir vor Fehlentscheidungen geschützt. So wird verhindert, daß der Schaden größer als der Nutzen ist. Aber schnell entsteht auch der Vorwurf, daß ewig alte Kleider mit ewig neuen Flicken nur verschlimmbessert werden. Welche Jacke ziehen wir uns an? Sind wir Modernisten oder Traditionalisten?

Der Apostel Paulus stellte ähnliche Fragen. Neue und alte Kleidungen wurden verglichen. Er hatte sich meistens für das Neue entschieden, aber nun nicht, weil das Neue modern war, sondern weil das Neue anders war. Paulus wollte keiner Moderichtung folgen, sondern gab den Kleidungsstücken bezeichnende Namen. Sie dienten nicht als Schmuck, sondern sie waren für ihn in erster Linie Arbeitskleidung für eine neue Tätigkeit, Arbeitskleidung für einen neuen Menschen.

"Ihr seid von Gott erwählt, der euch liebt. Darum zieht nun wie eine neue Bekleidung alles an, was den neuen Menschen ausmacht: herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Bescheidenheit, Milde, Geduld. " (Kol 3,12) und wörtlich sagt er dann sogar: "Zieht den Herrn Jesus Christus an." (Röm 13,14) Er soll das Leben bestimmen.

Liebe Gemeinde, auch in den Umbrüchen unserer Kirche sollten wir diese Kleidungsstücke nicht nach dem Wind hängen, oder sie gar dem Zeitgeist entsprechend zuschneiden und ständig wechseln. (Mi 2,11) Freundlichkeit hat einen besonderen und bleibenden Wert, gerade wenn viele Menschen unfreundlich sind. Bescheidenheit ist wichtig, wenn andere durch Raffgier und Habsucht sich selbst und andere verzehren. Geduld war schon immer eine Tugend, nicht nur heute, wenn den Menschen die Zeit wegzurennen scheint. Und wer in einer Ellenbogengesellschaft nicht mehr weiß, was Milde und herzliches Erbarmen ist, sollte nicht als modern bezeichnet, sondern einfach als rücksichtsloser Mensch beschrieben werden.

Gegensätze nur schwarz weiß sehen, neu gegen alt ausspielen,  Tradition mit Veränderungen bekämpfen - das bringt nicht viel. Es gibt menschliche Werte, die wie Kleidungstücke wirken, und die man zu allen Zeiten tragen kann, sowohl in den Zeiten der Beständigkeit als, auch in den Zeiten der Veränderungen. Herzlichkeit, Freundlichkeit, Bescheidenheit, Milde und Geduld gehören dazu.

Daß auf diese Werte hingewiesen wird, daß der Apostel Paulus auf diese Werte bezug nimmt, erscheint mir wichtig zu sein. Wo ist das Feste, wo sind die sicheren Fixpunkte, an denen wir uns ausrichten können? Allzuoft verlieren wir sie aus dem Blickwinkel und werden dann unsicher; wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen und wie wir mit bestimmten Ereignissen, also gerade mit Dingen, die Veränderung bewirken, wie wir mit diesen Ereignissen umgehen sollen.

Daß das besonders in unserer Kirche problemmatisch ist, möchte ich ihnen an einem erlebten Beispiel schildern.

Als Vikar mußte ich mit anderen Predigtschülern in einem kleinen Dorf  Missionarbeit betreiben. Die Gemeinde hatte seit vielen Jahren keinen Pfarrer mehr und so war es üblich, daß der Gemeindekirchenrat einmal im Jahr für eine Woche Predigtschüler einludt, die mit den Ältesten dann Hausbesuche bei Gemeindemitgliedern durchführten. Am Sonntag wurde dann - als Abschluß - gemeinsam ein Gottesdienst gefeiert.

Niemand nahm Anstoß, daß Gastprediger, Liturgen und Sänger saloppe Kleidung und Jeans anhatten. Welcher Vikar wollte damals schon das Geld für einen Anzug oder gar einen Talar ausgeben, der vielleicht nie angezogen worden wäre.

