Hauptseite.Archiv                      PageAutor: Pfarrer Zillmann    (01.01.2011)

Kirchen-Gemeinde im Internet:
Willkommen in der Kirche

 Predigten und Andachten  2009

Inhalt

Predigt - 20 Jahre vrietliche Refulusion (Pred 10,8) 08.11.09 Pfr. Zillmann
Predigt - Barmherzigkeit (Lk 10,25-37) 06.09.09 Pn. Orland
Predigt - Pfingsten, Petrus, Kirche (Mt 16,13-20) 01.06.09 Pn. Orland
Predigt - Drei böse Versuchungen  (Mt 4,1-11) 01.03.09 Pfr. Zillmann


weitere Predigten im Archiv
(Hinweis: Die Predigten sind teilweise geschrieben wie vorgetragen)

.


.

  Predigt - friedliche Revolution oder vrietliche Refulusion (Pred 10,8) 08.11.09 Pfr. Zillmann

Liebe Gemeinde! um den Tag "9. November" wird dieses Jahr überreichlich Gewese gemacht. So kann ich mich da also auch nicht ausschließen.

20 Jahre ist es jetzt her, dass die Mauer fiel, dass Ost und West sich verbanden, dass für viele ein neues Leben begann. 20 Jahre sind aber auch eine Zeit, die lang genug ist, manches zu vergessen oder zu verklären, eine Zeit in der auch Mythen und Legenden wachsen.

Und wer geglaubt hat, dass mit dem Ende der DDR, dass Kapitel "Sozialismus" in Deutschland beendet ist, der wird nach aktuellen Wahlen, Talkshows und politischen Diskussionen eines Besseren belehrt. Die alten Gespenster gehen immer noch um, sind munterer denn je, so scheint es.

Und wie heißt es so schön in der Bibel, da klagt der Prediger:

"Dies ist ein Unglück, das ich sah unter der Sonne … Wer eine Grube gräbt, der kann selbst hineinfallen, und wer eine Mauer einreißt, den kann eine Schlange beißen." (Pred 10,8)

Als die Mauer noch nicht eingerissen war, da hatte man es bei politischen Streitereien immer gut. Wenn alles gesagt war, wenn alle Argumente keine positive Wirkung zeigten, da kam zum Schluß immer: "Na, wenn's dir nicht paßt, dann jeh doch rüber!" 

Dieser kurze Satz: "Na, wenn's dir nicht paßt, dann jeh doch rüber!" - dieser Satz stellte soziale Träumerei    und sozialistische Realität gegenüber. --  Da brauchte man dann nicht mehr viel erklären. Diskussionen waren abrupt beendet "Na, wenn's dir nicht paßt, dann jeh doch rüber!"

Im Osten wurde dieser Satz auch gesagt, jedenfalls noch häufig in den fünfziger Jahren. Man war noch optimistisch und kämpferisch eingestellt. Millionen von Menschen haben sich das aber wortwörtlich zu Herzen genommen und das Paradies der Arbeiter und Bauern verlassen. Dann hatte es manchem stolzen Funktionär die Sprache verschlagen und man fing im Osten an zu jammern:  "Hier werden doch alle gebraucht. Du kannst uns doch nicht im Stich lassen." Usw.usf.

Liebe Gemeinde, vor 20 Jahren war der Sozialismus sowohl wirtschaftlich als auch moralisch am Ende. Dieser 9. November ist damit ein Schicksalstag. Mir wäre es lieber gewesen wenn dieser Tag ein Nationalfeiertag oder ein Gedenktag geworden wäre, und nicht der 3. Oktober.

Denn genau an diesem Tag - und da muss ich jetzt noch weiter zurückblicken - denn genau an diesem Tag, dem 9 November, wurde 1918 – also vor fast hundert Jahren, der Kaiser gestürzt und die deutsche und die sozialistische Republik ausgerufen. Das war eine wirkliche Revolution damals.

Jahre später wurde die Diktatur der Nationalen Sozialisten installiert und mit der Reichskristallnacht - ebenfalls an diesem 9. November - allerdings 1938 - zur offenen Verfolgung der Juden aufgerufen. Der totalen Menschverachtung folgte der totale Krieg. Und als der dann verloren war, wurde für den Osten Deutschlands  der braune Sozialismus plötzlich wieder der rote Sozialimus.

Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 schien dieser Spuck „Sozialismus“ in all seinen Schattierungen vorbei zu sein und jeder dachte, man hätte jetzt aus der Geschichte gelernt. Doch wie sagt es die Bibel so geheimnisvoll: "Dies ist ein Unglück, das ich sah unter der Sonne … wer eine Mauer einreißt, den kann eine Schlange beißen." (Pred 10,8)

Nun, jeder hat so seine Geschichten zu erzählen zu diesen Tag als die Mauer fiel. Diese Geschichten sind ja wichtig. Sie sind manchmal lustig aber immer authentisch und vor Ergriffenheit kommen manchmal die Tränen hoch.
Ich habe das damals im Fernsehen life gesehen, die Pressekonferenz mit Schabowski, als er die neuen Reiseregelungen verkündete. Auf die Straße sind wir nicht gegangen. Als die Bornholmer Brücke überrannt wurde, waren die Kinder schon im Bett. Und es sah alles sehr gefährlich aus.

Ein paar Tage später jedoch spazierten wir zum Müllberg, gingen durch die Lauben, schauten unten auf die Grenze, wie wir es schon so oft gemacht hatten und alles war eigentlich wie immer. Am ersten Sperrzaun angelangt entdecken wir ein abgeschraubtes und aufgebogenes Maschendreieck, groß genug um hindurch zu klettern. Der geharkte Streifen war aufgewühlt, dutzende Fußspuren führten zum asphaltierten Mittelstreifen.

Das war eine Einladung. Niemand war zu sehen. Unser Sohn - 5 Jahre alt, den hielten wir fest an der Hand. Tretmienen waren ja hier nicht verlegt und wir wagten die paar Schritte bis zum Kolonenweg.

Da standen wir dann. Mitten auf dem Todesstreifen! Die Gefühle waren unbeschreiblich. Wie hatten Menschen mit Menschen so etwas machen können. Die ganze Verblödung der DDR, die manifestierte sich hier und schrumpfte auf dies bisschen Stacheldraht zusammen.