Es war also eine bunte Mischung von verschiedenartigsten Christen, die da Gottesdienst feierten und in ihrer Buntheit doch ein gemeinsames Kleid angezogen hatten, Paulus würde sagen: "Die Jesus Christus angezogen hatten".

Einen Tag vorher hatte ich aber auch eine andere Erfahrung gemacht. Ein alte Frau, die ich besuchte, war nun nicht von meinen Jeans gestört, die hatte sie garnicht bemerkt, denn der Unterschied zwischen blauen Hosen und amerikanischen Levis war ihr fremd, aber was ihr auffielt und dann ihren Unmut hervorrief, war mein Bart.
Sie tuschelte erst leise mit der Frau aus dem Gemeindekirchenrat und traute sich dann aber doch, nach einigen Ermutigungen, ihre Meinung laut zu sagen.

"So einen Bart darf ein Pastor nicht haben. Das schickt sich nicht, das darf man nicht!" sagte sie freundlich - aber dennoch energisch. Mein verdutztes Gesicht forderte eine weitere Erklärung und die gab sie dann auch gleich "Ein Bart muß so hoch sein!" Sie machte eine wohl passende Handbewegung und holte zur Unterstützung ihr Familienalbum mit den Fotos heraus.

Nun zeigte sie mir ein Bild von ihrem im ersten Weltkrieg gefallenen Mann. Und der hatte den richtigen Bart. Jetzt war mir klar, was sie meinte. Ganz hoch gezwirbelt war er, wie bei Kaiser Wilhelm, und wie beim Pastor, der sie 1914 getraut hatte. So hat man auszusehen und nicht anders.

Wir hatten aber noch ein lustiges Gespräch. Mit ihren 98 Jahren konnte sie viel erzählen, von Kirche und Menschen, und wie es einmal war. Und ich hörte gut zu. Natürlich machte ich ihr nicht klar, daß viele Dinge in der Kirche lange Bärte haben, oder andere Bärte, und daß manche Bärte und Zöpfe über die Jahrhunderte auch verloren gehen können.

Mir wurde aber bei diesem Gespräch, und auch bei anderen Besuchen in diesem Dorf, das erste mal richtig bewußt, wie breit und vielfältig die Vorstellungen von Kirche sein können. Und wie über Generationen hinweg, einfach Kirche vollkommen anders geworden ist, wie sich plötzlich ein Bogen spannt vom deutschen Kaiser-Wilhelm-Bart bis zur amerikanischen Jeans.

Und wie wir als Gemeindemitglieder in diesen Spannungen leben. Die Sätze fange dann immer so an: "Damals war das aber anders, ... Ich kann mich erinnern, als  ICH   konfirmiert wurde, da war das so und so..." usw. Lustige Geschichten folgen, oftmals auch wehmütige.

Die Veränderungen im vorigen Jahrhundert sind an Kleidung und Äußerlichkeiten schon sehr bedeutend gewesen. Die Veränderungen haben aber auch Auswirkungen auf das innere Wesen der Kirche gehabt. Und dieser Prozeß wird abgeschlossen sein, wenn die Kirche nicht mehr Körperschaft öffentlichen Rechtes ist und die Kirchensteuer nicht mehr vom Staat eingezogen wird. Eine letzte deutsche Bastion wird fallen. Auch die Strukturen unserer Kirche werden dann irgentwie europäisch.

Das dauert nicht mehr lange. Viele Probleme, die wir heute noch intensiv besprechen, lösen sich dann von ganz alleine. Deshalb kommt ja auch die Forderungen, daß wir in Szenarien denken sollen, daß wir uns Gemeinde vorstellen eben ohne große Kirchengebäude, und Gemeinde ohne tarifliche Mitarbeiter, und Gemeinde ohne Pfarrer.

Wer alle diese drei Dinge mit Klauen und Zähnen verteidigt, weil er meint, daß sie christlich sind, irgendeine Identität begründen, das so eine Kirche mit Profil aussieht, der irrt und der hat viel zu tun, wenn er der Realität hinterher rennt. Er könnte genausogut behaupten: Jesus Christus hatte einen Kaiser-Wilhelm-Bart getragen, ganz hoch gezwirbelt, bis in den Himmel und bis in alle Ewigkeit.

Liebe Gemeinde,  aber zurück zum Apostel Paulus. Wenn sich etwas verändert, dann soll man nicht Trübsal blasen, sondern frohe Lieder singen. Paulus gibt eine Anweisungen für alle:

"12 Ihr seid von Gott erwählt, der euch liebt und zu seinem heiligen Volk gemacht hat. Darum zieht nun wie eine neue Bekleidung alles an, was den neuen Menschen ausmacht: herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Bescheidenheit, Milde, Geduld.
13 Ertragt einander! Seid nicht nachtragend, wenn euch jemand Unrecht getan hat, sondern vergebt einander, so wie der Herr euch vergeben hat.
14 Und über das alles darüber zieht die Liebe an, die alles andere in sich umfaßt. Sie ist das Band, das euch zu vollkommener Einheit zusammenschließt.
15 Der Frieden, den Christus schenkt, soll euer ganzes Denken und Tun bestimmen. In diesen Frieden hat Gott euch alle miteinander gerufen, denn ihr seid ja durch Christus ein Leib. Dankt Gott dafür!
16 Gebt dem Wort Raum, in dem Christus bei euch gegenwärtig ist. Laßt es seinen ganzen Reichtum unter euch entfalten. Unterweist und ermahnt einander mit aller Weisheit. Singt Gott aus vollem Herzen Psalmen, Hymnen, Loblieder, wie seine Gnade sie schenkt und sein Geist sie euch eingibt.
17 Alles, was ihr tut und was ihr sagt, soll zu erkennen geben, daß ihr Jesus, dem Herrn, gehört. Euer ganzes Leben soll ein einziger Dank sein, den ihr Gott, dem Vater, durch Jesus Christus darbringt."

Liebe Gemeinde,  um das abschließende zu sagen: Das Beständige, das Feste, in all dem auf und ab der Zeiten, sind die Menschen, die Menschen, die Jesus Christus angezogen haben. Nicht Gebäude, nicht Verträge, nicht Strukturen bestimmen unser christliches Leben, sondern der Glaube an Gott. Allein darauf gründet sich Kirche und Gemeinschaft, allein darauf baut sich alles andere auf. Und darin gibt es dann keine Unterscheidung mehr zwischen Moderne und Tradition, zwischen alt und neu.

"Zieht den Herrn Jesus Christus an." sagt Paulus (Röm 13,14) Er soll das Leben bestimmen.   AMEN


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  Predigt Gott hat sich versteckt (Jes 54,7-10) 09.03.08  Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde,  der Prophet Jesaja beschreibt am Ende seines Buches im 54 Kapitel ein Wort Gottes an sein Volk. Dort heißt es:

„Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen - du mein Volk - doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim. Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht im aufwallendem Zorn; aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir, spricht dein Erlöser, der Herr.
... Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer."

Liebe Gemeinde,  wenn uns schlimme Dinge widerfahren und es ans Trösten geht, dann fällt mir manchmal ein Kindersprichwort, ein Kinderlied ein.

„Heile, heile Gänschen, is’ ja wieder gut.
Das Mäuschen hat’nen Schwänzchen, heile, heile gut.
Heile, heile Mausespeck, in hundert Jahr’n is’alles weg.“

Dieses Lied kennen die meisten von uns sicherlich noch. So mancher ließ sich trösten, wenn das Knie aufgeschlagen war oder eine Schramme blutete. Das waren Momente, wo alles fürchterlich schlimm war. Nie werden die Schmerzen weggehen, dachte man als kleines Kind.

Und dann wurde gesagt: in hundert Jahr’n is’alles weg. Das waren riesige Zeiträume, unvorstellbar, was sind hundert Jahre? Aber man ließ sich trösten. Es geht wieder weg und der Schmerz ließ sich aushalten.