Wir gingen hoch in Richtung Rosenthal. Es war kalt, aber die Sonne schien. Ganz hinten 300m weiter spielten Kinder mit dem Skateboard, fuhren den Grenzhügel immer hoch und runter.

Schlagartig war es jedoch mit der Freude vorbei. Auf der östlichen Seite war ein Stapel Betonplatten gelagert und dahinter hatte sich ein Grenzsoldat versteckt. Und der sprang nun hervor  und kam mit ganz schnellem Schritt auf uns zu.

Wir blieben wie angewurzelt stehen. Was in diesem Moment alles durch den Kopf ging ist schwer zu beschreiben. Der Weg zurück war zu weit. Wir waren aber jetzt schon auf Ostgebiet. Einen Ausweiß hatten wir nicht dabei. Auch wenn der Grenzer nicht gleich durchdrehen würde, war doch sehr, sehr viel Ärger zu erwarten.

Gleich mußte es kommen: "Halt stehen bleiben oder ich schieße!" oder so ähnlich. Wir hörten die Worte schon, jedenfalls im Kopf,   -   aber dann drang an unser Ohr ein fast hilfloses und kümmerliches: "Haaalloh, Hallo, warten Sie doch bitte mal."

Das war komisch, wir rührten uns nicht vom Fleck. Ein blutjunger Mann, höchstens zwanzig Jahre, er stand jetzt vor uns. Über die linke Schulter hatte er eine Maschinenpistole und auch über der rechten Schulter hing eine – merkwürdig. Den Stahlhelm hatte er auf den Kopf und am Koppel hing noch einer. Das Hemd war unordentlich aufgeknöpft und vollkommen aufgeregt fragte er: "Haben Sie meinen Kumpel gesehen?"

Da waren wir jetzt aber platt. Die Redeweise war komisch, nicht Genosse und so, aber in den letzten Tagen hatte sich ja viel verändert. "Ne, welchen Kumpel?"

"Na, meinen Kumpel, der ist rüber zum Wilhelmsruher Damm, den haben se uf'n Bier eingeladen und der kommt nicht zurück."

Jetzt war klar, die Mauer ist auch in Reinickendorf gefallen. Wir trösteten den armen Grenzsoldaten und versprachen ihm, wenn wir seinen Kumpel im Westen sehen, ihn zur Eile zu ermahnen und zurückzuschicken.
Unser Grenzsoldat mußte sich nun wieder verstecken, denn bereits vor einer halben Stunde sollte die Ablösung kommen, die durfte ihn nicht mit zwei MP's erwischen. Die Ablösung kam aber auch nicht. Vielleicht waren die ja alle irgendwie Bier trinken.

Liebe Gemeinde, was es heißt wenn jemand auf verlorenen Posten steht, das war uns an diesem Grenzsoldaten deutlich geworden. Und eine allgemeine Erfahrung haben wir aus dieser Geschichte gezogen: Wer für den Sozialismus kämpft steht früher oder später immer auf verlorenen Posten.

Nun machen andere Menschen andere Erfahrungen. Ich sagte es ja bereits Eingangs. Und junge Menschen, die noch keine Erfahrungen gemacht haben, die das alles damals nicht miterlebt haben, die fallen nur allzu oft auf die Heilslehren der Sozialisten herein. Und das immer und immer wieder, ob Nationalsozialisten oder Kommunisten, ob rechts oder links, als ob es geschichtliche Entwicklung überhaupt nicht gibt.

Ein französisches Sprichwort fand ich passend dazu, es ist auch schon fast hundert Jahre alt, das besagt:

"Wer mit zwanzig Jahren noch kein Sozialist ist, der hat kein Herz,
wer mit vierzig Jahren aber immer noch Sozialist ist, der hat keinen Verstand."

Nun Leute ohne Verstand gib es reichlich. Das brauche ich nicht weiter ausführen. Aber wenn man dieses schicksalhaften Tages gedenkt, dann staunt man doch immer wieder, wie vergesslich der Mensch ist.

Um das abschließend zu sagen. Das die Mauer gefallen ist, ist eine große Freude. Das biblische Sprichwort dazu  ist geheimnisvoll und aktuell: "Dies ist ein Unglück, das ich sah unter der Sonne … wer eine Mauer einreißt, den kann eine Schlange beißen." (Pred. 10,8)

Eine Mauer einreißen ist also auch gefährlich. Es können Ungeheuer hervorkommen, die man nicht vermutet hätte. Deshalb ist gerade nach zwanzig Jahren Wachsamkeit geboten. Es tauchen selbsternannte  Revolutionäre auf, die wie der Wolf im Schafspelz erscheinen und die wieder neue Anerkennung suchen.

Damals war es einfacher. "Na, wenn's dir nicht passt, dann jeh doch rüber!" das kann man heute so nicht mehr sagen, denn drüben ist hier und hier ist drüben. Das ist gut und manchmal auch nicht. Wachsam sollten wir sein, dass nicht neue Mauern entstehen.      AMEN



.

  Predigt Barmherzigkeit (Lk 10,25-37) 06.09.09 Pn. Orland

Liebe Gemeinde!

Den Predigttext des heutigen Sonntags kennt fast jeder. Er ist sogar denen vertraut, die mit der Kirche nicht vertraut sind. Nein, es ist nicht die Weihnachtsgeschichte! Aber auch hier spielt eine Reise von Stadt zu Stadt die Hauptrolle.

Lesung Lukas 10,25-37  -  Der barmherzige Samariter
25 Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? 26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? 27 Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5.Mose 6,5; 3.Mose 19,18). 28 Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben.
29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster? 30 Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.
31 Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. 32 Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte er ihn; 34 und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. 35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme.
36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war? 37 Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!

Liebe Gemeinde! Jesus hat immer sehr konkret, ohne Umschweife, in den Alltag hinein geredet. Oft hat er das mit Sprichwörtern getan. Sie funktionieren wie ein Verkehrsschild. Nehmen wir zum Beispiel ein blaues Schild, auf dem eine Frau und ein Kind abgebildet sind, die sich an den Händen halten. Was ist das? Genau! Das hier ist ein Fußgängerweg! Oder denken wir an einen Hirsch, der im roten Dreieck gerade zum Sprung ansetzt. Ja, hier kann Wild über die Straße wechseln. Der Autofahrer sollte den Fuß vom Gas nehmen und Ausschau halten.