Später merkte man dann, daß dies der Lauf der Dinge ist. Alles hat seine Zeit, alles ist vergänglich - auch der Schmerz. In 100 Jahren da lebe ich nicht mehr; eine Erkenntnis die nun wieder ganz anders die Zeiterfahrung einbringt. In 100 Jahren da lebe ich nicht mehr! Der Trost der Kindheit, der reicht nun nicht mehr, ja er wird geradezu erschreckend.

Der Prophet Jesaja versucht sein Volk zu trösten. So gesehen passen sie eigentlich nicht zusammen, das Kinderlied und das Bibelwort. Es geht ja bei Jesaja nicht um die Schramme eines kleinen Kindes, das hingefallen ist,  oder um ein einzelnes Menschenschicksal, sondern es geht um mehr, eben um ein ganzes Volk. Vom Bund des Friedens wird gesprochen, der nicht nur 100 Jahre, sondern ewig bestehen soll. Es werden wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen.

Diese Verse aus dem alten Testament werden oft zitiert und sie sind beliebt. Sie sollen trösten, aber nun uns, die wir Erwachsen sind, und sie sollen eine gute Zukunft in Aussicht stellen, uns, denen die Zukunft oftmals verbaut erscheint.

Nicht hundert sondern Tausende von Jahren sind vergangen, seitdem dieser Spruch niedergeschrieben wurde. Und dennoch geht er in unsere Zeit hinein, wenn da Gott spricht: Ich habe dich einen Augenblick verlassen, ich habe mich von dir abgewandt.

Viele Menschen empfinden das heute ebenso, wenn sie sagen: Es gibt keinen Gott. Gott ist tot. Das ist so eine kollektive Grundstimmung. Uns kann kein Gott helfen, mag das nun aus Überheblichkeit oder aus einer großen Enttäuschung heraus gesagt sein, egal. Uns kann kein Gott helfen. Wenn es ihn gibt, dann hat er sich abgewandt.

Was hat eigentlich den Propheten Jesaja damals veranlaßt solche ähnlichen Worte zu sagen, die uns doch so vertraut erscheinen? Es sind vier Probleme, vier Schwierigkeiten in denen das Volk Israel in jener Zeit steckte. Und wenn ich jetzt versuche diese vier Probleme etwas aufzuhellen, dann denken sie nicht gleich, das hier alte Geschichte erzählt wird, die sowieso niemand mehr interessiert. Es sind keine alten verstaubten Ereignisse, die man vergessen kann, sondern vergleichen sie lieber die Lebenssituationen dieses alten Volkes mit unserem heutigen Geschehen. Nur so behält das Bibelwort auch gegenwärtig seinen Sinn und kann Trost geben.

1.) Als erstes wäre zu nennen: Die einen werden immer reicher und die anderen immer ärmer. Gerechtigkeit gibt es nicht mehr, was gut ist, wird böse genannt. „Ihr behandelt die Hilfesuchenden, die vor euch im Staub liegen, mit Fußtritten und drängt die Schwachen mit euren Ellenbogen rücksichtslos beiseite.“ sagt der Prophet (Am 2,7) Ein wahres Wort. WIR sind damit gemeint, so wie wir hier sitzen, denn heute gilt dieser Spruch für ganze Länder und Kontinente und ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, wir sind nun mal die Reichen dieser Welt und die anderen liegen vor uns im Staub und verhungern.

2.) Das zweite Problem, das der Prophet sieht, sind die militärischen Machtstrukturen und Bündnisse. Das Volk wollte Sicherheit und Frieden, und um diesen zu erreichen, setzte es seine ganze Hoffnung auf eine starke Bewaffnung. Da das Land klein und schwach war, suchte es sich einen großen Militärpartner. Verträge wurden geschlossen und die Verbündeten lieferten die neuesten und besten Waffen.
Das Land wollte durch militärische Abschreckung Sicherheit nach außen, aber im Innern war das Volk ohne geistige Werte, ohne Moral und ohne Sinn; und der Prophet sagt zu dem Volk: „Deine Bosheit ist Schuld, so daß du geschlagen wirst und deine Städte verbrannt werden.“ im Bürgerkrieg (Jer 2,19)