Die „Verkehrsschilder Jesu“ sind Bild-Wörter. Zum Beispiel hat er uns gesagt: Ihr seid das Salz der Erde! Oder: was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, doch den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr? Er hat  gesagt: Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Diese Bilder bleiben einfach haften.

Hier im Lukasevangelium  hat Jesus eine Kurzgeschichte erzählt. Sie hat die selbe Wirkung wie die Bildwörter: sie bleibt bei uns haften. Schon seit Kindergottesdienstzeiten sehe ich den Samariter vor mir, wie er sich hinkniet zu dem Verletzten - wie ein Sanitäter. Mullbinden und eine Medizinflasche stehen da auf dem Boden, der Esel wartet geduldig.

Es war für mich die Geschichte mit happy end, nachdem ich jedes mal wieder gebangt hatte, wenn der Priester und dann auch noch der Levit herangeschritten kamen, um ungerührt weiter zu gehen. Für Kinder ist das eine Trostgeschichte. Sie sehen sich meistens auf der Seite des Opfers und warten sehnsüchtig darauf, dass jemand hilft.

Als ich im Jugendkreis war, schlug ich mich auf die Seite des Samariters. Na klar dachte ich, ich würde bestimmt nicht vorbei gehen. Daß ein Mensch anders handeln könnte, das ließ ich nicht gelten. Es war eine Frage meines Christseins, dass ich immer der Samariter sein würde.

Liebe Gemeinde! Gleichnisse und Bildworte Jesu lassen sich nicht auf eine einzige Deutung festlegen. Immer wieder neu können sie ausgelegt und erlebt werden. Sie sind wichtig für unseren inneren Haushalt. Für unseren seelischen Stoffwechsel. Aber deshalb fragen wir auch immer wieder neu: was bedeutet das heute für mich?

Genauso ist das damals gewesen. Ein Schriftgelehrter stellt die Frage. Er kennt eigentlich alles, aber Auswendiggelerntes hilft ihm auch nicht weiter. Schriftrolle und Buchstaben wollen mit Leben erfüllt werden.

Liebe Gemeinde! Was mich ein bisschen stört, ist die wiederkehrende Bemerkung in den Evangelien „siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte ihn und sprach...“

Bibelgespräche zwischen Jesus und den Pharisäern, zwischen Jesus und den Schriftgelehrten sollen immer wegen einer Provokation begonnen haben? Die Evangelisten hatten wohl ihre Gründe das so zu schreiben. Es ist ihnen überliefert worden, dass Jesus kein Schriftgelehrter war wie alle anderen. Er hob sich ab.

Wenn man dieses Wörtchen „versuchte ihn“ oder wie es manchmal heißt „sie wollten ihn auf die Probe stellen“ einmal ausstreicht, dann kommt da ein ganz, ganz besorgter Schriftgelehrter zum Vorschein. Er stellt die Frage, vor der man nur den Hut ziehen kann:“ was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“

Er sagt nicht „He, du da!“ sondern höflich „Meister“. Das heißt soviel wie „Herr Rabbiner!“ Im griechischen Text steht didaskale – da hören wir gleich das Wort Didaktik heraus.

Jesus ist ein Lehrer, ja, für ihn ist er auch ein Schriftgelehrter und mit ihm gemeinsam möchte er weiterkommen, möchte sein Leben besser verstehen und wieder neu ausrichten. Wir könnten mit heutigen Worten vielleicht sagen „updaten“.

Die Schrift ist lebendig wie Gott lebendig ist – also muss sie immer wieder auf mein heutiges Datum hin befragt werden. Das verbindet uns mit diesem Mann, mit diesem Schriftgelehrten.


Aber es gibt auch etwas Trennendes.

Der Schriftgelehrte fragt nach einem Anteil, nach einem Erbteil, das uns heute kaum noch etwas bedeutet. Es klingt so, als ob er sicher sein möchte, in der großen Lostrommel nicht unterzugehen, wenn die Gewinne gezogen werden. Er möchte Anteil haben am ewigen Leben. Die Ewigkeit: anfangslose Zeit, endlose Zeit.  Wer von uns Heutigen wünscht sich da hin?

Unsere Ur-Ur-Großmütter und -Großväter, die Menschen des Mittelalters, hätten sich noch fast genauso gesorgt. Der kleine Martin Luther ist mit der Angst aufgewachsen, ein schneller Tod könnte ihn an der Beichte hindern. Dann wäre vielleicht ein Weg in das ewige Leben für immer verbaut gewesen und er hätte Gott nie wieder gesehen. Zu ihm wollte er kommen, in den Himmel. Was waren da schon die paar Jahre auf der Erde!

Liebe Gemeinde! Wir sind froh, das mittelalterliche Weltbild hinter uns zu haben, wir sind froh über Luthers Entdeckung des gütigen Gottes. Nur: Ohne die Ewigkeit ist unser Leben ziemlich kurz geworden. Es ist begrenzt auf die Zeit, die wir auf diesem Planeten zubringen.

Unglücksfälle oder Tod in jungen Jahren bringen uns deshalb in Rage. Die Frage lautet dann immer: Wie kann Gott das zulassen? Biblisch ist diese Frage nicht.

Das zeigt schon unser Gleichnis. Jesus erzählt von der Welt, wie sie wirklich ist. Gewalt, Neid, Krankheit und Tod gehören dazu. Sie bilden die Grundlage für die Handlung. Räuber oder Priester – sie nehmen sich nicht viel! Sie haben kein Interesse an dem überfallenen Mann. Sie fühlen sich nicht zuständig, etwas für ihn zu tun. Nein, sie sind sich selbst der Nächste.

Unser Einstieg in die Geschichte ist ein ganz anderer als damals. Mit dem ewigen Leben rechnet kaum einer noch. Mit dem Jüngsten Gericht auch nicht !

Wie lösen wir dann die Frage nach der Ungerechtigkeit? Ganz einfach: heute wird Gott angeklagt: „Wie kannst du das nur zulassen? Wie kannst du nur zustimmen, dass der oder diese nichts mehr von ihrem Leben hat?

Seien wir ehrlich! Heute fragen wir: „Wie kann ich das pralle Leben haben? Das glückliche, gelungene, das vollendete Leben? Wir fragen das den „Schriftgelehrten“ von heute: den Buchhändler. Die Abteilung Ratgeber ist in keinem Buchladen zu übersehen: „Die Heilkraft der Steine“, „Forever young“, „Bachblüten“, „Schlank im Schlaf“, Entspannung und Meditation“.

Jesus sagt: Vergiss das ewige Leben! Du verpasst deinen Nächsten, du verpasst das Leben hier und heute. Ewiges Leben kannst du „ererben“, indem du die Gedanken daran loslässt.  Richte deine Blicke von der Zukunft mehr zur Gegenwart.

Liebe Gemeinde! Räuber treten uns nicht nur als Menschen in den Weg. Wir spüren den Raubbau an der Gesundheit. Wir wissen um den Raubbau an der Natur. Wir kennen vielleicht Menschen, denen ihr Erspartes durch eine Bank „geraubt“ worden ist. Durch Unglücksfälle ist die Kindheit geraubt. Manchen ist einfach die Hoffnung geraubt.

Der Mensch ist an sein Leben hier auf der Erde gewiesen. Und hier gibt es den Raub. DER soll aber nicht das letzte Wort haben. Das letzte Wort in unserem Predigttext ist BARMHERZIGKEIT.

Ich bewundere diesen Samariter! Er scheint nur aus dem Vollen zu schöpfen: Er nimmt sich die Zeit, um dem Verletzten zu helfen, setzt seine Pflege auch im Gasthaus noch fort – und reist dann seelenruhig weiter. Er scheint auch ein gefülltes Portemonnaie zu haben, denn er gibt dem Wirt Geld für die Versorgung des Kranken. Vor allem. Für ihn gilt nicht „aus den Augen aus dem Sinn“. Nein, er hält die Spannung aufrecht und ist erst zufrieden, wenn er zurückgekehrt ist und sein Patient wieder vollständig hergestellt ist.

Dieser Samariter macht das Glaubensbekenntnis Israels lebendig:
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.« Er liebt ganz klar auch sich selbst.

Barmherzigkeit heißt also nicht, sich selbst aufzugeben, sondern nur soviel zu geben, wie man für sich selbst auch zur Verfügung hat. Barmherzigkeit heißt vor allem: Hinsehen! Sein Herz sehen lassen!

Liebe Gemeinde! Na klar, wir haben eine Sozialgesetzgebung. Aber die von den Behörden erfassten Fälle sind nicht alles. Die Barmherzigkeit aber entdeckt Notlagen, auch bisher unbekannte. Barmherzigkeit ist die Motivation für die Sozialgesetze, ein Quellgrund der sozialen Gerechtigkeit.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


.

  Predigt - Pfingsten, Petrus, Kirche (Mt 16,13-20) 01.06.09 Pn. Orland

Predigt Pfingstmontag, Ökumenischer Gottesdienst
Am Seggeluchbecken, Reihe I, Mt 16, 13-20

Liebe Gemeinde! Es ist Pfingsten!
Ich sollte jetzt in die Hände spucken – und kräftig zupacken - bei der Predigt! Wenn ich zwei linke Hände habe, dann wird das Zuhören vielleicht nicht so erfreulich. Oder wenn ich in den letzten Tagen zu oft die Hände in den Schoß gelegt habe. Dann bemerken das Predigthörer wie Sie. Sie werden vor allem  hoffen, dass Sie mir jetzt nicht in die Hände gefallen sind und die Predigt Überlänge hat. Also sollte ich jetzt die Gemeinde auf Händen tragen, damit sie eine schöne Predigt genießen kann.

Hände! Unser Predigttext fragt heute nach Händen: Wem wird etwas vertrauensvoll in die Hände gegeben?

Lesung Mt 16, 13-20

Petrus bekommt einen Schlüssel überreicht. Seitdem ist er auf alten Gemälden selten mit leeren Händen zu sehen. Fast durchgehend trägt er einen Schlüssel in der Hand. Manchmal hat er im wahrsten Sinne „alle Hände voll zu tun“ und trägt sogar zwei. Die Maler dachten sich: einer für den Himmel – einer für die Erde.

Liebe Gemeinde! Vor einer Woche waren wir zum Kirchentag in Bremen. Und auch dort ging nichts ohne den Schlüssel. Der Bremer Schlüssel ist in seinen Ursprüngen ein Himmelsschlüssel. Das Attribut des Apostels Petrus. Auf dem Stadtsiegel von 1366 sieht man Petrus, den Schutzpatron des Bremer Domes, mit einem gotischen Schlüssel. Wer allerdings nur auf einer Biersorte diesen Schlüssel entdeckt, der hat seine Funktion ganz aus den Augen verloren!

Liebe Gemeinde! Wenn heute Kirchenschlüssel in Gebrauch sind, dann wird manchmal eher zu- als aufgeschlossen. Die Küsterei ist nur von dann bis dann offen, der Jugendraum muss abgeschlossen werden, erst recht das Klavier ...Wichtige Papiere werden in den Schrank eingeschlossen. Vielen Zeitgenossen erscheint die ganze Kirche verschlossen. Sie haben noch nie hinter die Tür gelugt, sie gehen an verschlossenen Kirchentüren auch lieber vorbei.

Was hat Jesus gemeint, als er Petrus den Kirchenschlüssel gegeben hat? Unser Predigttext kreist um zwei Brennpunkte: Der eine ist hörbar, der andere zum Anfassen.

„Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Das ist hörbar.
„Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben“ – das ist zum Anfassen.

Petrus steht für die ganze Kirche – er ist sozusagen der Grundstein. Manchmal im wahrsten Sinne: Eine gewaltige Kuppel krönt heute den Petersdom. In Rom liegt Petrus begraben. Keine Kirchenspaltung konnte verhindern, dass von Byzanz bis Moskau, von Rom bis Wittenberg am 29. Juni seiner gedacht wird. Petrus ist wirklich ein Globalisierer – ein Heiliger der ganzen Christenheit.

Und dabei hatte alles so klein begonnen: Cäsarea Philippi – eine entferntere Ecke des Landes konnte man sich kaum vorstellen. In Nordisrael an den Jordanquellen liegt der Ort, welcher nicht einmal fromm war. Heiligtümer für Nymphen und den Hirtengott Pan, den griechischen Gott der den  Wald durchstreifte, lagen neben neumodischen Palästen des Herodes.

Matthäus beschreibt ganz einfach: Jesus ist bis in diese Gegend gekommen. Genau hier will er mit den Jüngern sprechen. Hier werden sie „zu sich kommen“. Hier wird sich in ihren Herzen etwas verändern.
Hier in Cäsarea Philippi – einem ungeeigneten Ort. Von hier aus gehen sie zurück in das Landesinnere und später in alle Welt.