3.) Das dritte Problem berührt das religiöse Leben. Viele hatten sich abgewandt, weil sie alles nur noch als toten Kult empfunden hatten. Das wirkliche Leben wurde übermalt mit frommen Sprüchen und so sagt Jeremia: Sie brabbeln nur noch: Hier ist unsere Kirche, hier ist unsere Kirche, hier ist unsere Kirche und mehr sagen sie nicht (Jer 7,4) Und der Prophet Amos weiß, daß im Gottesdienst von Dingen  geredet wird, die das wirkliche Leben kaum noch betreffen. Und so heißt es bei ihm: Ich bin euren Feiertagen gram und mag eure Versammlungen nicht riechen, hört auf mit dem Geplärr eurer Lieder (Am 5,21).

4.) Und das vierte Problem der Propheten ist der moralische Verfall der Menschen. Jeder lebt so, wie er will. Und Jeremia sagt „Ihr werdet sein wie Diebe, Mörder, Ehebrecher und Meineidige. (7,9)... Ihr kennt das Recht, aber ihr haßt das Gute und liebt das Böse (Am 3,3). Die Menschen hatten einen schwachen Charakter und nur die sind geachtet und kommen voran, die ihren Mantel nach dem Wind hängen und lügen, daß sich die Balken biegen. (Am 2,11) Die Propheten wissen, daß in ihrem Volk jeder nur noch sein eigenes Leben lebt, nur noch sein privates Glück sucht, eben weil vieles in der Welt keinen Sinn mehr hat und Gott weit weg ist.

Liebe Gemeinde,  Vier Probleme aus einer alten Zeit, Arm und Reich, Macht und Gewalt, toter Kult und nackter Egoismus, Vier Probleme aus einer alten Zeit, aber manchmal geht es mir so, als ob sie ein Schriftsteller gerade in der vorigen Woche geschrieben hat. Die Menschen haben sich kaum verändert und wir können mitfühlen, wenn Jesaja klagt: Gott hat uns verlassen. Er möchte nichts mehr mit uns zu tun haben. Er hält sich verborgen.

Schauen wir auf unsere heutige Zeit mit den Gegensätzen von Reich und Arm, wo 4 Millionen Arbeitslose nur statistisch gesehen werden,  mit den militärischen Machtblöcken, die nicht mal in den eigenen Reihen einen Bürgerkrieg verhindern können, schauen wir auf den Zerfall unserer Volkskirche und wundern wir uns weiter, warum andere das Geplärr unserer Lieder nicht mehr hören wollen, und pflegen wir wie bisher unser privates Lebensglück in egoistischer Glückseligkeit.

Die vier Probleme der Propheten sind unsere eigenen und genau deshalb empfinden wir wie Jeremia, so etwas kann nur sein, weil Gott gerade mal weggeschaut hat. Und wir fühlen uns verraten und verkauft, alleingelassen und ganz erbärmlich klein, so wie Jesus, als er am Kreuz hing und im Sterben ausrief: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.

Wir werden schwach, so daß wir gar nichts mehr tun können. Die Kraft ist uns verloren gegangen und wir nehmen enttäuscht alles hin, was auf uns zu kommt, ob es nun ganz private Schwierigkeiten sind, die jeder so tagtäglich hat, oder ob es die großen Weltprobleme sind. Wir sind ohnmächtig.

Liebe Gemeinde, aber genau an diesem Punkt, gegen diese Ohnmacht sind die Propheten aufgetreten. Und wenn wir ihre negative Weltschilderung auf uns wirken lassen, dann dürfen wir den zweiten Schritt, den sie gegangen sind, nicht unter den Tisch fallen lassen. Die Propheten waren ja keine Miesmacher, sondern sie wollten warnen, um Hoffnung geben zu können. Sie wollten warnen, um Hoffnung geben zu können.

Ja OK - spricht Gott - ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit, will ich, daß du dich sammelst, daß du wieder zu dir kommst. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

Diese Worte wollen uns Mut machen, und für mich können sie das auch, sie wollen Mut machen, nicht enttäuscht durch dieses Leben zu gehen, sondern das Gute zu sehen und sie wollen uns Kraft geben, das wir immer wieder das Gerechte tun, auch wenn wir darunter leiden.

Nun wir sind nicht mehr so eine Gemeinschaft, wo jeder auf den anderen angewiesen ist. Jeder von uns hier lebt sein ganz persönliches Leben. So unterschiedlich wie wir sind, so unterschiedlich und verschieden sind auch unsere Glaubenserfahrungen. Das macht es immer schwerer für einen anderen Menschen einen angemessenen Trost zu finden. Gemeinsame Erfahrungen, bei denen Menschen als Gruppe, ja gar als Volk, merken, daß sie bewahrt werden, die gibt es vielleicht alle 40 Jahre einmal.

Erinnern sie sich mal an den Fall der Mauer. Wenn Menschen zu abertausenden auf die Straße laufen, tanzen und singen und sich um den Hals fallen mit Freudentränen in den Augen, dann sind das solche Momente, von denen der Prophet Jesaja erzählt: ... Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, - du mein Volk -  und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

Wir sind damals knapp an einem Bürgerkrieg vorbeigeschlittert. Instinktiv hat man das gefühlt und als sich das Trauma der deutschen Teilung auflöste, war die Freude riesig groß. Wir wurden als VOLK bewahrt.

Aber, wie gesagt, im allgemeinen lebt jeder sein privates Leben und jeder hat seine privaten Glaubenserfahrungen und jeder erlebt darin seine privaten Bewahrungen. Gemeinsame Erfahrungen im Glauben sind Mangelware.

Trotzdem, ob privat oder als Kirche oder gar als Volk. Wir stehen jeden Tag an einer Weggabelung, an einem Wegkreuz und wir können uns entscheiden, ob wir Gottes Verheißung trauen wollen oder ob wir lieber unseren eigenen Weg gehen wollen. Ob wir sagen Jesus Christus geht mit uns, oder ob wir sagen: Gott ist weit weg.

Bei dem Fall der Mauer, und das wird leider oft vergessen, haben sich die Leute zuerst in den Kirchen versammelt, haben gebetet und auf Gottes Verheißung vertraut. Es wird friedlich ablaufen, Gottes Gnade wird nicht von uns weichen, haben sie gesagt und erst dann sind sie auf die Straße gegangen. Und viele haben sich gewundert, wo die Menschen, die ja alle nicht fromm waren, wo die Menschen plötzlich diese Kraft und Zuversicht hernahmen. Ein Wunder war das schon. Unser Volk blieb bewahrt, weil an dieser Weggabelung einer Verheißung getraut wurde. Der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen. So spricht Gott der Herr.

Liebe Gemeinde,  noch einmal. Wir stehen jeden Tag an einer Weggabelung, an einem Wegkreuz und wir können uns entscheiden, ob wir Gottes Verheißung trauen wollen oder ob wir lieber unseren eigenen Weg gehen wollen, ob wir sagen Jesus Christus geht mit uns, oder ob wir in dem Gejammer der anderen einstimmen und sagen: Gott ist weit weg.

Auf diese Entscheidung baut sich dann Trost auf. Und um zum Schluß noch einmal an das Kinderlied zu erinnern  „Heile, heile Gänschen, is’ ja wieder gut. Und in hundert Jahren ist alles vorbei.“ Als kleines Kind hat mir das immer geholfen, aber als Erwachsene brauchen wir mehr. Da brauchen wir den Zuspruch, der länger als hundert Jahre hält, da brauchen wir den Zuspruch der ewig hält.

Der Prophet Jesaja hat kein Blatt vor dem Mund genommen. Er hat den Leuten gesagt, wie es ist, wie es um ihre Welt und um ihre Kirche und um ihr Leben bestellt ist. Aber darauf hat er dann den Trost aufgebaut. Laßt euch nicht in Depressionen unterkriegen, sondern vertraut Gottes Wort, der da sagt:

„Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim. Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht im aufwallendem Zorn; aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir.... Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer."     Amen
                                  

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