In ihrem Herzen kennen sie ein Geheimnis: Gott ist lebendig und er ist ihnen begegnet! Es ist ihnen der Sinn erschlossen worden von dem, was sie mit Jesus erleben. Dieser Schlüssel ist für Türen nicht besonders geeignet. Er schließt auf, was dahinter ist. Er er-schließt Gottes Wort.

Matthäus wiederholt diesen Satz zwei Kapitel später (Mt 18,18). Diesmal in der Pluralform:
„Wahrlich ich sage euch: was ihr auf Erden binden werdet, dass soll auch im Himmel gebunden sein...“
Der Zusammenhang ist: wer erklärt uns die Heiligen Schriften? Wer kann uns sagen, was sie bedeuten?
Sind es die studierten Theologen, die Schriftgelehrten?  Jesus setzt ganz auf Petrus und ganz auf die Gemeinde.
Ihr könnt das selbst! Euch ist der Schlüssel gegeben.

"Für wen halten die Leute den Menschensohn?", hatte Jesus seine Jünger gefragt. – Möchte er einmal ein Meinungsbild über seine Person haben, möchte er wissen, was die Öffentlichkeit über ihn denkt?

Das Ergebnis ist aufschlussreich. Die öffentliche Meinung liegt völlig daneben. Man hält ihn für eine Art von Propheten, eine Gestalt wie Johannes, Elija, Jeremia oder sonst einen. So würden es die Schriften nahe legen.
Die Jünger scheinen sich von der Seele zu reden, was sie gehört haben. Es ist, als würden sie sich dabei immer klarer werden: Jesus ist anders!  Und an dem Punkt fragt Jesus nach: „Wer sagt denn ihr, dass ich sei?“

Jesus schließt Herzen auf! Das gilt auch hier und jetzt – hier bei uns in der Kirche. Trauen wir uns: „Was sage denn ich, wer Jesus ist?“ Nein, nicht die Antwort aus dem Katechismus wird es sein, die er hören will. Meine Antwort ist gefragt. Einfach meine Antwort. Sie muss nicht großartig sein. Sie muss nur meine eigene sein. Ich kann den Glauben anderer nicht übernehmen. Ich kann ihre Erfahrungen nicht auswendig lernen.

Genau das sehen wir an Petrus: Er ist derjenige, der immer wieder über das Ziel hinausschießt. Er, ein erfahrener Fischer, versucht doch tatsächlich über das Wasser zu gehen, als er draußen auf dem See Jesus sieht. Das endet kläglich: „Als er aber den starken Wind sah erschrak er und begann zu sinken und schrie „Herr, hilf mir!“

Im Garten Gethsemane schläft er ein, als sein Durchhalten gefragt ist. Dann wieder gehen ihm die Gefühle durch, als er das Schwert herauszieht, um Jesus während seiner Verhaftung dennoch freizuschlagen. Nur wenige Stunden später zittert er vor einer Frau die ihn nach Jesus fragt. Da will er ihn überhaupt nicht kennen – aber gar nicht kennen!

Am Ende seiner Erfahrungen – seiner bestürzenden Erfahrungen – steht er allein vor Jesus. Er allein formuliert: "Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Und da werden ihm die Hände gefüllt!

Liebe Gemeinde! Wir kennen Kirche manchmal so: Reichst du den kleinen Finger, dann nimmt die Gemeinde die ganze Hand. Am liebsten ziehen wir unsere Hand schnell wieder zurück. Wir haben doch so schon „alle Hände voll zu tun“!  Aber unser Predigttext fragt heute nach Händen: Wem wird etwas vertrauensvoll in die Hände gegeben?
Wir sind vertrauenswürdig! Wir haben den Schlüssel in der Hand, mit dem ein Leben sinnvoll werden kann. Den Schlüssel zu uns selbst und zu Gott.

Lassen wir der Gemeinde mindestens den kleinen Finger! Der DDR-Liederdichter Gerhard Schöne hat von den „kleinen Sachen“ geschrieben. Manche dachten, dass seine Lieder vor allem für Kinder wären – aber dann haben sie entdeckt, dass sie in uns etwas anrühren, was wir gerne verstecken. Es geht immer mit den „kleinen Sachen“ los. Auch der Sänger, der oft Mut bewiesen hat, hat auf seine kleinen Schritte geschaut:

Alles muss klein beginnen,
lass etwas Zeit verrinnen.
Es muss nur Kraft gewinnen,
und endlich ist es groß.
Schau nur dieses Körnchen, ach man sieht es kaum,
gleicht bald einem Grashalm. Später wird's ein Baum.
Und nach vielen Jahren, wenn ich Rentner bin,
spendet er mir Schatten, singt die Amsel drin:
Manchmal denk ich traurig: Ich bin viel zu klein!
Kann ja doch nichts machen! Und dann fällt mir ein:
Erst einmal beginnen. Hab ich das geschafft,
nur nicht mutlos werden, dann wächst auch die Kraft.
 
Und dann seh ich staunend: Ich bin nicht allein.
Viele Kleine, Schwache stimmen mit mir ein:
Alles muss klein beginnen,
lass etwas Zeit verrinnen.
Es muss nur Kraft gewinnen,
und endlich ist es groß.

Liebe Gemeinde! Wir haben alle einen Schlüssel dabei – wahrscheinlich mehrere. Sie stecken in unseren Taschen. Diese „Schlüssel des Alltags“ können uns erinnern, dass wir gefüllte Hände haben. Wir sind es, die Gottes Wort für andere „aufschließen“ können. Wir sind es, die dem lebendigen Gott begegnet sind und unser eigenes Christusbekenntnis sprechen dürfen. Auch dieses Bekenntnis wird wachsen – vom Grashalm zum Baum.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen


.

  Predigt Drei böse Versuchungen (Mt 4,1-11) Pfr. Zillmann

Lesung Sonntag 01.03.09 aus dem AT

1.Mose 3,1-19

1 Die Schlange war das klügste von allen Tieren des Feldes, die Gott, der HERR, gemacht hatte. Sie fragte die Frau: »Hat Gott wirklich gesagt: 'Ihr dürft die Früchte von den Bäumen im Garten nicht essen'?«
2 »Natürlich dürfen wir sie essen«, erwiderte die Frau,
3 »nur nicht die Früchte von dem Baum in der Mitte des Gartens. Gott hat gesagt: 'Eßt nicht davon, berührt sie nicht, sonst müßt ihr sterben!'«

4 »Nein, nein«, sagte die Schlange, »ihr werdet bestimmt nicht sterben!
5 Aber Gott weiß: Sobald ihr davon eßt, werden euch die Augen aufgehen, und ihr werdet alles wissen, genau wie Gott. Dann werdet ihr euer Leben selbst in die Hand nehmen können.«

6 Die Frau sah den Baum an: Seine Früchte mußten köstlich schmecken, sie anzusehen war eine Augenweide, und es war verlockend, daß man davon klug werden sollte! Sie nahm von den Früchten und aß. Dann gab sie auch ihrem Mann davon, und er aß ebenso.
7 Da gingen den beiden die Augen auf, und sie merkten, daß sie nackt waren. Deshalb flochten sie Feigenblätter zusammen und machten sich Lendenschurze.

8 Am Abend, als es kühler wurde, hörten sie, wie Gott, der HERR, durch den Garten ging. Da versteckten sich der Mensch und seine Frau vor Gott zwischen den Bäumen.
9 Aber Gott rief nach dem Menschen: »Wo bist du?«
10 Der antwortete: »Ich hörte dich kommen und bekam Angst, weil ich nackt bin. Da habe ich mich versteckt!«

11 »Wer hat dir gesagt, daß du nackt bist?« fragte Gott. »Hast du etwa von den verbotenen Früchten gegessen?«
12 Der Mensch erwiderte: »Die Frau, die du mir an die Seite gestellt hast, gab mir davon; da habe ich gegessen.«
13 Gott, der HERR, sagte zur Frau: »Was hast du da getan?«
Sie antwortete: »Die Schlange ist schuld, sie hat mich zum Essen verführt!«

14 Da sagte Gott, der HERR, zu der Schlange:
»Verflucht sollst du sein wegen dieser Tat!
Auf dem Bauch wirst du kriechen
und Staub fressen dein Leben lang -
du allein von allen Tieren.
15 Und Feindschaft soll herrschen
zwischen dir und der Frau,
zwischen deinen Nachkommen und den ihren.
Sie werden euch den Kopf zertreten,
und ihr werdet sie in die Ferse beißen.«

16 Zur Frau aber sagte Gott:
»Ich verhänge über dich,
daß du Mühsal und Beschwerden hast,
jedesmal wenn du schwanger bist;
und unter Schmerzen bringst du Kinder zur Welt.
Es wird dich zu deinem Mann hinziehen,
aber er wird über dich herrschen.«

17 Und zum Mann sagte Gott: »Weil du auf deine Frau gehört und mein Verbot übertreten hast, gilt von nun an:
Deinetwegen ist der Acker verflucht.
Mit Mühsal wirst du dich davon ernähren,
dein Leben lang.
18 Dornen und Disteln werden dort wachsen,
und du wirst die Pflanzen des Feldes essen.
19 Viel Schweiß mußt du vergießen,
um dein tägliches Brot zu bekommen,
bis du zurückkehrst zur Erde,
von der du genommen bist.
Ja, Staub bist du,
und zu Staub mußt du wieder werden!«


Liebe Gemeinde,

Als die Menschen die Früchte von dem Baum der Erkenntnis gegessen hatten, so wie wir es eben in der Schriftlesung gehört haben, als die Menschen diese Früchte gegessen hatten, da ging es ihnen schlecht. Mühsal und Plagen trafen sie. Verflucht war der Acker, die Quelle des Lebens und der Arbeit. Verdammt war das Feld,  nur noch Disteln und Kraut. Im Schweiße seines Angesichts mußte nun der Mensch sein Brot essen. Mühsal und Plagen bis der Tod kommt, denn von Erde sind wir genommen und zu Erde sollen wir wieder werden.

Dieser Sündenfall ist schon lange her, so könnte man meinen. Das Bild der Schlange in einem schönen Paradies wird zwar häufig für alle möglichen Begebenheiten benutzt, bis hin zur Autowerbung und teuflische Umstände als Zenario für Untergang und Verderben erfreuen sich zunehmender Beliebtheit,  -   aber das Eigentliche, diese Erbsünde des Menschen, die vom ersten Lebensschrei bis zur Bahre sich durchzieht und ganz persönlich und individuell ist, -  an die möchte ein moderner Mensch nicht erinnert werden

Wir sagen, und bekommen es leicht von den Lippen: Es ist eine böse Zeit, heutzutage. Es gibt schlimme Verhältnisse und teuflische Menschen in ihnen. Aber es fällt uns sehr schwer in den Spiegel zu gucken und zu sagen: Sie an, da steht einer - einer oder eine von denen, die sich wohlfühlen in dieser bösen Zeit, einer von denen, die die Verhältnisse mit tragen und wie auf Teufel komm raus in den Tag hineinleben und es sich gut gehen lassen.

Solch ein Spiegelblick fällt schwer. Wir würden die alltägliche Versuchung entdecken, das Schamlose, das Grenzenlose, den inneren Schweinehund, wie Luther einmal sagte. Und wer sollte uns vor dieser Versuchung bewahren und Halt geben? Wer sollte diese Erkenntnis des Bösen in uns selber abwenden? In den Spiegel schauen -  ist also nicht unbedingt jedermanns Sache.

Eine Geschichte. die am Anfang der Evangelien steht und die unmittelbar damit etwas zu tun hat, möchte ich ihnen vorlesen. Es ist die Geschichte der Versuchung Jesu.
Und da heißt es im Mathäusevangelium:

Jesus wird auf die Probe gestellt

1 Danach führte der Geist Gottes Jesus in die Wüste, wo er vom Teufel auf die Probe gestellt werden sollte.
2 Nachdem er vierzig Tage und Nächte gefastet hatte, war er hungrig.
3 Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: "Wenn du Gottes Sohn bist, dann befiehl doch, daß die Steine hier zu Brot werden! "
4 Jesus antwortete: "In den Heiligen Schriften steht: 'Der
Mensch lebt nicht nur von Brot; er lebt von jedem Wort, das Gott spricht.'"

5 Darauf führte der Teufel ihn in die heilige Stadt Jerusalem, stellte ihn auf den höchsten Punkt des Tempels
6 und sagte: "Wenn du Gottes Sohn bist, dann spring doch hinunter; denn in den Heiligen Schriften steht: 'Deinetwegen wird Gott seine Engel schicken, und sie werden dich auf
Händen tragen, damit du dich an keinem Stein stößt.'"
7 Jesus antwortete: "In den Heiligen Schriften heißt es auch: 'Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht herausfordern.'"

8 Zuletzt führte der Teufel Jesus auf einen sehr hohen Berg, zeigte ihm alle Reiche der Welt in ihrer Größe und Pracht
9 und sagte: "Dies alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir nieder wirfst und mich anbetest."
10 Da sagte Jesus: "Weg mit dir, Satan! In den Heiligen Schriften heißt es: 'Vor dem Herrn, deinem Gott, wirf dich nieder, ihn sollst du anbeten und niemand sonst.'"
11 Darauf ließ der Teufel von Jesus ab, und Engel kamen und versorgten ihn.

Liebe Gemeinde, diese Bibelstelle, diese Geschichte von der Versuchung Jesu beschreibt einen Gegensatz, den Gegensatz von Gut und Böse. Und dieser Gegensatz ist auch deutlich ausgedrückt. Das Böse, oder die böse Versuchung trägt den Namen Teufel und das Gute, das Widerstehen, den Namen Jesus.

In Verbindung mit der Erzählung vom Sündenfall könnte diese Geschichte mit Jesus und dem Teufel eine Art Spiegel für uns sein. Ein Spiegel, in den wir hineinschauen und wo wir sehen können auf welcher Seite wir stehen. Zwei Prinzipien, ja zwei Lebensweisen oder Seinsweisen stoßen aufeinander.

Und um die zu verstehen, sollten wir nun nicht alles bildlich ausmalen, was in dieser Geschichte bildlich beschrieben wird. Der Teufel mit Pferdeschweif und Hinkefuß, Pech und Schwefel wären hier fehl am Platz. Ebenso ein Jesus mit verklärtem Blick und langem wallendem Haar.

Diese Geschichte beschreibt einen inneren Kampf, der sich tagtäglich bei jedem von uns wiederholt, der sich tagtäglich in unserer Welt zwischen Menschen abspielt und wenn wir Jesus als Beginn unsere Kirche ansehen, dann beschreibt diese Bibelstelle auch die ständige Gefahr, in der sich unsere Kirche befindet. Es ist die Versuchung, der Besitz- und Machtgier zu erliegen.

Und es ist vorallen Dingen die Beschreibung, wie dieser Versuchung widerstanden wird. Es ist das Gegenstück zu dem Sündenfall im Alten Testament. Dem Bösen kann widerstanden werden. Der Fluch von Untergang und Verderben, von Mühsal und Plagen findet mit diesem dreimal deutlichen Nein, daß Jesus gegen die Versuchung stellt, sein Ende

Was bedeutet das nun im einzelnen - in drei Bereichen der Versuchung, so will ich es mal ein bißchen systematisieren.

Zum ersten:

" Da trat der Versucher zu ihm und sagte: Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden.- Bist du Gottes Sohn. so sprich, daß diese Steine Brot werden."

Jesus hatte gehungert. Ihm ging es nicht gut und dann dieses Angebot. Zu Essen im Überfluß - Wie hätten wir reagiert? - Ist es nicht schön, etwas zu besitzen, etwas zu haben, was das Leben besser und leichter macht? Und das muß nicht unbedingt das trockene Brot sein, sondern übertragen auf unsere Situation hier ist es schlechthin der Wunsch nach einem besseren Lebenstandart.

Und besonders als Christen fragen wir uns natürlich, warum sollten wir verzichten, wo wir doch an Gott glauben und ständig sehen, daß andere, die nicht an ein christliches Ethos gebunden sind, es oftmals im Leben zu mehr bringen, als wir es mit unserer Rücksichtnahme schaffen könnten. Daran kann man irre werden, wie es schon in den Psalmen (Ps73) beschrieben wird. Daran kann man schwach werden und verbittert sagen. OK, ich passe mich den anderen an und renne dem Konsum oder dem Geld hinterher.

Und was für den einzelnen gilt, gilt natürlich auch für unser Land. Die schlechten wirtschaftlichen Nachrichten, die Finanzkrise, oder die ständig hohe Arbeitslosigkeit machen das deutlich. Sie sind für das allgemeine Befinden nicht  gut. Der Wettbewerb wird schärfer und unfreundlicher. Jeder versucht seine Pfründe, seine Vorteile und seinen Besitz ins trockene zu bringen, Sicherzustellen. Und das meistens auf  Kosten anderer.

Und unsere Kirche würde auch gern Steine zu Brot verwandeln können. Damit könnte ein neues Finanzsystem gesichert werden und ein ständiger Stellenabbau würde nicht nötig sein. Und was gibt es alles für wichtige Aufgaben und schwierige Probleme zu bewältigen. Und ich habe es selber erlebt, wie für dreißig Dachziegel das Evangelium verkauft wurde. Da gehen dann die Stimmen unter, die meinen, die Kirche lebt nicht von ihren Besitztümern allein, sondern von ihrer Verkündigung.

Jesus hatte dieser Besitzgier, der Gier, so möchte ich es mal sagen, in all diesen Bereichen widerstanden. Brot ist wichtig und ein schlaues Geschwätz macht nicht satt. Das ist klar. Aber das Wort, das aus Gottes Mund kommt und diesem Leben einen Sinn gibt, das ist ebenso wichtig. Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden. Und Jesus antwortete: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, daß aus Gottes Mund kommt.

Zum zweiten:

"Bist du Gottes Sohn, so wirf dich von den Zinnen des Tempels, dir wird nichts passieren, denn du wirst auf Flügeln getragen."

Sinngemäß können die Bedenken und die Vorwürfe aus der ersten Versuchung hier auch angewandt werden. Das Bild vom Fliegen, erinnerte mich aber immer an die Sage von Ikarus und damit überhaupt an Menschen, die den Naturgesetzen zum Trotz das Unmögliche versuchen wollen, weil sie doch meinen, sie wären die Krönung der Schöpfung, oder sich selber für das wichtigste auf dieser Welt halten.

Die Wissenschaft, oder das Wissen überhaupt, ist hierzu ein gutes Beispiel. Wir wollen Macht über die Natur bekommen und das, (hier ist der Begriff wieder sehr schön sinnbildlich,) und das auf Teufel komm raus.

Im persönlichen Bereich seien mal die sündhaft, ungesunden Lebensweisen erwähnt. Wenig Bewegung, fettes Essen, Rauchen, Genußmittel usw. Ist ja alles nicht schlimm. Aber die stille Hoffnung: Die Medizin wird mit immer besseren Pillen und Methoden wieder alles ausbügeln, ist dabei eine böse Versuchung.

Wissenschaft macht den Menschen manchmal übermütig. Wer hoch steigt wird tief fallen. - könnte man sagen. Von den Zinnen eines Turmes zu springen, ist heutzutage mit einem passenden Fluggerät kein Problem mehr. Da kann man unbeschadet auf der Erde landen. Zum Mond können wir auch fliegen. Tomaten in Fußballgröße werden auch schon gezüchtet und eine Kuh mit zwei Köpfen regt niemanden mehr auf.

Wir Menschen wissen viel, und wir wagen viel und auf dieses Wissen gründet sich sehr oft Überheblichkeit und gefährlicher Leichtsinn. Es macht Spaß, mit einem Flugzeug zu fliegen und wir sind Stolz, daß uns unser Wissen zum Mond geführt hat, aber wenn wir uns damit zum Herren der Schöpfung, zum Bezwinger der Naturgesetze erklären, vom Baum der Erkenntnis essen, bis uns schlecht wird,
 - dann erliegen wir dieser zweiten Verführung, die uns verboten ist und darum antwortete Jesus: Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen.

Zum dritten:

Der Teufel führte Jesus auf einen hohen Berg, zeigte ihm die Reiche der Welt, malte ihm die Herrlichkeit dieser Reiche aus und sagte: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfälltst und mich anbetest.

Diese dritte Versuchung ist eigentlich das typische Bild der teuflischen Versuchung überhaupt. Nicht der Reichtum und nicht die Macht über die Natur,  sondern die Macht über Menschen verkörpern in unserem Bewußtsein das Böse schlechthin. Denn Macht und Machtmißbrauch sind oftmals zwei Worte für ein und dieselbe Sache.
In zwischenmenschlichen Beziehung machen wir Menschen von uns abhängig, oder Menschen sind von uns abhängig und nutzen dann diese Abhängigkeit in vollen Maßen aus.

Eltern mißbrauchen ihre Autorität gegenüber ihren Kindern, weil sie vielleicht anders leben wollen als gewohnt. Und die Eltern - dann alt und uralt geworden, werden dann von den erwachsenen Kindern wiederum gegängelt und bevormundet, weil sie scheinbar nicht mehr in diese Welt hineinpassen und nur noch stören.

Freundschaften werden nicht mehr von Verständnis und Liebe geprägt, sondern von Gleichgültigkeit und individueller Entfaltung, so heißt das heute. Im Ergebnis kommt heraus, daß es mehr sogenannte Singels als Familien gibt und die Frauen mit den Kindern, (und damit dann natürlich auch wieder die Männer,) die Leidtragenden dieser besonderen und modernen Machtmißbräuche sind.

Und in der Politik zu erklären, was Machtmißbrauch ist, kann ich mir an dieser Stelle sparen. Politikverdrossenheit ist uns allen ein Begriff. Ein schönes Wort laß ich neulich in der Zeitung, da schrieb jemand: "Wer in die Politik geht, der verabschiedet sich vom Leben."

Politik und Macht sind wichtig, aber sie sind gleichzeitig Lebensfeindlich. Werden sie angebetet als alleinige Rettung aus vielerlei Übel, dann ist Tod und Chaos meistens das unausweichliche Ergebnis. Und die Politiker, auch die Kirchenpolitiker, also die Diener der Macht, sie gehen einen Weg, der allzu oft einer Teufelsanbetung gleichkommt. Und sie merken es nicht einmal, denn die Herrlichkeit dieser Welt macht blind.

An diesem Punkt hat Jesus deutlich und energisch gesagt: Weg mit dir Satan. Es steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.

Liebe Gemeinde. Zwei Lebensweisen treffen aufeinander. Und trösten sie sich, vor zweitausend Jahren war das nicht anders als heute. Jesus und Satan erscheinen als Repräsentanten dieser entgegengesetzten Prinzipien.
Der Teufel ist der Vertreter des materiellen Konsums und der Macht über Natur und Mensch. Und Jesus verkörpert das göttliche, oder besser gesagt, das Ubernatürliche, daß über diese Niedrigkeit der menschlichen Versuchung hinausgeht.

Schön und gut. Die Welt ist bisher scheinbar dem Prinzip des Teufels gefolgt. Wo ist nun das positive Fazit dieser Geschichte. Was bedeutete das für uns? Was bedeutet das für unser Leben?

Das kann abschließend, zusammenfassend und ganz kurz gesagt werden. In der Geschichte mit dem Paradies und der Schlange, da gab es für den Menschen nur noch eine Möglichkeit und das war die einzigste Festellung: Mühsal und Plagen trafen sie. Mühsal und Plagen bis der Tod kommt. Da hatte niemand eine Wahl. Da wurde niemand mehr gefragt. Der Brudermord folgte und Soddom und Gomorah waren das Ergebnis. Das ist der Fluch bei uns Menschen.

In der Geschichte im Neuen Testament werden aber zwei Wege, zwei Möglichkeiten aufgezeigt.
Sinnbildlich: Jesus für uns Menschen. Und Jesus hat Nein gesagt. Er hat damit auch für uns die Möglichkeit eröffnet, eine Entscheidung zu treffen und dann nein zu sagen.

Das mag wenig sein und so scheinen. Aber ich glaube es ist eine ganze Menge. Denken sie darüber nach. Es ist leicht ausgesprochen und beinhaltet doch eine lange Geschichte, die Gott mit uns Menschen verbunden hat.

Diesen Fluch aus dem alten Testament - daß der Mensch böse ist - den gibt es nicht mehr.

Natürlich: Man kann etwas böses tun, aber - man muß es nun nicht mehr. Das ist die Freiheit die wir durch Jesus Christus haben und die gleichzeitig das Leben so schwer macht. Man kann etwas böses tun, aber man muß es nicht tun.

AMEN



  Seitenanfang

Hauptseite Archiv  (c) 2009  Mail Pfarrer Zillmann

Ev.Kirche Am Seggeluchbecken in Berlin-Reinickendorf
Pfarrer Peter Zillmann, 13435 Berlin-Märkisches Viertel, Finsterwalderstr. 68